Fertig luftig (Weltwoche)

Publiziert von VFSNinfo am

Von Alex Baur und Lukas Hässig

Der Chefbeamte Raymond Cron will seinen früheren Arbeitgeber aus hehren Gründen hintergangen haben. Neue Fakten zeigen: Selbst, nicht selbstlos ist der Mann.

Raymond Cron, 46, Berner Chefbeamter und oberster Aufseher über die Schweizer Luftfahrt, stellt sich als eine Art Robin Hood dar: Den einen nahm er weg, was er den anderen gab – alles ganz selbstlos. 180000 Franken schleuste er vorbei an seiner früheren Arbeitgeberin, der Basler Baufirma Batigroup, um fleissigen Mitarbeitern «Sonderprämien» zahlen zu können. «Kompetenzüberschreitungen» nannte Cron das vor zwei Wochen in seinem öffentlichen mea culpa. Die edle Selbstdarstellung hat einen Schönheitsfehler: Sie stimmt nicht.

Recherchen der Weltwoche zeigen, dass die Affäre um den Berner Chefbeamten viel tiefer reicht, als dieser bisher zugegeben hat. Laut Akten der ermittelnden Staatsanwaltschaft Basel beglückte Raymond Cron nämlich nicht vorab Angestellte, die reichlich Überstunden leisteten, sondern den Mann, der ihm eine schwarze Kasse aufbaute. So liess der Chef des Bundesamtes für Zivilluftfahrt seinem langjährigen Controller 26000 Franken zukommen, und zwar in zwei Tranchen zu einmal 16000 Franken und einmal 10000 Franken.

Bei diesen Zahlungen handelt es sich nicht, wie von Cron behauptet, um «Sonderprämien im Interesse des Unternehmens», sondern um eine Belohnung für illegale Dienste: Der Controller äufnete für Cron eine geheime Kasse und zeigte ihm, wie er weitere Gelder unkontrolliert an der Buchhaltung vorbeischleusen konnte. So verkaufte er zum Beispiel eine bereits auf null Franken abgeschriebene Baumaschine – ohne den Ertrag zu verbuchen. Damit stand dieses Geld für Crons Zwecke zur Verfügung. Die Dienste seines Controllers waren dem Chefbeamten viel mehr wert als der Spezialeffort der vier Mitarbeiter an der Baufront, mit denen er seine «Kompetenzüberschreitungen» entschuldigte. Diesen zahlte er nämlich 16000, 8000, 5000 und 4000 Franken.

Es wird eng

Die 26000 Franken, die der Bazl-Chef seinem Finanzmann zusteckte, verschlimmern Crons Lage. Er kann sich jetzt nicht mehr damit herausreden, etwas hemdsärmelig, wohl gesetzwidrig, aber stets uneigennützig zum Wohle der Firma gehandelt zu haben.

Auch die beiden Beschuldigten scheinen zu merken, dass es eng für sie wird: Was bis vor kurzem noch als gut eingespieltes Team funktionierte, geht nun auf Distanz. Der frühere Controller nämlich belastete Cron in den Einvernahmen bei der Basler Staatsanwaltschaft schwer. Er stellt sich heute als Opfer dar, das von Cron zum Delinquieren angestiftet worden sei. Crons Anwalt dagegen betont, sein Mandant stehe zu seiner aktiven Täterrolle – «im Unterschied zu anderen Beschuldigten».

Es fällt tatsächlich auf, dass der Controller die ersten Delikte unter der Führung seines damaligen Vorgesetzten beging. Später dann, nachdem Cron ins Bazl gewechselt hatte, zweigte er mehrere hundertausend Franken in die eigene Tasche ab. Dies brachte schliesslich den Fall ins Rollen.

Der Controller hatte seit über fünfzehn Jahren für die Batigroup respektive deren Vorgängerfirmen gearbeitet. Er war bekannt dafür, dass er das Buchhaltungsprogramm wie kein Zweiter beherrschte. Mit Cron bildete er ab 1999 ein enges Gespann. Damals wurde Cron zum Chef der Geschäftssparte Tiefbau ernannt. Als er drei Jahre später die Leitung des Problembereichs Generalunternehmung übernahm, zog er seinen Controller nach. Nach Crons Weggang aus der Firma im Frühling 2004 liess sich der Controller in die Konzernzentrale versetzen.

Crons Finanzspezialist flog schliesslich auf, als er seine Veruntreuungen immer weiter trieb. Zuletzt fälschte er einen Brief der Migros-Bank, in dem diese von der Batigroup eine Vorabzahlung für einen Baukredit forderte. Das fiel einem Buchhalter der Batigroup auf, der den Controller in dessen Ferienabwesenheit vertrat. Eigenartig war erstens, dass die Batigroup etwas bezahlen sollte: Bei einer Kreditvergabe fliesst das Geld in umgekehrter Richtung. Zweitens war verdächtig, dass nur eine Person den Brief unterschrieben hatte. Es zeigte sich, dass der Controller die Unterschrift seines Bruders gefälscht hatte, der bei der Migros-Bank als Direktor arbeitete.

Das Geld sollte auf einem Konto landen, auf das nur der Controller Zugriff hatte. Nach seiner Rückkehr aus den Ferien wurde er Mitte Oktober am Arbeitsplatz verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Dort verpfiff er seinen früheren Vorgesetzten Cron, worauf ein zweites Strafverfahren, diesmal gegen den Bazl-Chef, eröffnet wurde.

Der Controller ist nicht der Einzige, der Crons beschönigende Darstellung ins Wanken bringt. Die Basler Behörden gehen gemäss Recherchen der Weltwoche auch gegen einen weiteren Mitarbeiter aus seiner Zeit bei der Batigroup strafrechtlich vor. Es handelt sich um den Projektleiter beim Basler Messeturm. Der Verdacht: Auch dieser Kadermann hat beim Aufbau von Crons Schwarzgeldkonstrukt aktiv mitgetan.

Dieser Projektleiter erhielt von Crons illegalen Zahlungen den Löwenanteil, insgesamt gut 100000 Franken: Rechnungen über 70000 Franken für sein privates Einfamilienhaus wurden über die Batigroup-Kasse beglichen – und dem Projekt Messeturm belastet. Der Projektleiter konnte somit selber grünes Licht für die illegalen Zahlungen an die eigene Adresse geben. Er zahlte sich seinen Bonus, der von keiner offiziellen Stelle bewilligt worden war, selbst aus. Weitere 30000 wurden ihm bar ausgehändigt. Dieses Geld stammte aus Rabattrückzahlungen von Lieferanten und einem Teil des Verkaufserlöses für die Baumaschine.

Fragwürdig ist insbesondere, dass Cron seinem Untergebenen eine derart hohe illegale Sonderzahlung gewährte. Denn dieser hatte zuvor von der Geschäftsleitung bereits eine Besserstellung erhalten. Ihm wurde eine Lohnerhöhung von monatlich mehreren tausend Franken sowie ein Dienstwagen im Wert von 80000 Franken bewilligt, abgesegnet von der Batigroup-Geschäftsleitung.

Der Chef gibt sich schnell zufrieden

Wie bei den Zahlungen für den Controller leuchtet auch bei jenen für den Projektleiter nicht ein, dass es sich dabei um Boni für «ausserordentliche Leistungen» handeln soll. Denn trotz dieses angeblichen Verdienstes schickte Cron seinen Projekleiter – jenen Mann also, der ihm zuvor am meisten wert gewesen war – wenige Wochen später in die Wüste. Zuerst «Sonderprämie», dann Kündigung – das passt nicht zusammen. Über all diese Details informierte Cron seinen heutigen Chef, Verkehrsminister Moritz Leuenberger, nicht. Nachdem Cron am 22. Oktober von den Basler Ermittlern verhört worden war, setzte er den Bundesrat per Brief lediglich über den groben Sachverhalt ins Bild.

An einem kurz darauf erfolgten Treffen verlangte Leuenberger vom Rechtsanwalt Crons eine schriftliche Darstellung von den Taten seines Chefbeamten. Dem kam der Anwalt nach, nannte dem Bundesrat aber weder die Höhe der verschiedenen Sonderboni noch die Gründe für deren Ausschüttung. Stattdessen nannte er nur die gesamte Anzahl der Begünstigten (sieben) und die totale Deliktsumme (180000 Franken). Damit gab sich Moritz Leuenberger zufrieden.

Warum, so muss man sich heute fragen, wollte Leuenberger, selber Rechtsanwalt mit langer Erfahrung im Strafrecht, nichts Genaueres über die Hintergründe von Crons Verfehlungen erfahren? War er zu gutgläubig? Oder wollte er sich nicht in eine Position manövrieren, in der er einen seiner derzeit wichtigsten Kaderangestellten hätte absetzen müssen? Denn Raymond Cron hat mit dem Chaos im Bazl in kurzer Zeit aufgeräumt und wird von den meisten Beobachtern für seine Arbeit in Bern in den höchsten Tönen gelobt.

Leuenberger möchte die neusten Entwicklungen in der Affäre Cron nicht kommentieren. Er sehe, lässt er ausrichten, «keinen Anlass, auf seine bisherige Haltung zurückzukommen». Will heissen: Cron geniesst weiterhin sein Vertrauen. Damit aber geht der neue Bundespräsident das Risiko ein, dass der Fall Cron auch zu einem Fall Leuenberger wird. (Weltwoche, 08.12.05)

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