Aus: Zolliker Zumiker Bote ‒ 15. November 2024 Text: Joachim Lienert
Dieser Jahrestag wurde nicht gefeiert. Er wurde begangen – und das bereits zum 21. Mal. 2003 wurden die Südanflüge auf den Flughafen Kloten eingeführt. Der Jahrestag des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN) zeigte, dass neue Entwicklungen für die Bevölkerung brisant wären.
Gegen 50 Mitglieder trafen sich am Mittwoch letzter Woche zum traditionellen Jahrestag, heuer im Schützenhaus Breitwies in Zumikon. 50 Personen, die sich gegen Fluglärm im Süden wehren, ist das nicht wenig? Wie in vielen Vereinen schwinden die Mitglieder auch im VFSN. Doch der Bestand bleibt respektabel. Geschäftsführer Edi Rosenstein erklärt: «Zu unseren besten Tagen hatten wir 6000 Mitglieder, heute sind es 4000.» Als Gründe nennt er den Wegzug, das Altern und Sterben der «Schneiser», die sich im VFSN organisiert haben. Die Jungen hingegen interessiere das Thema Fluglärm oft noch nicht. Vielleicht haben sie heute auch eine andere Lärmtoleranz.
Alle sind zufrieden – ausser die Südschneiser
Fragt man ihn, was der Verein erreicht habe, sagt er: «Ohne uns wäre es viel schlimmer. Hätten wir nichts gemacht, hätten wir heute rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche Fluglärm. Wir sind Nadelstiche für den Flughafen, das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) und die Politik.»
Doch ist es nicht still geworden um den Fluglärm? Früher hörte man von Aktionen aus allen Himmelsrichtungen. Präsident Urban Scherrer nennt einen simplen Grund
für die vermeintliche Ruhe: «Heute sind alle ausser dem Süden glücklich mit der Situation, wie sie ist.
In Deutschland, im Osten, im Norden sowieso. Nur wir im Süden möchten etwas ändern.» So seien die anderen Bürgerorganisationen viel stärker geschrumpft; für sie habe sich die Situation ja verbessert.
Aktuell widmet sich der Verein vor allem zwei Themen, die eher im Hintergrund ablaufen. Dabei betreffen sie die ganze Bevölkerung in der Südschneise, von Wallisellen über Gockhausen, die Forch, Zollikon und Zumikon bis nach Stäfa. Zum einen ist da die kantonale Nachtruhe-Initiative. Diese fordert sieben Stunden Nachtruhe, von 23 Uhr bis morgens um 6 Uhr. Die Initiative wurde im April mit über 6000 gültigen Unterschriften eingereicht. Demnächst erwartet man die obligatorische Stellungnahme des Regierungsrats.
Carte blanche für den Flughafen?
Thema Nummer zwei ist eine Art Carte blanche für den Flughafen, wie der VFSN es nennt. Sein Name: «Redesign Luftraum Zürich». Kurz gesagt, teilt das BAZL den Luftraum in neue Korridore ein. Die Öffentlichkeit wurde nicht eingeladen, Stellung zu beziehen. Das Vorhaben soll festlegen, zu welchen Zeiten der Flughafen die Korridore benutzen darf, womit sie für die Privatfliegerei gesperrt sind. Anders ausgedrückt: Wann dürfen schwere Maschinen im Süden anfliegen? Oder gar abfliegen?
Christopher Tillman, Rechtsanwalt des VFSN, und Urban Scherrer beugten sich über die Unterlagen – und verstanden nicht Flughafen, sondern Bahnhof. Nichts wurde klar, wann denn nun wo geflogen werden darf. Der VFSN reichte seine Stellungnahme ein und verlangte, dass das BAZL öffentlich über seine konkreten Pläne im Raum Zürich informiert. Denn die neue Luftraum-Organisation, die schon im März 2025 eingeführt werden soll, findet Urban Scherrer brisant: «Es sieht danach aus, dass sie sich perfekt für den Südstart geradeaus eignet.» Dann dürfte im Süden die Zahl der An- und Abflüge massiv zunehmen. Gut möglich, dass es dann auch die Jungen wieder interessiert. «Wir müssen unglaublich wachsam bleiben.» Zudem stellt er fest: «Wir hatten uns bei der Gründung des VFSN auf einen Sprint eingestellt. Jetzt ist daraus ein Marathon geworden.» Ein Marathon, dessen Ziel auch nach 21 Jahren nicht in Sichtweite ist. Wer muss die Suppe auslöffeln? Hoffentlich nicht der Süden, sind sich alle Anwesenden bei angeregten Diskussionen einig – und geniessen die frische Kürbissuppe. Das Einzige, was man bei dieser optimieren könnte, schmunzelt der Präsident, sei ihre Farbe: «Sie entspricht nicht ganz unserem VFSN-Gelb.»