Die Nachtruhe-Initiative auf dem nächsten Prüfstand

Publiziert von VFSN-info am

Eine Kommission des Kantonsrats Zürich hörte sich am Dienstag die Argumente zur Nachtruhe-Initiative an. Der Streit um die ruhigen Stunden geht weiter.

In Kürze:

  • Die Flughafen-Nachtruhe-Initiative fordert eine strikte siebenstündige Nachtruhe ohne regelmässige Verspätungsabbauphase.
  • Laut dem Verein Fluglärmsolidarität nutzen täglich etwa 15 Flüge die Verspätungstoleranz nach 23 Uhr.
  • Nur aussergewöhnliche Ereignisse wie Luftraumsperrungen sollen künftig Ausnahmen vom Nachtflugverbot ermöglichen.
  • Der Zürcher Regierungsrat müsste beim Lärmschutz stärker eingreifen, finden die Initianten.

 

Am Dienstag ging es in der Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu) um Lärm. Die Verantwortlichen hinter der Flughafen-Nachtruhe-Initiative wurden angehört. Deren Ziel ist eine Gesetzgebung, die eine Nachtruhe von sieben Stunden ermöglicht. Jetzt geht es weiter im politischen Prozess, an dessen Ende eine Volksabstimmung stehen wird.

Die Ausgangslage ist dabei vertrackt. Vorgesehen wäre die siebenstündige Nachtruhe auch jetzt schon, aber eben nicht in einer absolut zwingenden Form: Die Flughafen Zürich AG legt ihre Slots laut Flugplan so, dass um 23 Uhr alle Flugzeuge weg oder hier sein müssten. Wenn alles nach Plan und damit verspätungsfrei läuft. Und laut dem kantonalen Flughafengesetz soll der Kanton darauf hinwirken, dass diese Nachtruhe von sieben Stunden eingehalten wird.

Im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) steht aber auch, dass die Möglichkeit eines Verspätungsabbaus bis 23.30 Uhr besteht. Dagegen steht nicht, wie und wie vehement sich der Kanton einzusetzen habe. Und auch nicht, wie viele Flugbewegungen während der halben Stunde zum Verspätungsabbau stattfinden dürfen.

Der Bund sagt, wo es durchgeht

Der SIL ist dem Flughafengesetz aber rechtlich übergeordnet, die Betriebszeiten sind damit Sache des Bundes. In diesem Gewirr von Vorgaben und Gesetzen wird seit Jahrzehnten gestritten um die Nachtruhe.

Die Flughafen Zürich AG kämpft gegen die durch die Initiative geforderte, fast absolute siebenstündige Nachtruhe. Und argumentiert, ohne die halbe Stunde zum Verspätungsabbau wäre die Drehkreuzfunktion des Flughafens in Gefahr. Die Drehkreuzfunktion wiederum gehört zum Auftrag des Bundes an die Flughafen Zürich AG. Und diese argumentiert weiter, man operiere bereits heute mit den kürzesten Betriebszeiten aller vergleichbaren Flughäfen in Europa.

Die Initianten der Nachtruhe-Initiative wollen eine klarere gesetzliche Handhabe. Oder wie sie es nennen: die Löcher im Gesetz stopfen und damit die Einhaltung der ihrer Meinung nach geltenden Gesetze garantieren.

«Null Chance, den Flugplan bis 23 Uhr umzusetzen»

«Die Regelung zum Verspätungsabbau sollte nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen», legt Rolf Hunkeler seinen Standpunkt dar. Er vertritt den Verein Fluglärmsolidarität, der die Initiative mitunterstützt. Es seien aber immer die gleichen Flüge, welche den Verspätungsabbau beanspruchen. Man gehe davon aus, dass mit dem Sommerflugplan täglich 15 Flugbewegungen nach 23 Uhr stattfinden werden.

Am Sonntag trat der Sommerflugplan in Kraft, da waren es 14. «Es gibt null Chance, all diese Flüge mit der jetzigen Planung vorher abzuwickeln und den Flugplan bis 23 Uhr umzusetzen», lautet Hunkelers Fazit. Mit Daten lasse sich das belegen. Die Anzahl Tage, an denen 2024 nicht nach 23 Uhr geflogen wurde, beläuft sich auf rund zwei Dutzend.

Initiative erlaubt auch noch Ausnahmen, aber nur wenige

Ausnahmen wären gemäss Initiative dann möglich, wenn es zu nicht rechtzeitig angekündigten Sperrungen im Luftraum und deshalb zu Verspätungen im Flugverkehr käme. Auch terroristische oder verbrecherische Akte an Luftfahrzeugen oder der Luftfahrtinfrastruktur in Zürich würden Ausnahmen zulassen, ebenso wie Behinderungen des Flugverkehrs unter gewissen Umständen oder in Notfällen. «Nicht zulässig ist eine Ausnahme vom Nachtflugverbot wegen einer Verspätung aufgrund kurzfristig auftretender technischer Störungen an Luftfahrzeugen und eines dazu nötigen Luftfahrzeugwechsels», heisst es dagegen klar.

Allerdings: Können die Initianten der Flughafenbetreiberin nachweisen, dass sie die halbe Stunde zum Verspätungsabbau fest als Betriebszeit einplant? Ja, sagt Hunkeler: «Die Fluglärmsolidarität führt eine Statistik der Nachtflüge, die es monatlich belegt.» Er dreht die Beweisführung um: «Wenn man sieht, dass man jahrelang mit den geplanten Slots nicht durchkommt, wären Korrekturmassnahmen angezeigt. Ausserdem führt der Flughafen jährlich ein Lärmprotokoll.» Darin werde ausgewiesen, dass nachts die Lärmschutzverordnung chronisch verletzt werde. «Massnahmen wären Pflicht. Wir nennen das Vorgehen des Flughafens eventualvorsätzlich.»

Was der Flughafen gegen die Verspätung macht

Die Verantwortlichen am Flughafen führen als Massnahmen gegen die Verspätungen zum Beispiel die Pistenverlängerungen an. Auch die eben erhöhten Lärmgebühren während der sensiblen Nachtstunden gehören dazu. Sie sollen zu einer Verbesserung der Situation führen. Seitens Flughafen Zürich AG wird betont, dass Verspätungen auch nicht in ihrem Sinn sind.

Unabhängig davon soll durch die Initiative die Zahl der Flugbewegungen nach 23 Uhr auf etwa 10 Prozent reduziert werden.

Und der Kanton, der sich für weniger Flüge nach 23 Uhr einsetzen sollte? Was die Politik angeht, sieht Hunkeler vor allem Untätigkeit. «Das bestehende Flughafengesetz beschreibt die Aufgabe der Regierung sehr genau.» Der Regierungsrat des Kantons Zürich muss seine Zustimmung geben, ehe Anträge mit Auswirkungen auf den Lärm nach Bern gehen zum Lärmschutz. «Der Regierungsrat mit Sitz im Verwaltungsrat könnte also sehr wohl eingreifen, wenn er wollte.» Das tue er aber kaum.

Hunkeler nennt die gesundheitsschädigende Wirkung des Lärms und den Schutz der Bevölkerung als politische Priorität. Er selber wohnt in einer Zürichseegemeinde, denkt aber auch an die anderen Regionen. «Wir müssen aufhören, uns gegenseitig zu bekämpfen», findet er.

Wut über Einschätzung, Initiative sei ungültig

Nun geht es weiter für die Initiative. Erst einmal ist die Einschätzung der Kevu abzuwarten. Der Regierungsrat hat bereits mitgeteilt, die Initiative werde zwar für gültig erklärt, sei in Teilen aber gar nicht umsetzbar. Die Flughafen Zürich AG verweist zudem auf ein Rechtsgutachten, das die Initiative für ungültig erklärt hat, weil es gegen geltendes Recht verstosse. Das wiederum hat bei den Initianten für Empörung und Wut gesorgt. Und für einen weiteren Punkt im Streit um den Lärm.

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