«Neues Fluglärmgesetz ist eine Farce» (Main-Rheiner)

Publiziert von VFSNinfo am

Verbände kritisieren Vorstoß der Bundesregierung/Ärger über gemittelte Werte für Frankfurt

BERLIN/FRANKFURT Im alten Jahr war das Fluglärmgesetz den Neuwahlen zum Opfer gefallen - jetzt hat die Bundesregierung einen neuen Anlauf unternommen. Umweltschützer vom BUND Hessen bezeichnen den Gesetzentwurf als "Farce".  

"Eine Mogelpackung können wird nicht gebrauchen", sagt die BUND-Vorstandssprecherin Brigitte Martin. Der Frankfurter Flughafen-Betreiber habe intensiv Lobby-Arbeit betrieben. Martin bezeichnet die Novelle als "Lex Fraport".

Mit dem Gesetz, das noch durch den Bundestag muss, sollen die Grenzwerte, ab denen Anwohner an Flughäfen Anspruch auf Schallschutz etwa in Form von Doppelverglasungen haben, gesenkt werden. Für die Kosten müssen die Flughafenbetreiber aufkommen.

Das Rad wird dabei freilich nicht neu erfunden; in Frankfurt existiert bereits ein umfangreiches Schallschutzprogramm. Jeder Fluggast, der von Frankfurt aus fliegt, finanziert dies mit seinem Ticketpreis mit. Ein Gutachten des Bundesumweltministeriums hatte die Kosten für Frankfurt durch das neue Gesetz zwar mit 350 Millionen Euro beziffert. "Fraport wird aber nicht zahlen müssen", behauptet Martin. "Ich glaube, dass es keinen Flughafen geben wird, der sofort etwas bezahlen muss." Kritik kommt auch vom Deutschen Fluglärmdienst (DFLD) - ein Verein, der unabhängig von den Flughäfen eigene Messungen macht. "Das Gesetz schützt den Fluglärm und nicht die betroffenen Menschen." Die Werte aus der Mediation - das dem Flughafenausbau vorgeschaltete Verfahren - seien der neuen Gesetzgebung zum Opfer gefallen. "Ein Freibrief für den Flughafenausbau in Frankfurt", so der DFLD.

Was Umweltschützern die Zornesadern anschwellen lässt, ist ein Passus im geplanten Gesetz, bei dem es um die unterschiedlichen Betriebsrichtungen geht. In einem durchschnittlichem Jahr herrschen am Frankfurter Flughafen an drei Viertel der Tage Westbetrieb und zu 25 Prozent Ostbetrieb - je nach Windrichtung. Anflüge aus Richtung Mainz und Raunheim werden im neuen Gesetz nicht als absolut berechnet, sondern gemittelt. Kritische Verbände wie der BUND fordern deshalb die "100 zu 100-Regelung". Die Mainzer Werte müssten damit als 100 Prozent angesetzt werden. Auch eine zeitliche Staffelung lehnen die Umweltschützer ab: Denn erst ab dem Jahr 2011 sollen bei den Nacht-Grenzwerten die strengeren Vorgaben gelten. "Es ist offensichtlich, dass hier nicht der Schutz der Gesundheit, sondern von Fraport im Vordergrund steht", ärgert sich Martin. (Main-Rheiner, 02.02.06)




Eine veraltete Methode

Markus Lachmann zur Lärmnovelle

Drückt man eine Spielzeugpistole mit Platzpatronen in der Nähe eines Ohres ab, so kann der laute Knall schlimmste Folgen haben. Rechnet man den Dezibelwert auf den ganzen Tag um, dann ist er derart niedrig, dass dem Ohr nie und nimmer etwas passiert sein könnte. Theoretisch. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie paradox es in deutschen Gesetzen zugeht - auch im Fluglärmgesetz, das jetzt novelliert werden soll. Das Papier basiert auf veralteten Methoden, wie Lärm zu messen ist. Sie stammen aus den 60er Jahren, als es darum ging, Maschinenlärm in Betrieben darzustellen. Dieser ist sehr gleichmäßig und kann entsprechend auf einen ganzen Tag umgerechnet werden - um einen lauten Jumbojet zu beurteilen, ist diese Rechenmethode jedoch gänzlich ungeeignet. Nicht nur deshalb kommen sich manche Menschen im Rhein-Main-Gebiet verschaukelt vor. Denn die Vorgehensweise, Überflüge etwa über Mainzer, Rüsselsheimer und Raunheimer Stadtgebiet nicht als absolut für das ganze Jahr anzusetzen, ist eine Zumutung. Wer in der Nacht wegen eines Flugzeugs aufwacht, fragt sich nicht, wie es ihm wohl über das ganze Jahr verteilt geht. Ob sich das Fluglärm-Gesetz für die Region überhaupt positiv auswirkt, sei deshalb dahingestellt. So kommt ein Dauerschallpegel von 65 Dezibel, wie er im Gesetz beschrieben ist, außerhalb des Flughafens überhaupt nicht vor. Gleichwohl macht es jetzt keinen Sinn, die Fluglärmnovelle in Bausch und Bogen zu verdammen. Sicherlich ist es begrüßenswert, dass die alte Regelung entstaubt wird, die noch aus dem Jahr 1971 stammt. Die Lärmwerte, ab denen es für Flughafen-Anwohner Anspruch auf Schallschutz gibt, werden gesenkt, zudem erstmals Nachtschutzzonen eingerichtet. Die Bundestagsabgeordneten müssen jetzt dafür sorgen, dass das Gesetz nicht noch weiter verwässert wird. Es geht nicht um wirtschaftliche Interessen, es geht um die Gesundheit der Bürger. (Main-Rheiner, 02.02.06)




Information der Bundesregierung:

Mehr Schutz vor Fluglärm 

Die Neufassung des Gesetzes zum Schutz vor Fluglärm ist ein wichtiger Schritt zur Vermindeurng der Lärmbelastung. Die Modernisierung des über 30 Jahre alten Fluglärmgesetzes ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Die Bundesregierung hat am 1. Februar das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen beschlossen. Die Notwendigkeit, das Gesetz zu modernisieren, ist angesichts der Lärmprobleme im Umland größerer ziviler und militärischer Flugplätze unumstritten.
Fluglärm beeinträchtigt die Lebensqualität
Einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge fühlen sich über 30 Prozent der Bevölkerung durch Fluglärm belästigt. Folgen der Lärmbelästigungen sind vor allem Kommunikationsprobleme, Beeinträchtigungen bei der Arbeit und Schlafstörungen.
Mit einer Reduzierung des Fluglärms könnte die Belastung vermindert werden und lärmbedingten Erkrankungen weitgehend vorgebeugt werden.
Novellierung des Fluglärmgesetzes
Diesen und anderen Erkenntnissen der aktuellen Lärmwirkungsforschung entspricht das derzeit gültige Fluglärmgesetz nicht. Es stammt aus dem Jahr 1971 und blieb seither nahezu unverändert. Es ist damit keine zeitgemäße Grundlage, um die Siedlungsentwicklung im Umland der größeren Flugplätze im Sinne des Lärmschutzes zu steuern. 
Auch konnte es künftige Konflikte wegen Lärm nicht vermeiden. Das alte Gesetzt enthält auch keine Vorschriften, um Ansprüche von betroffenen Flugplatzanwohnern auf passiven Schallschutz festzusetzen. Diese wichtigen Zielsetzungen hat die Bundesregierung mit der Modernisierung des Gesetzes eingelöst.
Das neue Gesetz umfasst vor allem folgende Regelungen:

  • Absenkung der maßgeblichen Grenzwerte und Modernisierung des Verfahrens für die Berechnung der Lärmbelastung
  • Differenzierung bei den Grenzwerten zwischen bestehenden und neuen Flugplätzen sowie zwischen zivilen und militärischen Flugplätzen.
  • Einrichtung einer Nacht-Schutzzone mit niedrigeren Grenzwerten innerhalb des Lärmschutzbereiches für Flugplätze mit Nachtflugbetrieb.
  • Finanzierung erforderlicher baulicher Schallschutzmaßnahmen an bereits bestehenden Wohnungen durch den Flugplatzbetreiber in hochbelasteten Bereichen.
  • Einschränkung des Neubaus von Wohnungen außerhalb geschlossener Siedlungsbereiche und die Errichtung von sonstigen schutzbedürftigen Einrichtungen im näheren Flugplatzumland.


Insgesamt verbessert das neue Gesetz die Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten. Der Schutz der Betroffenen wird spürbar ausgedehnt. Die Akzeptanz des Luftverkehrs wird gesichert, die erforderlichen Freiräume um die Flughäfen werden gewährleistet. Damit trägt die Bundesregierung auch den wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven des Luftverkehrs in Deutschland Rechnung. (Bundesregierung 01.02.06)