Bürgerliche Kommissionsminderheit fordert als Gegenvorschlag den Fluglärm-Index der Regierung
Die kantonsrätliche Verkehrskommission empfiehlt als Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative, die Flugbewegungen bei 320\'000 statt 250\'000 jährlich zu begrenzen. Der Minderheitsantrag von SVP und FDP fordert den Fluglärm-Index und eine Abstimmung nach Erreichen von 320\'000.
ark. Seit dem vergangenen März hat die Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu) in 12 Sitzungen die Plafonierungsinitiative und einen allfälligen Gegenvorschlag beraten. Am Schluss fiel die Entscheidung im zentralen Punkt äusserst knapp aus. Mit 8 zu 7 Stimmen votierte die Kevu für einen Gegenvorschlag, der eine Plafonierung bei 320\'000 Bewegungen jährlich und eine Nachtruhe von 7 Stunden ohne Möglichkeit zum Verspätungsabbau festlegt. Das gegenwärtig gültige Betriebsreglement enthält eine Nachtruhe von 6 Stunden, wobei in der halben Stunden zwischen 0 Uhr und 0 Uhr 30 Verspätungen abgebaut werden dürfen.
Der Mehrheitsbeschluss kam aufgrund einer Koalition der Linken mit den Vertretern von EVP und CVP zustande, während die sieben Parlamentarier der SVP und FDP geschlossen für den ersten von zwei Minderheitsanträgen eintraten. Dieser will den Zürcher Fluglärm-Index (ZFI) mit einem obligatorischen Gesetzesreferendum kombinieren. Wörtlich heisst es im Antrag: «Der Staat wirkt darauf hin, dass bei Erreichen von 320\'000 Flugbewegungen eine Weiterentwicklung der Flughafenkapazität nicht ohne Zustimmung der Stimmberechtigten erfolgen kann.» Zum Minderheitsantrag 1 gehört ebenfalls eine Nachtflugsperre von 7 Stunden, allerdings darf diese auch eine halbe Stunde Verspätungsabbau enthalten. Dieser Minderheitsantrag entspricht dem Vorschlag, den der kantonale Gewerbeverband (KGV) vor einigen Wochen via Sonntagspresse in die Diskussion eingebracht hatte.
Ein zweiter Minderheitsantrag, der von Grünen und SP, nicht aber von EVP und CVP unterstützt wird, fordert ebenfalls eine Plafonierung bei 320\'000, allerdings kombiniert mit einer Nachtruhe von 8 Stunden (ohne Verspätungsabbau). Dieser Antrag entspricht der von 69 Gemeinden lancierten Behördeninitiative, die kürzlich eingereicht wurde, offiziell aber noch nicht in der Kommissionsbehandlung war. Interessant ist, dass der Antrag von einem bürgerlichen Vertreter aus dem Norden des Kantons in die Verhandlungen eingebracht wurde, dass er letztlich aber keine bürgerliche Unterstützung mehr erhielt. Offenbar haben FDP und SVP im Verlaufe der letzten Wochen - wohl nicht zuletzt unter Druck des KGV - beschlossen, die Reihen zu schliessen und jegliche Art von Plafonierung abzulehnen.
«Alle Kantonsräte am Sitz festbinden»
Schon jetzt kann man davon ausgehen, dass die Behandlung des Geschäfts im Plenum des Kantonsrats - sie findet voraussichtlich im Januar statt - zu einem sehr knappen Ergebnis führen wird. Eine Kantonsrätin sagte dazu lakonisch, man werde jedes Ratsmitglied am Sitz festbinden müssen. Die Volksinitiative «für eine realistische Flughafenpolitik» mit einer Plafonierung bei 250\'000 wird im Rat ebenso chancenlos bleiben wie in der Kommission. Sie kommt aber unabhängig vom Abstimmungsergebnis im Rat vors Volk, wenn die Initianten sie nicht zurückziehen. Dies beabsichtigen sie im Moment keineswegs, wie das Komitee gestern mitteilte.
Danach werden sich die beiden Minderheitsanträge gegenüberstehen, angesichts der Mehrheitsverhältnisse wird derjenige von SVP und FDP voraussichtlich obsiegen. Sehr knapp dürfte die anschliessende Gegenüberstellung von Gegenvorschlag und Minderheitsantrag 1 ausfallen. SVP und FDP verfügen gemeinsam über die Hälfte der 180 Mandate, während die Ratslinke zusammen mit CVP und EVP die restlichen 90 Sitze innehat. Falls der Rat vollständig anwesend sein wird und die grossen bürgerlichen Parteien eine homogene Meinung durchsetzen können, dürfte der linken Ratshälfte das Präsidium von SP-Kantonsrat Attenhofer zum Nachteil gereichen, er kann nur im Falle eines Stichentscheids Stellung nehmen.
Ökumenisch erzeugter Gegenvorschlag
Die Parteien reagierten am Mittwoch praktisch allesamt positiv auf das Communiqué der Kevu. Die Reaktionen folgten der Logik der jeweiligen eigenen Position. Fast bizarr mutete das Ansinnen mehrerer Parteien an, sich möglichst grosse Verdienste am Zustandekommen des Gegenvorschlags auf die eigene Fahne zu schreiben. Die SP schreibt in ihrer Mitteilung, der Gegenvorschlag sei dank ihrer konstruktiven Haltung zustande gekommen. In den Verhandlungen im Rat wollen sich die Sozialdemokraten für eine Nachtruhe von 8 Stunden und damit für den Minderheitsantrag 2 einsetzen, zur Not würde man aber auch mit 320\'000 und 7 Stunden vorliebnehmen.
Die CVP ist sehr erfreut darüber, dass die Kevu ihren im Frühjahr eingereichten Gegenvorschlag übernommen hat. Die Grünliberalen dagegen nehmen mit Erstaunen zur Kenntnis, dass der Gegenvorschlag von verschiedenen Parteien für sich reklamiert wird. In Tat und Wahrheit seien es grünliberale Politiker gewesen, welche diesen Vorschlag im Kantonsrat wegweisend eingebracht und mehrheitsfähig gemacht hätten. Damit spielen sie auf das Postulat des damals noch grünen Martin Bäumle an, das eine Plafonierung von 320\'000 gefordert hatte und im November 2002 mit knapper Mehrheit überwiesen worden war. Die EVP wiederum gesteht der CVP zwar die Mutterschaft für den Gegenvorschlag zu, beansprucht aber ihrerseits die Vaterschaft. Der damit quasi ökumenisch erzeugte Gegenvorschlag habe dank der EVP eine Nachtruhe von wirtschaftsfreundlichen 7 Stunden erhalten.
Die SVP bedauert in ihrer Stellungnahme, dass die Kommissionsmehrheit auf den ZFI verzichten will. Dieser sei ein gutes Instrument, um in der verfahrenen Situation den legitimen Interessen der Zürcher Bevölkerung Rechnung zu tragen. Eine Plafonierung hält die Partei aus ordnungspolitischen Gründen für verfehlt. Jegliche Plafonierung lehnt auch die Flughafen Zürich AG ab, das Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung lasse sich nicht mit einer Volksabstimmung beseitigen, sagte Sprecherin Sonja Zöchling. Die FDP und das Komitee Pro Flughafen wiederum nehmen mit Zufriedenheit zur Kenntnis, dass die Kevu beide Plafonierungsinitiativen (Volksinitiative und Behördeninitiative) ablehnt. Die Behördeninitianten sind ebenso erfreut wie die Bürgerinitiativen: Der Kevu-Gegenvorschlag berücksichtige zu einem grossen Teil die Forderungen der Behördeninitiative und begrenze das Wachstum des Flughafens.