Von Wolfgang Messner
Er ist noch nicht in Amt und Würden, aber seine Meinung ist bereits sehr gefragt. Mit der grossen Mehrheit von 39 Stimmen hat der Kreistag dem neuen Waldshuter Landrat Tilman Bollacher sein Vertrauen ausgesprochen. Der Stellvertreter wird Chef. Bollacher ist Erster Landesbeamter und damit zweiter Mann hinter Kreischef Bernhard Wütz (CDU). Er ist parteilos, betont aber selber seine CDU-Nähe.
Schon jetzt muss der 42-jährige, verheiratete Vater von drei Knaben allerorten bekunden, wie er es mit dem Fluglärm von Zürich-Kloten hält. Bollacher wird an seinem Vorgänger gemessen werden. 26 Jahre ist Bernhard Wütz im Amt, wenn er Ende August ausscheidet. Die meiste Zeit davon kämpfte er gegen den zunehmenden Krach am Himmel.
Nein zum gekröpften Nordanflug
Es gab auf deutscher Seite Befürchtungen, Bollacher könnte eine weichere Haltung gegenüber der Schweiz einnehmen als der im Umgang joviale, in der Sache aber bockelharte Wütz. Doch die Bedenkenträger sehen sich getäuscht: Wütz’ Vize nimmt fast die identische Haltung wie sein Chef ein. Massgebend sei die Kreistagsentscheidung vom 22. Februar dieses Jahres, sagt er. Darin fordert die Volksvertretung des Kreises eine weitere Begrenzung der Anflüge von derzeit 105 000 im Jahr auf maximal 80 000. Der vom Flughafen Zürich ins Spiel gebrachte gekröpfte Nordanflug entlang der deutschen Grenze wird abgelehnt. Auch die deutschen Sperrzeiten, die die Ursache für die Südanflüge auf Zürich sind, müssten behalten werden. Die Anflüge sollten werktags auf die Zeit zwischen 7 und 21 Uhr und an Wochenenden zwischen 9 und 20 Uhr beschränkt bleiben. Er sei froh, dass diese Punkte erstmals in den Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der FDP aufgenommen worden seien, sagt Bollacher.
Auch in Berlin bleibt man hart. Nach Angaben eines Sprechers des Bundesverkehrsministeriums ist es das klare Ziel der CDU/SPD-geführten Bundesregierung, die Verordnungen «nicht zum Nachteil der süddeutschen Bevölkerung aufzuweichen». Gegenwärtig fänden zu den Themen Gespräche mit der Schweiz auf Fachebene statt. Ob es, wie von Schweizer Seite gefordert, zu einer Wiederaufnahme von Verhandlungen komme, könne er nicht sagen.
Egal, was in Berlin passiert, der neue Landrat will beim Fluglärm in jedem Fall auf die Schweiz zugehen. Er beteuert sein Interesse an einem guten Miteinander. Es sei eigentlich ungeheuerlich, dass trotz so vieler Gemeinsamkeiten mit dem Nachbarn in dieser Frage keine Lösung erzielt werden könne. «Wir sollten uns bemühen, einen Kompromiss zu finden.» Bollacher macht aber auch klar, dass keine Region in einem Radius von 15 Kilometern um Zürich so unter dem Flughafen leide wie der Landkreis Waldshut. «Wer einen Flughafen mitten in die Stadt legt, muss auch mit den Folgen eines Flughafens leben.»
Der Kreis Waldshut sei auch weiterhin bereit, Belastungen zu tragen, nur eben nicht alle. «Zwei Drittel aller Anflüge gehen über unser Gebiet», betont er. Mehr könne die Region, die vom Tourismus lebe, nicht verkraften. Den in Zürich propagierten Ausbau zu einem Hub hält Bollacher für überdimensioniert. Dass die Deutschen vom Flughafen stark profitieren, kann er ebenfalls nicht erkennen. Schweizer Studien sagten selbst für das Jahr 2020 einen Passagieranteil aus dem süddeutschen Raum von nur 4,5 Prozent voraus. Derzeit kämen nur 0,2 bis 0,4 Prozent der am Flughafen Beschäftigten aus Deutschland.
Zorn wegen Rita Fuhrer
Äusserungen der Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer vor einigen Wochen im TV-Sender Züriplus schliesslich bringen Bollacher noch heute auf die Palme. Darin hatte die Politikerin erklärt, die Schweiz hätte sich den deutschen Verordnungen einfach verweigern können: «Die können ja unsere Flugzeuge nicht vom Himmel holen.» Die süddeutsche Bevölkerung müsse endlich lernen, «dass sie auch einen Vorteil» habe und dass sie bereit sein sollte, «gewisse Nachteile zu tragen». Schliesslich wollten sie ja auch eine bessere Bahnverbindung zum Flughafen Zürich; Waldshut verlange eine S-Bahn-Verbindung im 30-Minuten-Takt.
Derlei Koppelgeschäfte lehnt Bollacher strikt ab. Es komme für ihn nicht in Frage, Zugeständnisse an die Schweiz beim Fluglärm zu machen, um damit eidgenössisches Entgegenkommen bei Verkehrsprojekten oder gar beim umstrittenen atomaren Endlager in Benken zu erlangen. «Die Themen haben nichts miteinander zu tun», betont Bollacher. Würden sie dennoch verknüpft, werde «jede einzelne dieser Fragen unbefriedigend gelöst».