Von Edgar Schuler
Zürich. - Für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) kommen Neuverhandlungen über Nordanflüge auf den Flughafen Kloten nach wie vor erst dann in Frage, wenn der Europäische Gerichtshof über eine Klage der Schweiz gegen Deutschland entschieden hat. Oettinger machte das gegenüber dem TA am Rand einer Wirtschaftsveranstaltung in Zürich klar. Bis das aber der Fall sei - man rechnet mit einem Gerichtsentscheid noch in diesem Jahr - sei «ein Austausch von Daten und Fakten» zwischen Zürich und seinem Bundesland «sicher nützlich». Oettinger sprach auch von nach wie vor «gegensätzlichen Interessen» der beiden Parteien. Damit machte er Hoffnungen zunichte, dass seine jüngsten Besuche in Zürich bereits jetzt zu einer greifbaren Entspannung geführt haben könnten.
Wirtschaftsraum Zürich sei vorbildlich
Oettinger ist eine Schlüsselfigur im Fluglärmstreit: einerseits als Ministerpräsident des reichsten Bundeslandes, anderseits als Vertreter der vom Schweizer Fluglärm geplagten Bevölkerung in Süddeutschland. Ende Juni hatte er schon in offizieller Mission Zürich besucht, den Gesamtregierungsrat getroffen und ein wenig sagendes Communiqué hinterlassen (TA vom 27. Juni). Gestern war er auf Einladung des baden-württembergischen Unternehmers Reinhold Würth (siehe Kasten) bereits wieder an der Limmat und traf dabei erneut Regierungsrätin Rita Fuhrer. Sie ist als Volkswirtschaftsministerin für den Flughafen zuständig und hatte vor kurzem mehrfach erklärt, dass jetzt Gespräche mit deutschen Exponenten hoch oben auf ihrer Traktandenliste stehen. Sie will damit die Situation entkrampfen und auf dem Verhandlungsweg mögliche (nördliche) Alternativen für die Südanflüge suchen. Schliesslich droht die Plafonierungsinitiative mit einer wirtschaftlich problematischen Einschränkung des Flugverkehrs.
Oettinger erwähnte den Flughafen Kloten in seiner Ansprache vor rund 300 Wirtschaftsvertretern im Lake Side am Zürichhorn mit keinem Wort. Er stellte die Schweiz und den Wirtschaftsraum Zürich als vorbildlich dar, was die Arbeitszeiten betrifft: Ein Facharbeiter in seinem Bundesland verdiene zwar gleich viel wie ein Schweizer, er arbeite aber weniger: «Wir arbeiten zu wenig für unseren Lohn!»
Rita Fuhrer betonte in ihrer Ansprache zunächst die gemeinsamen Wirtschaftsinteressen Zürichs und Baden-Württembergs. Um im Weltmarkt zu bestehen, müssten die beiden Wirtschaftsregionen besser zusammenarbeiten. Auf die Fluglärmprobleme kam Fuhrer nur indirekt zu sprechen: «Die Politiker sind gefordert, im Dialog Hindernisse abzubauen. Das tun wir, und auch wenn es dabei die einen oder anderen Probleme - auch in der Verkehrsinfrastruktur - gibt, so sind wir bereit, sie zu lösen.»