Divergierende Interessen um den Flughafen Zürich (Leserbriefe in der NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am

NZZ, 2. August 2005 – Leserbriefe - Divergierende Interessen um den Flughafen Zürich

 

Mittlerweile wurde die Langfassung der Infras-Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens Zürich veröffentlicht (NZZ 24.6. 05). Dieser Detailbericht legt weniger Wert auf die breit publizierten Bruttoeffekte einer Plafonierung, als dass er primär auf eine Nettobetrachtung setzt. Die angeblichen Verluste des Plafonds bei 320 000 Bewegungen pro Jahr verschwinden hier fast völlig. Die Langfassung legt auch alle Annahmen offen: Bei den lärmbedingten Gesundheitskosten wird eine unterste Abschätzung verwendet, die deutlich zu tief liegen könnte, weil entsprechende Untersuchungen für den Flugverkehr fehlen. Die CO2-Imissionen des Flugverkehrs machen rund 10 Prozent der gesamtschweizerischen Emissionen ans und werden mit null Franken eingesetzt. In der EU wird zurzeit jedoch die Tonne CO2 mit über 40 Franken gehandelt. Ebenfalls interessant: Die Studie verfolgt einen produktionsseitigen Ansatz. Sie geht davon aus, dass jedes Jahr 2,5 Prozent mehr Geld fürs Fliegen ausgegeben werden, irgendwann wird somit das gesamte Einkommen nur fürs Fliegen verwendet. Was passiert mit diesem Geld, wenn es (wegen eines Plafonds) doch nicht fürs Fliegen und konsumieren im Ausland ausgegeben wird? Dieser alternative Konsum fliesst wiederum in die Wirtschaft, einfach nicht in die Flughafenwirtschaft. Oder umgekehrt: Werden tatsächlich 2,5 Prozent mehr fürs Fliegen ausgegeben, so nimmt der Konsum in anderen Sektoren ab und verursacht Stellenverluste. Die Prognose, dass ein ungehindertes Wachstum des Flughafens bis 2020 bis zu 50 000 Arbeitsplätze schafft, sagt nichts darüber aus, ob diese Stellen durch heutige Arbeitslose besetzt werden können. Die Regierung des Kantons Zürich hat viele Probleme zu lösen: Eines davon ist das Amortisieren eines überdimensionierten Flughafens. Hierzu scheint es legitim zu sein, die Umweltkosten zu vernachlässigen und die Bruttogewinne herauszustreichen. Bleibt zu hoffen, dass das Stimmvolk seine eigene Abwägung trifft.
Patrick Hofstetter (Zürich)


Keine Akzeptanz für«Akzeptanz» Unter dem Namen «Akzeptanz» präsentiert die Region Ost ein neues Betriebskonzept für den Flughafen, welches unter anderem neue, Abflugrouten fordert (NZZ 21.7.05). Beim Start nach Süden soll nicht wie bisher nach links, sondern auch geradeaus und nach rechts abgedreht werden, je nach Flugdestination. Der Lärmteppich würde damit massiv vergrössert. Dicht bewohnte Stadtquartiere Stadtquartiere würden neu tief überflogen und mit Startlärm belastet. Gleichzeitig fordert man, dass die Städte Winterthur und Frauenfeld möglichst hoch und grossräumig umflogen werden. Damit disqualifizieren sich die Verfasser selber. Mit Akzeptanz kann «Akzeptanz» kaum rechnen.
Yvonne Wewerka (Paffhausen)


Aufwachen wegen 1000 Passagieren Die enorm störenden Anflüge der Lang- und Mittelstreckenflugzeuge aus Süden zwischen 6 und 7 Uhr auf den Flughafen Zürich werden mit den Bedürfnissen der unbedingt notwendigen Umsteigepassagiere begründet. Gemäss den veröffentlichten Zahlen sind im Juni 2005 zirka 470 000 Personen in Zürich umgestiegen. Dies ergibt, da die Hälfte der Umsteiger von oder nach Destinationen in Europa reist, etwa 7800 Lang-und Mittelstrecken- Umsteigepassagiere pro Tag und somit nicht mehr als 3900 Passagiere, die über Zürich nach einer Lang- oder Mittelstreckendestination abfliegen, und gleich viele, die von einer solchen zurückkommen. In Zürich landen pro Tag etwa 30 Flüge von Lang- oder Mittelstreckendestinationen herkommend. Dies ergibt pro Flugzeug zirka 130 Umsteigepassagiere. Zwischen 6 und 7 Uhr landen in Zürich durchschnittlich 10 derartige Flugzeuge, was höchstens 1300 Umsteigepassagiere ergibt. Gut ein Fünftel der Umsteigepassagiere fliegt nach Genf weiter. Hier ergeben sich keine grossen Anschlussprobleme. Es verbleiben somit weniger als 1000 Passagiere pro Morgen, die angeblich zeitig ins Ausland weiterfliegen müssen. Es ist kaum zu fassen, dass für weniger als 1000 Umsteigepassagiere allmorgendlich über 100 000 Anwohner brutal geweckt werden müssen. Mit Verlaub, dies ist Verhältnisblödsinn. Eine rasche Verlegung der frühmorgendlichen Anflüge auf Zürich auf nach 7 Uhr drängt sich auf. Dadurch würde viel Wohlwollen geschaffen, und die müssigen Lärmdiskussionen würden in vernünftige Bahnen geleitet. Niemand käme zu grösserem Schaden, aber alle würden etwas von der Last der deutschen Einschränkungen tragen und folglich das Problem rasch solidarisch lösen.
Francis Hodgskin (Zumikon)


Zufälle? 5. Juli 2005: Die EU-Wettbewerbskommission erlaubt die Übernahme der Swiss durch die Lufthansa. 7. Juli 2005: Die Schweiz und Deutschland nehmen die Gespräche über den Luftverkehr wieder auf. Dies, obschon Deutschland seinerzeit angekündigt hatte, vorgängig der Gespräche das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Bezug auf das deutsche Anflugregime abwarten zu wollen. 8. Juli 2005: Das deutsche Bundesverwaltungsgericht publiziert die Begründung zur Aussetzung des Verfahrens vom 4. Mai 2005 (!) hinsichtlich der Klagen von Swiss und Unique in Bezug auf das deutsche Abflugregime. Etwas viel an Zufälligkeiten, wie mir dünkt. Aber wie heisst es doch so schön: Honni soit qui mal y pense.
Thomas Hitz (Rüti ZH)

NZZ, 2. August 2005 – Leserbriefe