Kommentar von Werner Balsen
zum EU-Gerichtsurteil: Flugbenzin darf steuerfrei bleiben
Der Gang zum EU-Gericht nach Luxemburg war für die Deutsche Bahn (DB) nur in einem Punkt erfolgreich: Die systematische Benachteiligung des Zuges gegenüber dem Flugzeug rückt noch einmal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die EU-Richter können dagegen nichts tun, die Politiker wollen nicht. Deshalb lässt sich mit Sicherheit vorhersagen, dass auch das geplante Energiesteuergesetz die Bevorzugung des Luftverkehrs nicht beenden wird - so skandalös sie ist.
Denn seit rund zwei Jahren haben die EU-Staaten die Möglichkeit, Kerosinsteuer für Inlands- und innereuropäische Flüge zu erheben. Sie tun es - mit Ausnahme der Niederlande - nicht und subventionieren so die Fluggesellschaften. Um 15 Euro müssten die Luftfahrtgesellschaften einen einfachen Flug von Berlin nach Köln verteuern, gäbe es die staatliche Hilfe für sie nicht.
Das ist nicht die einzige Privilegierung des Flugzeugs. Bei innereuropäischen Flügen brauchen die Gesellschaften auf ihre Ticketpreise keine Mehrwertsteuer aufzuschlagen - im Gegensatz zur Bahn. Die muss etwa für eine Rückfahrkarte von Berlin nach Paris ihren Kunden 41 Euro Mehrwertsteuer abknöpfen. Mit der Erhöhung dieser Abgabe im Januar werden deshalb die Fernverkehrstickets der Bahn - auch ohne Beschluss des Vorstands - teurer.
Und nur nebenbei: Auch die Bundespolizei, die auf Flughäfen und Bahnhöfen für Ordnung sorgt, macht das für die Luftfahrt auf Kosten der Steuerzahler. Die DB muss dafür jährlich hohe zweistellige Millionenbeträge zahlen.
So nimmt die Politik im Konkurrenzkampf zwischen Billigfliegern und der DB gravierende Wettbewerbsverzerrungen billigend in Kauf. Die Bahn als das umweltverträglichste Verkehrsmittel bleibt auf der Strecke, obwohl die die Politiker sie doch angeblich stärken wollen. Das erbittert aber offenbar kaum jemanden.
Frankfurter Rundschau, 06.04.06
Flugbenzin darf steuerfrei bleiben
EU-Gericht schmettert Klage der Deutschen Bahn ab und verteidigt Privileg der Luftfahrtgesellschaften
Die Deutsche Bahn (DB) ist mit dem Versuch gescheitert, die Steuerbefreiung von Flugbenzin juristisch anzugreifen. Die EU- Kommission muss nicht einmal überprüfen, ob der Vorteil der Luftverkehrsunternehmen eine unlautere Beihilfe darstellt oder nicht.
Die Bahn wird sich auch in Zukunft darüber ärgern, dass ihre Wettbewerber in der Luft von den Finanzbehörden schonend behandelt werden. Denn nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichts, der ersten Instanz in Luxemburg, darf Kerosin steuerfrei bleiben.
Die DB hatte in ihrer Klageschrift ausführlich erklärt, warum sie dieses Privileg der Fluglinien wurmt. Sie selbst müsse für ihre Züge auf Energiequellen zurückgreifen, die "einer Vielzahl von Steuern" unterlägen. Die Flieger hingegen sparten durch die Befreiung erkleckliche Summen. Sie könnten deshalb günstige Tarife anbieten - auch auf den Routen, auf denen sie mit Hochgeschwindigkeitszügen konkurrierten.
Brüssel erkennt keine Beihilfe
Es möge ja sein, räumt die DB ein, dass das Kerosin-Privileg vor 15 Jahren gerechtfertigt war, weil es schnelle Verbindungen innerhalb Europas förderte. Heute jedoch laufe es den Zielen des Binnenmarkts entgegen, wenn der Wettbewerb zwischen ICE und Billigflieger verzerrt werde. Mit diesen Argumenten wandte sich der Konzern vor vier Jahren an die EU-Kommission und forderte, sie solle die Steuerbefreiung als unlautere Staatsbeihilfe deklarieren und verbieten.
Die EU-Kommission tat nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil: Die seinerzeit amtierende Verkehrskommissarin Loyola de Palacio antwortete knapp, es könne sich nicht um eine staatliche Beihilfe handeln, weil sich nicht Deutschland die Steuerbefreiung ausgedacht habe, sondern die EU. Der entscheidende Artikel im - deutschen - Mineralölsteuergesetz sei nichts anderes als eine Übersetzung einer EU-Richtlinie von 1992. Der Bund verzichte also nicht freiwillig auf 435 Millionen Euro pro Jahr - so die Schätzung für die Einnahmeverluste im Jahr 2002. Deshalb könne diese Großzügigkeit auch nicht als versteckte Beihilfe gewertet werden. Brüssel verzichtete deshalb sogar auf eine weitergehende Untersuchung und legte die Sache zu den Akten.
Nicht so die Bahn. Sie rief das Europäische Gericht erster Instanz an - sozusagen den Europäischen Gerichtshof für Klagen von Unternehmen. Die Luxemburger Richter kommen nun ebenfalls zu einer Entscheidung, die das Unternehmen ernüchtern muss. Denn sie erklärten die Klage der Bahn gegen Palacios Antwort für nicht begründet. Das Gericht schließt sich teilweise der Argumentation Brüssels an. Zudem sieht es - anders als die Klägerin - den Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Der verlange nur, Gleiches gleich zu behandeln. Bahn und Fluglinien jedoch befänden sich in einer unterschiedlichen Lage. Ihre Tätigkeiten, ihre Kosten und die Vorschriften, denen sie unterliegen, unterschieden sich stark voneinander.
Schließlich verweist das Gericht darauf, dass die Befreiung des Flugbenzins von Steuern international Usus sei. Ein Abschied davon in der EU würde Wettbewerbskonflikte zwischen europäischen und anderen Luftfahrtgesellschaften heraufbeschwören.
Die DB reagiert auf das Urteil gelassen. Man sei stets davon ausgegangen, dass nicht die Justiz, sondern die Politik die Benachteiligung der Züge gegenüber Flugzeugen beenden müsse. Das Management hofft auf das Energiesteuergesetz, das im Sommer verabschiedet werden soll.
Frankfurter Rundchau 06.04.06