Kommentar zum NZZ-Artikel «Flexiblere Anflugvarianten» (VFSN)

Publiziert von VFSNinfo am

Flexiblere Anflugvarianten in Reichweite, NZZ, 12. Juni 2006 

Kommentar von Thomas Morf, VFSN

P-RNAV, RNP, 4DT - alles Abkürzungen für innovative und zukunftsgerichtete Navigationsmethoden in der Luftfahrt. Der Weg ist vorgegeben, alle diese Entwicklungen ermöglichen eine höhere Genauigkeit der Navigation und bieten damit die Möglichkeit, dass ein Flugzeug der vorgegebenen Streckenführung immer präziser folgen kann. Für die Airlinebranche ist dies einerseits die Chance, dank der höheren Genauigkeit die Kapazitäten zu steigern, vor allem in der Umgebung von Flughäfen, andererseits bietet sich der Vorteil, dass Siedlungsgebiete umflogen werden können. Dies könnte die bestehenden Probleme rund um den  Flughafen Zürich entschärfen.

Doch wo bleibt der einstige Pioniergeist der Schweizer Luftfahrt? Die Verantwortlichen von BAZL, Skyguide und Unique verschanzen sich hinter Europa und Safety-Assessments: „Eine Insellösung etwa bei den Anflügen auf Zürich sei nicht sinnvoll und eine P-RNAV Einführung nur in europaweiter Harmonisierung praktikabel“.  Ein Blick über unsere Landesgrenzen zeigt, dass die Schweiz schon bald eine Insel, eine Insel der Rückständigkeit in der Aviatik ist. Am 17. Juni 2005 wurde der europaweit erste RNP RNAV (Required Navigation Performance Area Navigation) Anflug in Innsbruck durchgeführt. Die Anwendung des neuen Verfahrens führte zu einer deutlichen Erhöhung der Flugsicherheit sowie zu einer starken Reduzierung der Kosten. Auch von Eurocontrol wird dieses Konzept der RNP RNAV Navigation als die zukünftige Navigationsart eingestuft. Eurocontrol hat auch allen Interessierten den vollen Support bei der Einführung von P-RNAV zugesichert. Im Gegensatz zu anderen Europäischen Ländern (siehe Kasten) hat die Schweiz P-RNAV erst im August 2004 zur Einführung freigegeben, im November 2005 aber bereits widerrufen und mit ungelösten Sicherheitsaspekten begründet. Nach Auskunft des BAZL, können jedoch Schweizer Fluggesellschaften, welche die technischen und operationellen Voraussetzungen erfüllen, die P-RNAV-Zertifikation auf Antrag erhalten, jedoch nur für Flughäfen im Ausland.
Bedeutet“ Europäische Harmonisierung für die Akteure der Schweizer Luftfahrt warten, bis ganz Europa und der Rest der Welt P-RNAV eingeführt hat? Warum dürfen Schweizer Fluggesellschaften im Ausland mit P-RNAV landen, aber in der Schweiz nicht? 

P-RNAV ist die Navigationsgrundlage für den gekröpften Nordanflug. Beabsichtigt das BAZL den gekröpften Nordanflug mit  Begründungen wie Safety-Item bei der Navigation oder europaweiter Harmonisierung zu verzögern oder abzuwürgen? Nach all den Vorfällen in der Schweizer Luftfahrt ist es nur zu begrüssen, dass Safety First nun an erster Stelle steht. Wieso aber ein System, dass in den USA und in einzelnen Ländern Europas in Betrieb ist und zu einer deutlichen Erhöhung der Flugsicherheit geführt hat in der Schweiz unsicher sein soll, läst sich wohl kaum mit technischen Aspekten erklären. Im Weiteren wäre es mehr als nur wünschenswert, wenn Safety First nicht nur in der Luft und für die Flugpassagiere, sondern auch für  zehn-tausende von Menschen z.B. in Zürich Schwamendingen Gültigkeit hätte. Diese Menschen leben im „Absturzkorridor“, einem Gebiet von 6 km Länge und 600 Metern Breite, wo statistisch gesehen die überwiegende Anzahl von Flugunfällen wahrscheinlich ist. Das kollektive Risiko am Flughafen Zürich ist mit den gekröpften Nordanflug 19 mal kleiner als mit dem Südanflug und 8 mal kleiner als mit den zusätzlichen Ostanflügen. Dass dies vom BAZL (unter Leitung von A. Auer) als „gesellschaftlich akzeptiertes Risiko“ abgetan wird, grenzt an Menschenverachtung. In Anbetracht dieser Tatsachen darf es bei der Einführung des gekröpften Nordanfluges zu keinen weiteren Verzögerungen kommen. 
Nach unseren Recherchen ist die Aussage in der NZZ, dass erst mit einem lückenlosen RNP-Approach der heutige Standard eines CAT-III Instrumentenanfluges erreicht wird nicht richtig. Bereits in einer zweiten Stufe, d.h. nach dem Endanflug nach Sicht, kann ein Endanflug auf das heute bestehende ILS CAT-III System realisiert werden. Ein späterer Wechsel zu einem  lückenlosen RNP-Approach wird dadurch nicht verhindert.


P-RNAV Freigaben Europa (Stand 2004)

Sweden AIC 14/2003 (21 Aug 2003)
Ireland AIC 38/03 (4 Sept 2003)
Norway AIC 17/03 (16 Sept 2003)
The Netherlands AIC 20/03 (18 Sept 2003)
Czech Republic AIC A11/03 (18 Sept 2003)
Spain AIC 12 (18 Sept 2003)
Estonia AIC A9/03 (1 Oct 2003)
Austria AIC A9/03 (2 Oct 2003)
United Kingdom AIC 92-2003 (16 Oct 2003)
Romania AIC A08/03 (20 Oct 2003)
Denmark AIC A-14-03 (30 Oct 2003)
Malta AIC A05/03 (30 Oct 2003)
Slovak Republic AIC A-9-2003 (5 Dec 2003)
Portugal AIC 41-2003 (25 Dec 2003)
Turkey AIC 05/03 (26 December 2003)
Slovenia AIC 01/04 (15 Jan 2004)
Belgium AIC 04/2004 (19 Feb 2004)
Croatia AIC 01/04 (February 2004)
Italy AIC A 3/2004 (4 March 2004)
Switzerland AIC A09/04 (Aug 2004)