Die Schweiz feiert mit einem Volksfest Unter den Linden und einer Fete für 1 000 geladene Gäste ihren Nationalfeiertag
Andreas Kurtz
Baustellen sorgen derzeit in Mitte für manchen Stau. Einen Extrastau Unter den Linden verursachte gestern Emma, eine ausrangierte Feldbäckerei des Schweizer Militärs. Die blockierte eine Fahrspur, was Autofahrer fluchen, Fußgänger dagegen schmatzen ließ. Auf Einladung des neuen Schweizer Botschafters Christian Blickenstorfer und der Zürcher Regierungspräsidentin Verena Diener wurden bei dem schon traditionellen Volksfest zum Schweizer Nationalfeiertag wieder Tausende verköstigt. Und weil das Zürigeschnetzelte auf Tellern einen riesigen Papptellermüllberg verursacht hätte, gab es die Spezialität in einer Brottasche. Das sah verdächtig nach Döner aus und passte deshalb auch sehr gut nach Berlin. Genau wie der Name, den man sich für diese Mahlzeit, die extra für das Fest in der deutschen Hauptstadt kreiert wurde, ausgedacht hatte: "Züri Schnure" - was übersetzt "Züricher Schnauze" heißt und eine Verneigung vor der Berliner Schnauze sein sollte.
Der Kanton Zürich, der in diesem Jahr im Mittelpunkt des Festes stand, präsentierte sich unter dem Motto "Zürichs Duft in der Berliner Luft" - an Bäumen des Mittelstreifens Unter den Linden waren Zerstäuber mit Duftstoffen angebracht und an Ständen gab es duftende Rätsel. Bei denen wurde beispielsweise die Frage geklärt, ob der Berliner den Geruch Schweizer Käses von Schweißfußaroma unterscheiden kann (er kann zum Glück!). Die Regierungspräsidentin wünschte sich als Ergebnis dieser Aktionen, dass die Berliner anschließend aus tiefem Herzen sagen: "Zürich ist dufte." - Ihre Chancen stehen gut, denn bei Gratiswein und Gratisessen findet der Berliner ja tendenziell alles ziemlich dufte.
Bei einem Bummel über das Schweizer Fest konnte der Einheimische auch erkennen, dass die Bewohner von Zürich ähnliche Themen umtreiben wie ihn selbst. So waren im Gefolge der Gastgeber aus der Schweiz auch Protesttouristen angereist. Mitglieder einer Bürgerinitiative protestierten mit gelben Luftballons, auf denen "Flugschneise Süd - NEIN!" stand, gegen Fluglärm, was ja zumindest in Schönefeld und Umgebung auf Zustimmung stoßen könnte.
Schon zum siebten Mal wurde so ein Schweizer Fest in Berlin gefeiert. Für Botschafter Christian Blickenstorfer war es das erste. Der kam mit seiner Frau Susanne nämlich erst vor drei Monaten nach Deutschland, nach fast fünf Jahren als Botschafter seines Landes in Washington: "Wir haben uns hier schnell eingelebt." Bei zwei Gassigängen pro Tag mit seinem Hund hat der Diplomat den Tiergarten schätzen gelernt und sich von seiner Wehmut beim Abschied aus dem extrem grünen Washington gelöst. "Besonders gern sitze ich hier in Berlin auf der Terrasse des Hotels Adlon und genieße das hervorragende Essen und den Blick auf das Brandenburger Tor."
Schon seit Freitag wird rund um seine Botschaft gehämmert. Aber die Aufbaugeräusche für das Fest mit 1 000 geladenen Gästen, das am Abend den Abschluss des Nationalfeiertags bilden sollte, störten ihn nicht besonders. Weil er schon bedeutend Schlimmeres erlebt hat: "Im Vergleich zu den Geräuschen der Fanmeile war das ja wirklich nichts."
Für die musikalische Unterhaltung der Festgäste hatte man den bekannten Harfenvirtuosen Andreas Vollenweider engagiert. Und auch die Künstler, die schon am Nachmittag Unter den Linden für Stimmung gesorgt hatten (darunter das Frauen-Musikkabarett Acapickels und das Bläserensemble "Philharmonic Brass Zürich - Generell 5"), durften zur Feier des 715. Geburtstages der Eidgenossenschaft im Botschaftsgarten aufspielen. Regierungspräsidentin Verena Diener wollte die unbekannte Seite der Züricher zeigen: "Wir können nämlich auch sehr nett sein!"