Präsident von Transparency Schweiz rügt Leuenbergers Festhalten an Bazl-Chef Cron
Raymond Cron sei «nicht mehr tragbar» als Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, sagt Philippe Lévy, Präsident der Schweizer Anti-Korruptions-Organisation. Es gehe um den Ruf der Spitzenbeamten in der Bundesverwaltung.
INTERVIEW: Christof Forster
«Bund»: Bazl-Chef Raymond Cron hat in seiner früheren Tätigkeit bei der Batigroup Firmengelder veruntreut. Ist das Korruption?
Philippe Lévy: Nach den heute vorliegenden Informationen sieht es nicht nach Korruption aus. Es fehlt die Einflussnahme von Seiten Dritter. Aber es ist ganz klar ein strafrechtlicher Tatbestand.
Wie schwerwiegend ist Crons Vergehen?
Das Vergehen hat dem Arbeitgeber geschadet. Cron ist zwar geständig, aber es fragt sich, seit wann: Hat er das Vergehen beim Anstellungsgespräch mit Bundesrat Leuenberger erwähnt? Da hätte er unbedingt darauf hinweisen müssen. Er hat es vermutlich nicht getan. Dies schliesse ich aus Crons Aussagen, erst beim Anruf der Staatsanwaltschaft vor einigen Wochen sei ihm bewusst geworden, dass er das Gesetz verletzt habe.
Ist diese Erklärung glaubwürdig? Wissen die Leute zu wenig über strafbares Vergehen oder verdrängen sie ihr Handeln?
Cron war bei der Batigroup nicht irgendein Mitarbeiter, sondern in leitender Funktion tätig. Da musste er sich doch die Frage stellen, ob sein Vorgehen zulässig war. Er hat ja die Sonderprämien, wie er selber einräumt, gegen den Willen seiner Vorgesetzten ausbezahlt. Das ist ein Verstoss gegen die Treuepflicht, den ich für höchst stossend halte. Und wer garantiert, dass Cron in seiner aktuellen Funktion als Bazl-Direktor nicht etwas Ähnliches machen könnte?
Hat Leuenbergers Entscheid, an Cron festzuhalten, Symbolwirkung?
Chefs haben Vorbildfunktion. Wenn Cron im Amt bleibt, werden die Cron unterstellten Mitarbeiter zum Schluss kommen, dass sein Vergehen zwar nicht gerade salonfähig, aber ein Gentleman-Delikt war. Deshalb bin ich sehr erstaunt, dass Bundesrat Leuenberger ihm bereits jetzt, während des laufenden Justizverfahrens, sein Vertrauen ausgesprochen hat. Er muss sich doch fragen, ob Crons Verhalten nicht eine klare Charakterschwäche und mangelndes Urteilsbewusstsein offen legt.
Also hat der Verkehrsminister falsch entschieden?
Leuenberger hat falsch entschieden. Ich hätte Cron nicht bereits am Montag das Vertrauen ausgesprochen. Entweder hätte ich Cron bis zum Abschluss der Strafuntersuchung freigestellt oder ihn nur unter Vorbehalt des richterlichen Entscheids im Amt belassen.
Wieso das Strafverfahren abwarten - die Fakten liegen doch auf dem Tisch?
Es ist sehr schwer, aufgrund der Äusserungen Crons ein Urteil zu fällen. Ich unterstelle ihm nicht Unredlichkeit, aber das Ganze erscheint mir doch sehr kurios. Dass ein früherer Kollege Crons vorübergehend in Untersuchungshaft genommen wurde, weist doch auf den schwerwiegenden Charakter der Verfehlung hin.
Sie rechnen also damit, dass Cron noch weitere Unrechtmässigkeiten begangen hat?
Ich frage mich, ob die Veruntreuung ein einmaliger Ausrutscher oder Usus ist in einer Branche, die sehr anfällig auf Korruption ist. Sicher nicht Usus in der Baubranche dürfte aber sein, dass Mitarbeiter gegen Entscheide ihrer Vorgesetzten verstossen.
Gehen wir davon aus, das Strafverfahren bestätigt Crons Darstellung. Wäre er dann als Amtsdirektor noch tragbar?
Ob es beim Bund Regeln gibt, wie weit ein Vorbestrafter in einer Spitzenfunktion haltbar ist, weiss ich nicht. Aber unabhängig davon darf sich ein Chef ein solches Verhalten nicht leisten, weil er Vorbild ist. Deshalb wäre er für mich nicht mehr tragbar. Es sei denn, er könne überzeugend darlegen, dass es sich beim Vergehen um einen einmaligen Ausrutscher handelte. Das halte ich aber eher für unwahrscheinlich, weil man in einer solchen Funktion nicht so naiv sein darf.
Auch so bliebe aber bei vielen das diffuse Gefühl, dass man gegen die oben nicht konsequent genug vorgeht.
Letztlich geht es um den Ruf der Spitzenbeamten in der Bundesverwaltung. Dieser sollte über alle Zweifel erhaben sein. Bei Cron muss ich grosse Fragezeichen setzen. (der Bund, 23.11.2005)