Die Plafonierung der Flugbewegungen am Flughafen Zürich erscheint aus heutiger Sicht mehrheitsfähig. Strittig ist, wie plafoniert werden soll.
Den Diskussionen um die Begrenzung der Zahl der Flugbewegungen am Flughafen Zürich ist ein Zug ins Uferlose eigen: Seit gestern liegt ein weiterer Vorschlag auf dem Tisch, der am 5. Februar, wenn das Kantonsparlament die Beratungen über die Volksinitiative «Für eine realistische Flughafenpolitik» aufnimmt, zu reden geben dürfte. Der Vorschlag zur Lärmbegrenzung wurde gestern an einer Medienkonferenz von Nationalrat Martin Bäumle, Ko-Präsident der Zürcher Grünliberalen, präsentiert. Flankiert wurde Bäumle von Peter Staub, dem Präsidenten des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen, sowie von Thomas Morf, dem Vorsitzenden des Vereins Flugschneise Süd - Nein. Am Anlass wurde zudem ein Schreiben von Fritz Kauf, Ko-Präsident des Bürgerprotests Fluglärm Ost, verlesen, in dem sich dieser - wie zuvor auch Staub und Morf - ausdrücklich hinter Bäumles Vorschlag stellte.Beim gestern den Medien vorgestellten Vorschlag der Grünliberalen handelt es sich im Grunde genommen um eine Untervariante des Anfang Dezember präsentierten Beschlusses der kantonsrätlichen Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu), die sich mit 8 gegen 7 Stimmen dazu durchgerungen hatte, der Volksinitiative «Für eine realistische Flughafenpolitik» einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Während in der Volksinitiative ein Plafond von 250\'000 Bewegungen sowie eine strikte Nachtflugsperre von 9 Stunden gefordert werden, soll laut Kevu ein Plafond von 320\'000 Flugbewegungen sowie eine Nachtflugsperre von 7 Stunden gelten.
Besserer Rechtsstatus
Wie Bäumle ausführte, sollen diese Eckdaten so im Flughafengesetz verankert werden, dass sie auch für die vom Kanton Zürich in den Verwaltungsrat der Flughafen Zürich AG (Unique) abgeordneten Vertreter absolut verbindlich sind. Diese Vertreter - unter Einschluss von Regierungsrätin Rita Fuhrer sind es deren drei - verfügen im Unique-Verwaltungsrat schon heute über eine Sperrminorität in Bezug auf Änderungen am Pistensystem. Ohne deren ausdrückliche Zustimmmung ist Unique nicht befugt, beim Bund Änderungen am heutigen Pistensystem zu beantragen. Nach dem Wunsch der Grünliberalen und der Bürgerbewegungen soll eine entsprechende Klausel im Flughafengesetz nun auch bezüglich der Zahl der Flugbewegungen beziehungsweise der Nachtflugsperre eingeführt werden. Diese erhielten dadurch einen «höheren rechtlichen Status», wie Rechtsberater Peter Ettler an der Orientierung betonte.
Entsprechend ausgebaut werden soll auch das dem Regierungsrat zustehende Weisungsrecht an die vom Kanton delegierten Unique-Verwaltungsratsvertreter. Neu jedoch sollen die regierungsrätlichen Weisungen auch noch vom Parlament in Form eines referendumsfähigen Beschlusses abgesegnet werden müssen. Künftige Begehren von Unique um die Lockerung des Bewegungsplafonds oder der Nachtflugsperre könnten somit dem Volk vorgelegt werden.
Bäumles Vorschlag, der nach seiner Einschätzung zumindest bei Linken und Grünen sowie einzelnen Vertretern von FDP, CVP und EVP im Kantonsrat auf Anklang stossen wird, behebt einen Schwachpunkt in einem weiteren Minderheitsantrag, der am 5. Februar von bürgerlichen Ratsvertretern eingebracht werden dürfte. Diese verlangen nämlich, dass bei Erreichen von 320\'000 Flugbewegungen eine Weiterentwicklung der Flughafenkapazität «nicht ohne Zustimmung der Stimmberechtigten erfolgen kann».
Rechtlich problematisch
Dieser bürgerliche Vorschlag, der letztlich auf die Einführung des obligatorischen Referendums in einer politisch besonders strittigen Sonderfrage hinausläuft, ist rechtlich insofern problematisch, als im Kanton Zürich Gesetzesänderungen nicht automatisch, sondern nur via Referendum dem Volk unterbreitet werden können. Bäumle sagte gestern, dass diese jüngste Diskussionsvariante in Sachen Lärmplafonierung der Kevu schon während deren Beratungen zur Kenntnis gebracht worden sei. Warum die Kevu darauf nicht eingetreten ist, wusste Bäumle auch nicht.
Was immer der Zürcher Kantonsrat in Sachen Plafonierung und Nachtflugsperre beschliessen wird: Luftfahrtpolitik wird letztlich in «Bern» gemacht. Das neue Betriebsreglement, das sich derzeit im Rahmen des sogenannten SIL-Prozesses in Ausarbeitung befindet, wird vom Bundesrat festgesetzt werden. Dieser hat sich wiederholt skeptisch gezeigt gegenüber allen Formen von Flugbewegungsplafonierungen.