Seit Rita Fuhrer auch für den Gesamtverkehr zuständig ist, gilt sie als die starke Frau in der Regierung. Ihr gefällts Pläne für eine Karriere in Bern hat sie aber noch nicht aufgegeben.
Mit Rita Fuhrer sprachen Hans-Peter Bieri und Ruedi Baumann
Frau Fuhrer, früher waren Sie «lovely Rita», die Strahlefrau und jedermanns Liebling, heute gelten Sie als Powerfrau, die immer mehr Macht und Kompetenzen an sich reisst. Eine neue Rita Fuhrer?
Ich empfinde mich nicht so. Aber wenn man lange in der Regierung war, hat man auch viel Wissen über politische Entwicklungen und Entscheide. Das gibt Kraft und Kompetenz. Vor allem im Flughafendossier kann ich dank meiner Erfahrung zu Regierungsentscheiden beitragen, mit denen alle leben können. Und das ist schliesslich das Wichtigste am Regieren.
Zuletzt haben Sie jedenfalls oft gepunktet. Sie sind heute nicht nur für den Gesamtverkehr zuständig, sondern auch für die Planung rings um den Flughafen. Ihre Kollegin Dorothée Fierz hatte das Nachsehen.
Schon als mich die Regierung 2004 in die Volkswirtschaftsdirektion delegierte, hat sie grundsätzlich erklärt, sie wolle das Thema Flughafen aus einer Hand bearbeitet sehen. Der Sachplan Infrastruktur hat ein starkes raumplanerisches Element. Deshalb bin ich jetzt die Verantwortliche auch für die Flughafen Raumplanung.
Passierte der Abtausch an einer der berühmten Sitzungen, aus denen Regierungsmitglieder mit Tränen in den Augen stürmen?
Nein. Aber was wäre Politik ohne Gerüchte? Wir sind uns in der Regierung sicher nicht immer von Anfang an einig. Es gibt politische Auseinandersetzungen. Aber beim Flughafen führten wir die grossen Auseinandersetzungen im Sommer 2004. Der richtungsweisende Entscheid für die Regierung war dann der Beschluss vom September 2004. Für den habe ich wirklich gekämpft. Da gab es harte Diskussionen und starke Emotionen. Danach hat sich das Thema sehr entspannt.
Der Eindruck von aussen war anders. Man erinnerte sich, dass Frau Fierz Ihnen mit dem Projekt Relief ein politisches Ei gelegt hatte und dass das zu rechten Reibereien zwischen Ihnen beiden führte. Der Abtausch erschien so wie der Abschluss eines Machtkampfes, den Sie mit Frau Fierz geführt und schliesslich gewonnen haben.
Das Projekt Relief wurde politisch zu einem sehr schwierigen Thema. Man hat es nicht verstanden und konnte es nicht einordnen. Es wurde falsch kommuniziert. Man stellte es vor, als es nicht mehr bloss ein Expertenbericht und noch nicht ein Regierungsbeschluss war. So, wie es vorgestellt wurde, brächte es mit den extremen Ostanflügen für einen Teil der Bevölkerung eine sehr grosse Belastung. Die Regierung hat dann im Nachhinein erklärt, diese Ostanflüge wolle sie nicht. Aber es ist, als ob man das nicht glauben wolle. Der politische Schaden war gross.
Also hat man Frau Fierz zum Schweigen gebracht.
Nein, man hat mir die ganze Verantwortung aufgebürdet.
Mit der Strassenplanung haben Sie die Federführung über ein Kernanliegen Ihrer Partei erhalten. Der Eindruck: Fuhrer plant, Fierz darf ausführen.
Der Entscheid wurde 1996 gefüllt. Der Regierungsrat wollte keine Verkehrsstrategie mehr, die sich auf Luft, Schiene und Strasse aufteilt, sondern eine Gesamtstrategie. Also ordnete er Strategie, Finanzierung, Mittelzuteilung das ist das eigentliche Machtthema , Verkehrsmanagement und Verkehrsrecht der Volkswirtschaftsdirektion zu, die dafür ein neues Amt aufbauen sollte. Aber während des Aufbaus wurden strategische Fragen immer wichtiger, und zuletzt hatten sämtliche Verkehrsträger bereits ihre eigene Strategie und verteidigten sie auch. Die Schwierigkeit bestand darin, diese zu verbinden, und das ging nicht über die Direktionsgrenzen hinweg. Letztlich hat die Regierung einfach nach zehn Jahren die Idee umgesetzt, dass zwischen den Verkehrsträgern nicht mehr eine Konkurrenz bestehen solle, sondern dass sie sich ergänzen.
Und das immer wieder kolportierte schlechte Klima zwischen Ihnen und Frau Fierz?
Zwischen den Verkehrsträgern gibt es immer wieder Auseinandersetzungen. Niemand fragte seinerzeit, wie das Verhältnis zwischen Volkswirtschaftsdirektor Ernst Homberger und Baudirektor Hans Hofmann war. Damals betrachtete man Auseinandersetzungen selbstverständlich als eine Strukturfrage. Bei uns siedelt man das auf der persönlichen Ebene an, und das finde ich nicht fair.
Was wollen Sie mit Ihrer neuen Macht anfangen? Gibt es eine Verschiebung vom öffentlichen zum Individualverkehr?
Nein. Es geht auch nicht um die Korrektur eines eingeschlagenen Weges. Wir haben kein Geld für neue grosse Bauten neben denen, die schon aufgegleist sind. Deshalb ist es wichtig, dass alle realisieren, dass es beides braucht, öffentlichen wie Individualverkehr, und dass beides nur im Gleichschritt realisiert werden kann.
Ihre Partei, die SVP, hat klare Erwartungen. Sie will mehr Strassen.
Eines ist klar: Wenn der Gesamtüberblick an einem Ort ist, ist die Gefahr einer einseitigen Bevorzugung weniger gross. Meine Partei hatte immer das Gefühl, der öffentliche Verkehr werde in der Regierung bevorzugt. Vielleicht hat sie jetzt den Eindruck, mit mir ergebe sich eine Gleichwertigkeit.
Schon lange wird eine neue Vorlage zu den Verkehrsabgaben versprochen. Jetzt liegt die Sache bei Ihnen, es gibt kein Hin und Her mehr zwischen den Direktionen. Wann kommt die Vorlage, und wie sieht sie aus?
Ich werde mich darum kümmern müssen. Aber wann eine Vorlage kommt, und wie sie aussieht, kann ich noch nicht sagen.
Für den Durchgangsbahnhof haben Sie sich stark eingesetzt, aber seine Finanzierung ist noch immer nicht gesichert. Muss der Kanton die 50 Millionen Franken für eine Vorfinanzierung einschiessen, damit es nicht zum Baustopp kommt?
Zu einem Baustopp kommt es sicher nicht. Der Ständerat hat ja einstimmig Ja gesagt zum Infrastrukturfonds und damit zu den 400 Millionen für den Durchgangsbahnhof. Und das, obschon nicht unbestritten ist, dass mit Strassengeldern Bahnprojekte finanziert werden. Das Problem ist nur noch, woher wir die 50 Millionen für die Arbeiten im Jahr 2007 nehmen. Doch Bundesrat Leuenberger hat versprochen, dass man eine Lösung finden werde. Wenn er die Vorfinanzierung an Zürich abschieben würde, wäre das eine eher peinliche Variante.
Zum Flughafen: Sie haben einen Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative präsentiert. Halten Sie daran fest, auch wenn das Echo sehr ernüchternd war?
Ja, manchmal braucht es für ein Geschäft auch einen etwas längeren Atem. Wir versuchen in diesem Fall etwas ganz Neues und Unerwartetes. Wir haben ein Jahr lang Zeit, uns mit diesem Gegenvorschlag zu befassen. Und vor allem: Wir gehen mit diesem Gegenvorschlag nicht auf Konfrontation weder mit der Bevölkerung noch mit den Flughafenpartnern. Unsere politische Botschaft ist: Wir kümmern uns um die Bevölkerung, die unter Fluglärm leidet. Mit dem Richtwert im Gegenvorschlag präsentieren wir ein Instrument, um genau das zu beweisen.
Wegen des Fluglärms herrscht gegenüber Regierung und Flughafen ein tiefes Misstrauen. Glauben Sie wirklich, dass Sie einen Stimmungswechsel schaffen können?
Ich erfahre zurzeit eine positive Entwicklung im Umgang der Bevölkerung und der Behörden mit dem Fluglärm. Die Aggressionen nehmen ab, die Gesprächsbereitschaft ist deutlich besser. Und vor allem: Man hört einander wieder zu. Die Leute spüren, dass der Regierungsrat eine konsequente, gesetzlich gut abgestützte Linie verfolgt.
Um die Finanzierung der Fluglärmkosten im Interesse der Hausbesitzer abzusichern, hat der Kanton mit dem Flughafen eine Lösung ausgearbeitet. Ein Knackpunkt ist allerdings, dass der Kanton einen Nachtragskredit bewilligen muss.
Ein Teil unserer Flughafenaktien muss vom Finanz ins Verwaltungsvermögen transferiert werden. Der Kanton nimmt also quasi die Aktien aus der linken und steckt sie in die rechte Hosentasche.
Und wenn SP und SVP sich zusammentun und diesen Hosensacktausch ablehnen?
Dann entscheidet der Kantonsrat gesetzeswidrig. Letztlich hat der Kanton durch diesen Tausch keinen Franken mehr oder weniger.
Unique ist alles andere als glücklich über diese Lösung. Ist ein solcher Spagat zwischen Regierungsrätin und Unique Verwaltungsrätin nicht schmerzhaft?
Als Regierungsrätin muss ich mich für die Entwicklung des Flughafens einsetzen sowie für die Bevölkerung, die vor Lärm geschützt werden will. Den gleichen Auftrag habe ich als Unique Verwaltungsrätin. Ich muss einen Spagat machen, aber in beiden Ämtern denselben. Dass ich mit der Doppelrolle umgehen kann, habe ich bewiesen, indem ich den Unique Verwaltungsrat dazu gebracht habe, einer Aktienkapitalerhöhung zuzustimmen. Unique hätte auch sagen können: Da machen wir nicht mit, der Kanton steht in der Pflicht und muss uns retten. Ein Riesenschritt war auch, den Flughafen dazu zu bringen, den Fluglärmfonds offen zu legen und die Verwendung der Gelder transparent zu machen.
Der Kanton hat voll gepowert, und der Flughafen musste sich fügen?
Wir haben beide gepowert.
Aber der Kanton hat gewonnen.
(Lacht) Sie haben gesagt, ich sei eine Powerfrau, nicht ich.
Sie haben viele neue Aufgaben übernommen und damit einen Haufen Probleme. Ist das nun der definitive, endgültige, hundertprozentige Beleg dafür, dass Sie 2007 als Volkswirtschaftsdirektorin weitermachen und andere politische Pläne zurückstecken?
Die Hauptarbeit ist nicht der Gesamtverkehr, sondern der Flughafen. Ich habe nun zwei Jahre lang viel Energie und Zeit verwendet, um Ruhe und Zuverlässigkeit gegenüber Bevölkerung, Gemeinden und Bund aufzubauen. Nun müssen wir die Lösungen. aber auch noch ausführen und das schaffe ich nicht bis Ende 2007. Ich liebe mein Amt als Regierungsrätin.
Aber Sie haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass Sie auch die nationale Politik und vor allem ein Amt im Ständerat reizt.
Die Vernetzung der Kantonsanliegen mit der Bundespolitik ist tatsächlich spannend. Eigentlich ist es schade, dass gerade die Regierungsräte der grossen Kantone aus Zeitgründen nicht in National oder Ständerat mitarbeiten können.
Nochmals konkret: Verzichten Sie definitiv auf eine Ständeratskandidatur 2007?
Sie wollen mich festnageln. Ich habe aber noch nie Nein gesagt, wenn es um meine Zukunft geht. Ich weiss ja nicht, ob ich bei den Regierungsratswahlen 2007 überhaupt wieder gewählt werde, und das ist jetzt nicht kokettiert. Die Verantwortlichen für den Flughafen erzielen selten gute Resultate. Das Thema Fluglärm wird vor den Wahlen sehr heiss gekocht werden. Ich würde doch bei einer Abwahl nicht endgültig auf die Politik verzichten wollen.
Sie haben bereits einen der schwierigsten Jobs im Kanton Zürich und laden sich nochmals ein zeitintensives Amt auf. Am 29. April treten Sie zur Wahl als Präsidentin des Schweizer Schiesssportverbands an. Geht das zeitlich überhaupt?
Ich traue mir zu, diesen Verband zu führen, ich muss ja nicht die Expertin in schiesstechnischen Fragen sein.
Schiessen hat nicht viel mit Volkswirtschaft zu tun. Planten Sie das Schützenpräsidium als Start zu einer nationalen Karriere?
Vielleicht hat sich der Schiesssportverband das so vorgestellt.
Noch eine indiskrete Frage. Haben Sie sich mit Justizdirektor Markus Notter schon abgesprochen, wer wann Bundesrat werden möchte?
Beim Kaffee haben wir uns tatsächlich schon gegenseitig geneckt mit Bundesratsplänen. Aber Markus Notter hat mir seine politische Zukunftsplanung noch nicht geöffnet und ich ihm meine auch nicht.
Tages-Anzeiger, 05.04.06, Seite 13