KLOTEN / Falls die Hub-Funktion verloren geht, hat Unique einen Notfallplan bereit
Seit dem Zusammenbruch der Swissair benutzen immer weniger Passagiere Zürich als Umsteigeflughafen. Und auch für viele Anwohner ist dessen Hub-Funktion längst ein rotes Tuch. Unique bereitet sich deshalb auf alle Szenarien vor.
Von Oliver Steimann
Wenn Flughafendirektor Josef Felder, Swiss-CEO André Dosé und immer mehr Politiker vom Bund die Festlegung einer nationalen Luftverkehrspolitik fordern, ist damit immer auch ein klares Bekenntnis zur zukünftigen Rolle des Zürcher Flughafens gemeint. Dass Unique gemäss Bundesrat Moritz Leuenberger einen Interkontinental-Hub betreiben können soll, aber nicht muss, ist den Verantwortlichen ein zu wenig klar gefasster Auftrag.
Auch die Fluglärm-Gegner, vorab jene im Süden des Airports, fordern derzeit lauthals eine Neudefinition von Grösse und Aufgabe des Flughafens. Die Forderungen schwanken zwischen «keine europäische Drehscheibe» (Thomas Morf, Präsident des Vereins Flugschneise Süd - Nein) und so skurrilen Begriffen wie «Alpen-Hub» (kantonale EVP).
«Worst-Case»-Szenario
Nun scheint es allerdings so, dass die Realität wieder einmal schneller arbeitet als die Mühlen der Politik. Rund 5,9 Mio. Passagiere haben Kloten im vergangenen Jahr noch als Umsteigeflughafen benützt. Der Anteil am Gesamtverkehr lag damit bei 34,7 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 zählte man 10,1 Mio. Umsteigepassagiere, der Anteil lag damals bei 44,5 Prozent.
Am Flughafen selbst hat man sich deshalb schon vor längerer Zeit auf verschiedene Zukunftsperspektiven vorbereitet. «Unser Worst-Case-Szenario ist, dass wir nur noch vom Regionalverkehr leben», erklärte Felder vor zwei Wochen gegenüber der «Handelszeitung». «Den Plan haben wir seit gut zwei Jahren in der Schublade.»
Langstrecke würde unrentabel
Bei Unique ist man allerdings nicht bereit, über die Details dieses Plans Auskunft zu geben. «Szenarien, ob Best- oder Worst-Case, sind zum Auslösen da, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Zum Spekulieren sind sie ungeeignet», erklärt dazu Kommunikations-Chef Jörn Wagenbach.
So will er auch keine genaueren Angaben dazu machen, mit wie vielen Passagieren und Flugbewegungen Zürich als reiner Regionalflughafen noch zu rechnen hätte. «Der Regionalverkehr umfasst das Verkehrsaufkommen, das durch die Nachfrage innerhalb der Schweiz generiert wird. Hinzu kommen Reisende, die die Schweiz aus geschäftlichen Gründen oder zur Erholung besuchen.» Natürlich dürfe man nicht vergessen, dass viele Langstreckenflüge sich für die Airlines nur mit Umsteigepassagieren lohnen würden.
Swiss-Ende wäre verkraftbar
Die Drehscheiben-Funktion Zürich wird durch den Home-Carrier, die Swiss, aufrechterhalten. Was die Infrastruktur betrifft, würde der Flughafen dessen Verschwinden aber wesentlich besser verkraften als unmittelbar nach dem Swissair-Grounding. Unique sei heute weitgehend unabhängig, bestätigt Wagenbach. «Nach dem Zusammenbruch der SAir Group haben wir die Flugzeugenergieversorgungsanlage, die Gepäcksortieranlage und für den Flugbetrieb wichtige Datensysteme übernommen. Der Betrieb kann bei jedem den Netzwerkcarrier betreffenden Szenario aufrechterhalten werden.»
Aber auch finanziell sei eine Zukunft als Regionalflughafen verkraftbar. «Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir flexibel sind und auf verschiedene Situationen angemessen reagieren können - beispielsweise durch die rigorosen Sparmassnahmen des vergangenen Jahres», so Wagenbach. Allenfalls überflüssig werdende Infrastrukturbauten liessen sich «am verkehrstechnisch am besten erschlossenen Ort der Schweiz» auch anderweitig nutzen.
Nachfrage bestimmt die Rolle
Der Überlebensplan «Regionalflughafen» soll, wenn es nach den Unique-Verantwortlichen geht, noch längere Zeit in der Schublade Staub ansetzen. Weiterhin stellt man sich auf den Standpunkt, dass die Grösse des Airports vor allem durch die Nachfrage und weniger vom Angebot bestimmt werde. Diese tendiert allerdings weiterhin nach unten: Mit dem für 2004 erwarteten erneuten Rückgang der Umsteigepassagiere kommt Unique dem «Worst Case» ein weiteres Schrittchen näher.
«Verstaatlichung muss diskutiert werden»
ZOLLIKON / An der Unique-Generalversammlung vom 6. April wird die Schutzvereinigung Schweizer Anleger (SVSA) zwei Statutenänderungen beantragen und dem Verwaltungsrat zahlreiche Fragen stellen. Wie SVSA-Präsident Hans-Jacob Heitz gestern an einer Medienkonferenz erklärte, wolle man einerseits die Lebensqualität der Anwohner im Zweckartikel verankern. Andererseits möchte man die Einsitznahme von Regierungsräten im Verwaltungsrat verbieten, um inskünftig Interessenskonflikte zu vermeiden. Von der Unternehmensführung verlangt man unter anderem Auskunft über mögliche Entschädigungszahlungen an lärmgeplagte Anwohner und über die Leasingverträge mit amerikanischen und japanischen Firmen.
Heitz nutzte die Gelegenheit, um auch seiner allgemeinen Besorgnis über die Lage des Flughafens Ausdruck zu verleihen. Zwar sei dessen Rolle für die Schweizer Wirtschaft sehr wichtig, «aber Wirtschaft ohne Lebensqualität hat keine Zukunft.» Obwohl grundsätzlich ein Verfechter einer klar wirtschaftsliberalen Politik, warf Heitz die Frage nach einer Wiederverstaatlichung zumindest der Infrastruktur des Flughafens auf: «Diese Frage sollte man offen diskutieren.»
Skeptisch äusserte er sich auch zur finanziellen Situation von Unique. Nach verschiedenen Refinanzierungsgeschäften stehe man gegenwärtig zwar gut da, doch das funktioniere nur so lange, wie die geleaste und zurückgeleaste Infrastruktur finanziell sinnvoll betrieben werden könne.