Regierungsrätin Fuhrer: «Verstehe die Vorwürfe nicht»
Der Bericht des Bundes zur Luftfahrtpolitik hat im Kanton Zürich mehrheitlich skeptische Reaktionen hervorgerufen. Auf Kritik stossen vor allem der Anspruch des Bundes auf erhöhte Planungskompetenz und die langfristige Option einer Übernahme. (NZZ, 30.7.04)
ark. Zwei Wochen nach dem Scheitern der Flughafen-Mediation hat der Bund gestern seinen Bericht zur Luftfahrtpolitik vorgestellt. Darin hat er sich mit der Situation um den Flughafen Zürich auseinandergesetzt. Unter anderem möchte der Bund mehr Planungskompetenz auf Kosten der Flughafenkantone und Standortgemeinden. Langfristig prüfe man eine vollständige Übernahme der Trägerschaft der Landesflughäfen.
Dem Kanton Zürich wirft der Bericht vor, er habe in Planungsfragen zu stark die Eigeninteressen verfolgt, darunter hätten die Beziehungen des Bundes zu den Nachbarkantonen und Deutschland gelitten. Im Lärmkonflikt will der Bund eine einvernehmliche Lösung anstreben. Er äussert sich nicht abschliessend zur Frage, ob der Fluglärm kanalisiert oder verteilt werden soll. Zwischen den Zeilen glaubt man aber Sympathie für die Verteilvariante herauszuspüren. Mit einer Verteilung «können permanente und intensive Belastungen in den einzelnen Anflugschneisen etwas gemildert werden», schreiben die Verfasser.
Unique: «Widerprüchliche Aussagen»Die Publikation des Berichts hat im Kanton Zürich mehrheitlich skeptische Reaktionen ausgelöst. Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer bezeichnete die grundsätzlichen Überlegungen des Berichts als gut, allerdings seien sie nicht immer konsequent weitergeführt. Es werde vieles relativiert, etwa dort, wo man aus Gründen der Nachhaltigkeit Bereitschaft zur künstlichen Einschränkung des Flugbetriebs erkennen lasse. Man merke daran, dass der Bericht unter Zeitdruck entstanden sei. Die verklausulierten Vorwürfe an den Kanton Zürich habe sie nicht verstanden, sagte Fuhrer, es werde nicht klar, was damit konkret gemeint sei. Unklar blieb Fuhrer auch, wie sich der Bund eine Übernahme der Trägerschaft vorstellt. «Wenn er die Aktien des Kantons Zürich übernehmen möchte, dann müsste der Bund zusichern, dass er künftig die Interessen der Zürcher Bevölkerung vertreten will», sagte Fuhrer. Falls effektiv eine Wieder-Verstaatlichung geplant sei, werde sich der Kanton dagegen zur Wehr setzen.
Die Flughafen Zürich AG bezeichnete die Aussagen des Berichts als widersprüchlich. «Man kann nicht gleichzeitig Direktverbindungen fordern und den Hub in Frage stellen», sagte Sprecherin Sonja Zöchling. Bezüglich einer allfälligen Wieder-Verstaatlichung meinte sie, das Privatunternehmen Unique habe durch sein gutes Krisenmanagement der letzten Jahre gezeigt, dass die gegenwärtige Organisationsform nicht schlecht funktioniere. «Wir haben reagieren können und sind gut durchgekommen», sagte Zöchling.
FDP: «Hoch alarmiert»Durchwegs negativ fielen die Reaktionen der Kantonalparteien aus. FDP-Präsidentin Doris Fiala erklärte, die Partei sei «hoch überrascht und alarmiert» über den Bericht aus dem UVEK. Dieser zeige, wie verunsichert und konzeptlos Bundesrat Leuenberger im Dossier Flugverkehr agiere. Die wichtigsten Fragen habe der Verkehrsminister nicht beantwortet, sagte Fiala, nämlich wie mit Deutschland neu verhandelt werden solle, ob er für eine Kanalisierung oder eine Verteilung des Fluglärms sei und welche Bedeutung er dem Flughafen volkswirtschaftlich beimesse. Die Option «Verstaatlichung» hält die FDP für falsch. Aufgaben, die Private besser erledigen könnten, sollten nicht an den Staat übertragen werden.
Der SVP-Fraktionspräsident im Kantonsrat, Alfred Heer, zeigte sich auf Anfrage «nicht begeistert». Es sei falsch, wenn sich der Bund in die kantonale und kommunale Raumplanung einmische. «Wir müssen die Probleme auf kantonaler Ebene lösen», sagte er. Keinerlei Verständnis hat Heer für eine allfällige Verstaatlichung des Flughafens. Er befürchtet sowjetische Verhältnisse und wirft Leuenberger vor, in typisch sozialistischer Manier zu handeln. Ob Zürich ein Hub sei oder nicht, könne nicht die Politik bestimmen, sondern alleine der Markt. - Auch die Grünen schliessen eine Übernahme der Landesflughäfen durch den Bund aus. Es sei zu befürchten, dass man die im Kanton Zürich gesetzlich verankerte Mitbestimmung der Bevölkerung abschaffen wolle. Mit Befriedigung nehme man aber davon Kenntnis, dass das UVEK Abschied nimmt von der «Megahub-Strategie» des Flughafens. Der Gemeindeverband Fluglärmforum Süd begrüsst die Gesamtschau des Bundes, allerdings dürfe das kantonale Konsultativorgan Runder Tisch durch den Bund nicht konkurrenziert werden.
Siehe Berichte und Kommentar im Inlandteil
Neue Zürcher Zeitung, 30. Juli 2004