Der Flughafen-Chef Stephan Widrig knüpft Pistenverlängerungen nicht ausschliesslich an den Staatsvertrag – auch sonst brächten Ausbauten Vorteile. Die Erhaltung der Piste in Dübendorf sei sinnvoll.
Andreas Schürer
An seinem ersten grösseren öffentlichen Auftritt konnte der neue CEO der Flughafen Zürich AG, Stephan Widrig, am Dienstag einen Gewinn von 205,9 Millionen Franken für das Jahr 2014 bekanntgeben. Mit 25,5 Millionen Passagieren erzielte der Flughafen zudem einen Passagierrekord. Im Vergleich mit europäischen Flughäfen verlor Zürich allerdings Marktanteile. So hat das Drehkreuz Kopenhagen Zürich im vergangenen Jahr überholt, auch Brüssel, Rom, Madrid, Amsterdam oder Frankfurt verzeichneten 2014 ein stärkeres Passagierwachstum. Widrig warnte davor, dass die Schweiz im Wettbewerb der Drehkreuze an Standortattraktivität verliere, sollte diese Tendenz weiterhin anhalten.
In Bezug auf umstrittene politische Themen hat Widrig die Sprachregelung im Vergleich zu seinem Ende 2014 zurückgetretenen Vorgänger Thomas Kern leicht angepasst. Gleich bleibt die grundsätzliche Zurückhaltung: Im Bewusstsein, dass Fluglärm ein emotionales Thema ist, vermeidet er es, sich allzu stark zu exponieren. Um Nuancen forscher äussert sich Widrig aber zu Pistenverlängerungen. Kern koppelte diese ausdrücklich an die Umsetzung des blockierten Staatsvertrags mit Deutschland. Widrig formuliert es nun so: Werde der Staatsvertrag umgesetzt, seien Pistenausbauten zwingend – aber auch ohne das bilaterale Abkommen brächten Verlängerungen Vorteile, weil sie einen robusteren Betrieb ermöglichten. Ob dieses Argument politisch Aufnahme finde, sei aber offen.
Klar scheint dagegen, dass der Staatsvertrag mit Deutschland nicht umgesetzt wird. Widrig nahm keine Stellung dazu und verwies darauf, dass das Thema bei den Verkehrsministerien in Berlin und Bern pendent sei. Diese streiten sich derweil darüber, wer am Zug ist: Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt verlangt von der Schweiz verbindliche Aussagen zu strittigen Punkten wie der Anzahl der maximal möglichen Anflüge über Südbaden pro Jahr, wie er kürzlich in Waldshut sagte (NZZ 7. 3. 15 ). Bern kontert, die Präzisierungen seien längst erfolgt, Berlin müsse den Ratifizierungsprozess einleiten, den die Schweiz bereits abgeschlossen hat. Offensichtlich ist, dass sowohl Bern als auch Berlin gut mit dem Status quo leben können und an einer Dynamisierung des Prozesses nicht sonderlich interessiert sind.
Problematisch aus Schweizer Sicht ist, dass wegen der bilateralen Neutralisierung auch Massnahmen blockiert sind, die aus Sicherheits- und Kapazitätsgründen dringlich erscheinen. Weil man die Umsetzung des Staatsvertrags abwarten will, wurden Themen wie Pistenverlängerungen oder Südstarts geradeaus in den Spitzenzeiten in die zweite Etappe des zu erneuernden Sachplans verlegt. Ob dieser sogenannte SIL 2 nun ungeachtet des Schicksals des Staatsvertrags priorisiert und noch dieses Jahr angegangen werden muss, wollte Widrig nicht explizit sagen. Er meinte auf Rückfrage bloss, der Bund sei im SIL-Verfahren gefordert, die langfristige Entwicklung des Flughafens zu ermöglichen.
Schon heute kämpft der Flughafen Zürich aber mit Engpässen. In den Spitzenzeiten am Morgen und Mittag seien die Kapazitätsprobleme sehr gross, sagte Widrig; tatsächlich kommt es vor allem am Mittag regelmässig zu Verspätungen. Mittelfristig brauche es «übergeordnete Massnahmen», sagte Widrig, ohne diese zu spezifizieren. Unvermeidbar sei, dass in den nächsten Jahren die Geschäfts- und Kleinfliegerei aus dem Flughafen Zürich verdrängt werde. Weil vor allem die Business Aviation volkswirtschaftlich bedeutsam sei und im Raum Zürich keine Alternativen habe, sei die Erhaltung der Piste auf dem Flugplatz Dübendorf sinnvoll, sagte Widrig.
Komplexität reduzieren soll mittelfristig auch die im Betriebsreglement 2014 beantragte Entflechtung des Ostkonzepts. Auch dieses stösst in Südbaden auf breiten Widerstand. Der Flughafen-CEO betonte, dass die Neuerungen in Südbaden keine zusätzliche Lärmbelastung zur Folge hätten. Er setze darauf, dass die fachliche Überprüfung durch deutsche Experten dies bestätige und dass dann die Massnahme, die der Flugsicherung zugutekomme, nicht verpolitisiert werde.