Gegen mehr Flugbewegungen (TA)

Publiziert von VFSNinfo am

Würde heute abgestimmt, würde die Plafonierungsinitiative abgelehnt, der Gegenvorschlag angenommen. Einen Stopp in Kloten will man aber so oder so.

Von Hans-Peter Bieri

Eine repräsentative Momentaufnahme des Meinungsforschungsinstituts Isopublic zum Flughafen gibt über die heutige Stimmungslage der Zürcher Bevölkerung sehr genau Auskunft. Auch darüber, wie widersprüchlich sie zum Teil noch ist. Die fünf wichtigsten Ergebnisse:

  • Wenn die Stimmberechtigten heute entscheiden müssten, würden 36 Prozent die Plafonierungsinitiative annehmen, 48 Prozent sie ablehnen. 16 Prozent wissen es noch nicht. Dabei gehen die Meinungen je nach Parteipräferenz weit auseinander: Grüne-Sympathisanten würden sie annehmen, FDP-Sympathisanten wuchtig verwerfen. Die Initiative verlangt eine Beschränkung der Flugbewegungen in Kloten auf jährlich 250 000 und eine Nachtruhe von mindestens neun Stunden.
     
  • Der Gegenvorschlag der Regierung, der nicht die Bewegungen, sondern den Lärm plafonieren will, würde von 61 Prozent angenommen, von 30 Prozent abgelehnt; hier wären 9 Prozent noch unentschlossen. Die Zustimmung zum Gegenvorschlag ist erstaunlich homogen.
     
  • Trotz Nein zur Initiative: Der Wunsch nach einem Stopp ist gross. 60 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, dass die Zahl der Flugbewegungen so bleiben soll, wie sie heute ist (265\'000 Bewegungen waren es 2005). Nur 30 Prozent sind für weiteres Wachstum, aber auch nur 8 Prozent für eine Einschränkung.
     
  • Der Wunsch nach einer Plafonierung durch Initiative oder Gegenvorschlag besteht, obschon sich vom Fluglärm nur 10 Prozent der Befragten gestört oder sehr gestört fühlen. 66 Prozent stört der Lärm nicht, 24 Prozent nur ein bisschen.
     
  • 68 Prozent wollen, dass der Lärm gleichmässig verteilt wird, während nur 30 Prozent für eine Kanalisierung sind.

Grosszügig, bis es konkret wird
Die Meinungen sind allerdings noch nicht gefestigt, wie Isopublic-Geschäftsführer Matthias Kappeler betont, und dies nicht nur, weil die Abstimmung noch weit in der Ferne liegt. Beispiel Ausrichtung des Flughafens. Isopublic fragte zweimal danach, einmal generell nach Verteilung oder Kanalisierung, einmal, in welche Himmelsrichtung der Flugverkehr ausgerichtet werden solle. Bei der zweiten Frage verweigerten die Befragten einfach die Entscheidung: Am ehesten wollten sie noch den Norden belasten (18%), Osten (2%), Süden und Westen (je 4%) am liebsten gar nicht. Dagegen flüchteten sich 39 Prozent wieder in die gleichmässige Verteilung, und 21 Prozent hatten keine Antwort. «Die Grosszügigkeit wird sich ändern, sobald klar ist, wie konkret geflogen werden soll», sagt Kappeler.

Zudem sind die Befragten nicht so gut informiert, wie sie glauben. 67 Prozent schätzen ihren Informationsstand als «sehr» oder «eher gut» ein, doch «Eigenbild und effektive Situation klaffen auseinander», sagt Kappeler. Das gilt vor allem für die Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen einer Plafonierung. Zwar ist die Wichtigkeit des Flughafens für die Schweizer Wirtschaft unbestritten: 69 Prozent halten ihn für «sehr wichtig», weitere 27 Prozent für «eher wichtig». Dann aber werden die Antworten diffus.

Wirtschaftliche Folgen unterschätzt
Der Behauptung, eine Beschränkung der Flugbewegungen auf 250 000 schade der Schweizer Wirtschaft, stimmen 52 Prozent der Befragten zu, zugleich äussern aber auch 55 Prozent die Ansicht, mit 250\'000 Bewegungen könnten die Bedürfnisse der Schweizer Wirtschaft problemlos befriedigt werden. Gleichzeitig verlangt jeder Zweite minimal neun Stunden Nachtruhe, und 55 Prozent sehen darin keinen Schaden für die Wirtschaft. Die Plafonierungsinitiative hat offensichtlich noch Entwicklungspotenzial.

Auch die eigene Abhängigkeit vom Flughafen wird eher unterschätzt. 50 Prozent der Befragten vermuten, dass tausend bis zehntausend Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Flughafen abhängen, weitere 34 Prozent schätzen die Zahl auf elftausend bis fünfzigtausend. Tatsächlich waren es 120\'000, 2004 nach dem Einbruch des Flugverkehrs und dem Swissair-Grounding noch knapp 100\'000. Kappeler will die Frage allerdings nicht überbewerten. «Zehntausend wie fünfzigtausend sind enorm grosse Zahlen. Die Interviewten wurden mit der Frage eher überfordert.»

Enorm gross oder nicht: Ein Rückschluss auf die eigene Situation wird kaum gezogen. Nur 12 Prozent der Befragten glauben, dass ihr eigener Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Flughafen abhängig ist. 71 Prozent sehen überhaupt keine Abhängigkeit. Kommentar Gewerbeverband: «Der Schluss liegt nahe, dass sich die Befragten nicht als Teil der Wirtschaft verstehen, für die sie im Falle einer Luftverkehrsbeschränkung Schaden erwarten.»

Immerhin: Illusionen über ihre Möglichkeiten machen sich die Befragten nicht. Die Winterthurer, die wie die Zürcher separat ausgewiesen werden, zeigen sich dabei noch ein Stück pessimistischer als der Rest, während die Zürcher eher zu etwas mehr Optimismus tendieren. Der Behauptung, der Flughafen könne das Wachstum des Luftverkehrs nicht steuern, stimmen insgesamt 46 Prozent der Befragten zu. In Winterthur teilen diese pessimistische Sicht 56 Prozent, in Zürich nur 39 Prozent. Der Plafonierungsinitiative würden die Winterthurer zu 41 Prozent zustimmen, dem Gegenvorschlag zu 67 Prozent. Dennoch glauben nur 26 Prozent der Winterthurer Befragten, dass die Bevölkerung mit dem Ja zur Initiative etwas erreichen könnte. Gesamtkantonal sind es 37 Prozent, in Zürich 33 Prozent.

Kappeler erklärt sich die Haltung Winterthurs mit einer gewissen Resigniertheit. Im Süden fühle man sich relativ stark und glaube, dass es wieder besser komme, im Osten überwiege die Angst, dass es eher noch schlechter komme, aber sicher nicht besser werde. Trotzdem, Angst oder Hoffnung oder keines von beiden: 90 Prozent der Befragten wollen an einer Abstimmung «sicher» oder «wahrscheinlich» teilnehmen.

Die Umfrage
Die Umfrage wurde vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Isopublic vom 19. Mai bis 8. Juni mit telefonischen Interviews durchgeführt. Insgesamt wurden 1001 kantonale Stimmberechtigte befragt, die Umfrage ist also repräsentativ. Auftraggeber war der kantonale Gewerbeverband, der dafür rund 20 000 Franken aufwendete. Grund war nach Geschäftsführer Martin Arnold, dass die Stimmungslage in der Bevölkerung gegenwärtig schwer abschätzbar sei. «Die Situation am Flughafen kann uns nicht gleichgültig sein. Für die lokalen Gewerbebetriebe ist der Flughafen von entscheidender Bedeutung. Grossfirmen sind wichtige

TA, 28.07.06



siehe auch:
Medienmitteilung zur Umfrage von Isopublique (VFSN)