«Finanz und Wirtschaft», 16. August 2006
Pat Gaffey, Europachef von British Airways, über Konkurrenten, den Flughafen Zürich, Billigflüge und die Belastung durch den hohen Ölpreis
«Swiss ist mit Lufthansa nicht stärker geworden»
Flugzeuge bleiben ein Ziel für Terroristen. Das haben die Verhaftungen vergangene Woche in London gezeigt. Trotzdem ist nicht anzunehmen, dass die Leute wie nach dem 11. September 2001 über längere Zeit auf Flugreisen verzichten werden. Anders als vor fünf Jahren ist die Wirtschaft weltweit im Aufschwung. Dank der guten Konjunktur werden mehr Geschäftsreisen absolviert und auch Ferienflüge sind häufiger angesagt. Das Umfeld ist jedoch nicht nur rosig. Ein Problem sind die noch immer steigenden Kosten für Flugpetrol.
Im europäischen Luftverkehr gibt es beträchtliche Überkapazitäten, die auf die Ticketpreise drücken. Pat Gaffey ist vor knapp zwei Jahren angetreten, um das Europageschäft von British Airways (BA) in die Gewinnzone zurückzuführen. Inzwischen steht er kurz vor dem Ziel. Der Europachef erklärt, warum in seinem Markt noch immer ein heftiger Preiskrieg tobt, wie BA unter der Führung des neuen Chief Executive Officer Willie Walsh radikal die Personalkosten senkt und ob die Aktionäre schon bald wieder mit einer Dividende rechnen können.
Herr Gaffey, Ihr Chef, Willie Walsh, sprach bei der Präsentation der letzten Quartalszahlen von einem «brutalen» Wettbewerb. Buhlen noch immer zu viele Airlines um zu wenige Kunden?
Es gibt grosse Überkapazitäten. Unsere Konkurrenten sind sowohl Billigfluggesellschaften als auch andere etablierte Airlines. Hinzu kommen Unternehmen wie Alitalia und Olympic Airways, die seit Jahren Verluste schreiben, aber vom Staat künstlich am Leben erhalten werden. Das Resultat ist ein intensiver Preiskampf.
Müsste die gute Konjunktur den Fluggesellschaften nicht zu Mehreinnahmen verhelfen?
Der Markt ist zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen die Passagiere in der Businessclass, die tatsächlich mehr für Komfort zu zahlen bereit sind. Wir liegen mit Club Europe, unserer Komfortklasse, über den Zielen. Anders sieht es im Bereich Freizeitreisen aus. Die Leute gehen wegen der Billigfluggesellschaften noch immer von sinkenden Preisen aus.
Wie weit sind Sie bereit, das Spiel mit immer billigeren Flugangeboten mitzumachen?
Wir entscheiden von Markt zu Markt anders. Ist er für uns von strategischer Bedeutung, sind wir zu Konzessionen bereit. Doch es gibt Grenzen. Wir geben eine Destination auf, falls sie uns ausser Verlusten nichts bringt. Alles andere ist ökonomischer Selbstmord.
In Europa operieren über fünfzig Billigfluggesellschaften. Den meisten von ihnen ist ein rascher Tod prophezeit worden. Eine Fehleinschätzung?
Die Konsolidierung wird früher oder später kommen. Es gibt zu viele Anbieter. Inzwischen beginnt sich auch der Billigfliegermarkt in zwei Lager aufzuspalten. Zur einen Gruppe gehören die eingefleischten Niedrigpreisanbieter wie Ryanair. Ich verspüre grossen Respekt für Ryanair. Am anderen Ende befinden sich Gesellschaften wie Air Berlin und - weniger ausgeprägt - Easyjet, die ihren Passagieren den vollen Service anbieten. Die Segmentierung ist typisch für eine Branche mit Überkapazitäten. Erst suchen sich alle ihre Nische, bevor sie feststellen, dass es nicht Platz für alle gibt.
Wie lange dauert der Ausleseprozess unter den Billigfluggesellschaften?
Ich rechne mit drei bis vier Jahren.
Wie sieht es unter den etablierten Luftfahrtunternehmen aus? Werden weitere Gesellschaften dem Beispiel von Air France und KLM oder Lufthansa und Swiss folgen und sich zusammenschliessen?
Die Frage ist, was mit all den Airlines geschieht, die sich früher in Staatsbesitz befanden und jetzt verzweifelt einen Käufer suchen. Doch wer sollte Interesse an Alitalia oder Olympic Airways haben?
Vielleicht British Airways.
Weshalb sollten wir einen anderen Anbieter kaufen, der über einen Haufen von Problemen verfügt? Das wäre Wahnsinn. Wir haben vier Jahre gebraucht, um unser eigenes Europageschäft zu sanieren. Das war ein hartes Stück Arbeit. Vor vier Jahren verloren wir im europäischen Kurzstreckenverkehr 300 Mio. £. Jetzt haben wir knapp die Gewinnschwelle überschritten.
Willie Walsh hat BA weitere Einsparungen verordnet. War sein Vorgänger Rod Eddington zu lax?
Walsh verfügt über grosse Restrukturierungserfahrung. Er bekam es als Chef der irischen Fluggesellschaft Aer Lingus vor seiner Haustüre mit der wohl brutalsten Billigairline, Ryanair, zu tun. Unser neuer CEO weiss, das Kostensparmassnahmen auf dem Höhepunkt des Branchenzyklus getroffen werden müssen. Wenn es abwärts geht, bleibt zu wenig Zeit für eine sorgfältige Auswahl.
Neigt sich die Erholung im Luftfahrtsektor bereits dem Ende zu?
Nein, denn die Konjunktur hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Die Luftfahrt ist eine ausgesprochen zyklische Branche. Hinzu kommt, dass die Leute häufiger als vor fünf oder zehn Jahren verreisen. Man gönnt sich nicht mehr nur einen Ferienflug pro Jahr, sondern auch zwei oder drei Städteflüge. Diese zusätzliche Nachfrage ist unwiderruflich und zu einem grossen Teil dem Angebot der Billigfluggesellschaften zu verdanken.
Willie Walsh verkündete kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Herbst, das Management um 50% zu verkleinern. Wie weit ist der Personalabbau in Ihrem Bereich fortgeschritten?
Wir haben 40% unserer Kaderstellen abgebaut. Für die Betroffenen ist das hart, aber wir funktionieren weiterhin.
BA erreichte im ersten Quartal eine Betriebsgewinnmarge von 9,1%. Wann kommen Sie auf die bereits von Eddington angestrebten 10%?
Wir sind auf gutem Weg. Mit einer Marge von 10% sichern wir nicht nur die Existenz von BA, sondern erwirtschaften auch ausreichend Cash-flow, um in den Ausbau unseres Geschäfts investieren zu können.
Und wieder eine Dividende auszuschütten?
Das Thema ist traktandiert. Der Verwaltungsrat wird sich schon bald mit dieser Frage auseinandersetzen.
Was haben Sie für einen Eindruck von Ihren Hauptkonkurrenten Lufthansa und Air France-KLM, deren Geschäftszahlen ebenfalls nach oben tendieren?
Beide machen vor allem umsatzseitig grosse Fortschritte. Ich habe allerdings den Verdacht, dass sowohl Air France-KLM als auch Lufthansa noch viel Restrukturierungsbedarf haben. Die Angestellten beider Airlines verfügen über umfangreiche Rechte, die neu ausgehandelt werden müssen.
BA stehen diesen Herbst nicht minder schwierige Verhandlungen mit den Gewerkschaften bevor. Wie wollen Sie sie dazu bringen, Ja zur Heraufsetzung des Pensionsalters zu sagen?
In unserer Pensionskasse klafft ein riesiges Loch. Die Verpflichtungen übersteigen die Aktiven mittlerweile um 2,1 Mrd. £. Wir werden dieses Problem lösen, und zwar noch dieses Jahr.
Ohne Streiks?
Das hoffen wir.
Wie gleichen Sie die Belastung durch den hohen Ölpreis aus?
Wir verlangen Treibstoffzuschläge. Falls der Ölpreis auf dem jetzigen hohen Niveau verharrt, werden wir die Zuschläge wohl bald nicht mehr separat ausweisen, sondern in den Ticketpreis integrieren. Wir sichern unsere Treibstoffaufwendungen auch gegen oben ab - zu 75% dieses und zu 30% im kommenden Jahr. Und wir versuchen, den Kerosinverbrauch unserer Flugzeuge so gering wie möglich zu halten. Wir überprüfen jeden Gegenstand darauf, ob er an Bord mitgeführt werden muss. So nehmen wir weniger Zeitschriften als früher mit. Das mag nach einer kleinen Gewichtseinsparung aussehen, doch bei 500 BA-Flügen pro Tag kommt einiges zusammen.
Was unternehmen Sie gegen Start- und Landegebühren, die auf einigen Flügen mehr als das Ticket kosten?
Es gibt Flughäfen, die der Meinung sind, sie könnten so viel verlangen wie sie nur wollten. Dazu gehört Zürich. Ich hatte in den vergangenen Jahren einige Fragen mit der Betreibergesellschaft Unique zu klären. Unique verhält sich wie ein Monopolist ohne Aufsicht. Andere Flughäfen privilegieren auf ungerechtfertigte Weise Billigfluggesellschaften, verlangen von uns aber die gleich hohen Landegebühren. Das ist inakzeptabel. Etwas anderes ist es, wenn ein Flughafen wie in Genf oder Marseille einen separaten Terminal für Billigflieger errichtet. Wir können dann selbst entscheiden, ob wir den reduzierten Service in diesem Terminal für unsere Kunden in Kauf nehmen wollen oder doch lieber die höheren Gebühren für einen Standplatz im Hauptterminal bezahlen.
Was halten Sie von den einseitig durch Deutschland erlassenen Anflugbeschränkungen in Zürich?
Wir haben den Direktor der internationalen Luftverkehrsorganisation Iata, Giovanni Bisignani, um Hilfe gebeten. Er versucht, eine Lösung in diesem Konflikt zu erwirken. Es gäbe einige technische Lösungen, die wir als einzelne Airline jedoch nicht durchsetzen können. Zürich ist für uns ein wichtiger Markt. Wir sind seit 80 Jahren hier vertreten und werden nicht weggehen.
Hat sich der Wettbewerb seit der Übernahme von Swiss durch Lufthansa verändert?
Swiss ist mit Lufthansa nicht stärker geworden. Als die Deutschen Swiss kauften, dachte ich, sie würden sie zu einem reinen Zulieferer nach Frankfurt und München machen. Lufthansa nahm mehr Rücksicht, wohl aus Angst vor Protesten in der Schweiz. Auf längere Sicht werden die Deutschen aber so viel Verkehr wie möglich aus Zürich absaugen, denn sie müssen ihre kostspielige Infrastruktur in Frankfurt und München finanzieren.
Interview: Dominik Feldges