Der Gegenvorschlag des Regierungsrates zur Volksinitiative «Für eine realistische Flughafenpolitik» stiess bei dem LeserInnen des Tages-Anzeigers auf wenig Begeisterung.
7 Leserbriefe zu den Tagi-Artikeln:
Flughafen: Zahl der Betroffenen messen, nicht Flugbewegungen / Lärmsorgen ernst genommen, TA vom 07.01.06
Gummiparagraf. Im Gegenvorschlag zur Flughafeninitiative schlägt der Zürcher Regierungsrat vor, einen neuen Richtwert einzuführen, der die Anzahl vom Fluglärm stark gestörter Menschen beschränkt.
Liebe Damen und Herren Regierungsräte: Was heisst denn «stark gestört»? Dieser Begriff ist ein Paradebeispiel für einen «Gummiparagrafen»! Wir Menschen beurteilen Lärm jeglicher Art sehr individuell. Dieser Richtwert kann nie in Dezibel oder sonstigen Rechenformeln definiert werden. Der Gegenvorschlag überzeugt nicht. Will man mit ihm erneut auf Zeit spielen und uns Bürger an der Nase herumführen? Eine Zementierung der jetzigen Situation wird von der Zürcher Bevölkerungsmehrheit bestimmt nie akzeptiert und vehement bekämpft. Der Rechtsstaat Schweiz steht am Anfang des Jahres 2006 weiterhin auf wackligen Füssen.
ANDRÉ EIGENMANN, EBMATINGEN
Hinhaltetaktik. Man will die Zahl der vom Fluglärm stark gestörten Menschen beschränken. Was heisst das für uns Lärmgeplagten? Gibt es in Zukunft weniger Südanflüge? Wird der gekröpfte Nordanflug im Eiltempo eingeführt? Wie werden diese Begrenzungen umgesetzt? Viele offene Fragen. Ich glaube, der Regierungsrat will die lärmgeplagte Bevölkerung mit irgendwelchen Zahlenspielen nur wieder hinhalten. Im selben Atemzug wird wieder die Angstmache mit der Volkwirtschaft in den Abstimmungskampf gebracht. Ich jedenfalls werde mich für die Flughafeninitiative aussprechen. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
DANIEL MEIER, WALLISELLEN
Beruhigungspille. Regierungsrätin Fuhrer versucht es einmal mehr mit Augenwischerei: Die Methoden zur Ermittlung vom Lärm stark betroffener Einwohner sind unausgereift und gesetzlich nicht verankert. Sie basieren auf der Hochrechnung von Umfrageergebnissen. Diese Hochrechnungen verwenden als Lärmmass den Leq, der wenig mit der subjektiven Lärmempfindung zu tun hat. Sie werden bei der Empa von der Lärmgruppe durchgeführt, welche finanziell total von der Unique abhängt. Als Vertreterin des Regierungsrates im SIL Prozess und im Unique Verwaltungsrat hat es Frau Fuhrer in der Hand, statt blosser Beruhigungspillen wirtschaftlich und siedlungspolitisch tragbare Szenarien auszuarbeiten und griffige Lenkungsmassnahmen vorzuschlagen, um eine Entwicklung hin zu einem City Flughafen einzuleiten. Das ist, was ein bedeutender Teil des Zürcher Volkes will!
HANS RUDOLF THOMANN, ZÜRICH
Subjektiver Empfindungspoker. Man mag die Zahl von 250 000 Flugbewegungen pro Jahr für zu niedrig, für zu hoch oder genau für richtig halten, aber sie setzt einen klaren, berechenbaren Fixpunkt. Der Gegenvorschlag hingegen ist ein unfassbares, schwammiges Gebilde. Wie lässt sich Fluglärmbelästigung genau messen? Vielleicht in einer Zusatzfrage bei der nächsten Volkszählung: Bitte geben Sie mit einer Zahl von i bis 10 an, wie stark Sie sich von Fluglärm gestört fühlen! Da kann ein Mensch, der um 6 Uhr früh von einem Dutzend Flugzeugen überflogen wird, angeben, dass er sich stärker gestört fühlt als eine Person, die seit Jahrzehnten neben dem Flughafen wohnt und die Lärmkulisse kaum mehr beachtet. Jemand, der seine Brötchen beim Flughafen verdient, wird loyalerweise Fluglärm weniger störend empfinden als ein ruhesuchender Wanderer weit weg vom Fluggeschehen. Genau auf diesen subjektiven Empfindungspoker setzt doch der Regierungsrat. Resultat: Die Flugzeuge werden in unbeschränkter Zahl über die bereits heute stark belärmten Gebiete fliegen. Ob sich jene Anwohner nur ein bisschen über den Lärm aufregen oder sich darüber grün und blau ärgern, ist dann ja egal, weil es immer gleich viele Leute sind.
ANITA HÜRLIMANN, RUMLANG
Kaum zu glauben! Mit dem Gegenvorschlag soll das als Unwort der Flughafendebatte längst nicht mehr salonfähige Leq Lärmmass durch die Hintertür wieder eingeschleust werden. Jedem LeqLärmwert wird ein prozentualer Bevölkerungsanteil «stark gestörter» Personen zugeordnet, basierend auf der Olivia Studie 98. Unter der Südanflugschneise wären dies in Schwamendingen etwa 15 Prozent und in Zumikon etwa 5 Prozent der Bevölkerung. Um die Anzahl der stark gestörten Personen für die Festlegung des Richtwertes möglichst hoch ansetzen zu können, bedient sich die Regierung der Flugbewegungszahl des Rekordjahres 2000 und behauptet, jener Lärm sei von der Bevölkerung akzeptiert gewesen. Dabei war das Einzige, was die Bevölkerung 1995 mit dem Ja zum Flughafenausbau akzeptiert hatte, die von der Regierung und vom Flughafen vorausgesagten 250 000 Flugbewegungen. Es war gerade die vom Grössenwahn der Swissair Hunterstrategie ausgelöste Explosion der Flugbewegungen, die das Fass zum Überlaufen brachte und uns die deutsche Verordnung bescherte. Die Zustände von damals dürfen nicht als Eckpunkte für ein neues Flughafengesetz dienen!
J. P. SCHILTKNECHT, ZOLLIKERBERG
Untauglich. Das Ziel, die Zahl der vom Fluglärm stark «gestörten» Personen zu beschränken, hört sich gut an. Doch praktisch ist das nur möglich, wenn man die Zahl der Flugbewegungen beschränkt. Sicher aber nicht, wenn man von der Zahl der Flugbewegungen im Jahr 2000 ausgeht, als Deutschland noch den Löwenanteil der Anflüge auf Kloten übernahm. Noch unrealistischer ist die Beschränkung der Emissionen durch dauernd überwachte Richtwerte für die besonders stark betroffenen Gebiete. Bei deren Überschreitung müsste, wenn sie wirksam sein sollen, der Flugverkehr jeweils eingeschränkt oder umgeleitet werden. Dies würde sich erheblich störender auswirken als eine generelle Begrenzung. Um sich vor mehr Fluglärm zu schützen, bleibt darum nur die Zustimmung zur Plafonierungsinitiative. Bundesbern muss wissen, dass sich die Zürcher Bevölkerung nicht den Emissionen eines uneingeschränkten Luftverkehrs aussetzen und durch vages Inaussichtstellen von untauglichen Massnahmen übertölpeln lassen will.
WALTER BECKMANN, USTER
Bahn fördern. Von 231 086 Flugbewegungen auf dem Flughafen im Jahre 2004 führten 107 000 (46 Prozent) über eine Distanz von weniger als 700 Kilometern. Mit einer Umlagerung dieses Verkehrs auf die Schiene kann ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung der Lärm und Luftprobleme geleistet werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, muss die Bahn wesentlich attraktiver als heute werden (kürzere Fahrzeiten, häufigere Fahrmöglichkeiten). Beim nationalen und internationalen Bahnverkehr hat sich der Kanton Zürich im Gegensatz zum Luftverkehr bis heute finanziell nur marginal beteiligt. Nur mit verbalen Forderungen an den Bund und an andere Stellen ist es nicht getan.
PAUL STOPPER. USTER
siehe auch:
Mednienmitteilung VFSN
Gegenvorschlag des Regierungsrates zur Volksinitiative «Für eine realistische Flughafenpolitik» (Medienmitteilung des Regierungsrates)
Kein unkontrolliertes Wachstum auf Kosten der Bevölkerung (Stellungnahme des Initiativ-Komitees Volksinitiative für eine realistische Flughafenpolitik)
Gegenvorschlag zur Flughafen-Initiative (TA)