Die Zahl der abendlichen Anflüge über dem Süden des Flughafens Zürich nimmt stark zu. Der Grund dafür sei das schlechte Wetter und nicht Sicherheitsbedenken gegen den alternativen Ostanflug, sagt das Bundesamt für Zivilluftfahrt.
Francesco Benini
Eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Schweiz wird immer häufiger nicht nur frühmorgens, sondern auch abends überflogen. Seit November 2005 haben die abendlichen Südanflüge auf den Flughafen Zürich im Vergleich zur Vorjahresperiode um 30 Prozent zugenommen. Flughafensprecher Marc Rauch erklärt auf Anfrage, dass zwischen dem 1. November 2005 und dem 25. Januar dieses Jahres 1081 Südanflüge nach 20 Uhr stattgefunden hätten. Im Vorjahr waren es 829 gewesen.
Besonders stark ist die Zunahme im neuen Jahr. Vom 1. bis zum 25. Januar 2006 war die Südregion des Flughafens an 13 Abenden Fluglärm ausgesetzt; im Vorjahr hatte man nur 3 lärmige Abende gezählt. «Viele Bewohner der Region wollen von mir wissen, was denn da los ist», sagt Thomas Morf, Präsident des Vereins «Flugschneise Süd - Nein». Besonders schlimm sei die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr gewesen, als zum Teil bis kurz vor Mitternacht und dann wieder ab 6 Uhr morgens geflogen worden sei. Vom 23. bis zum 28. Dezember sowie an Silvester fanden Südanflüge statt.
Weniger Ostanflüge
Thomas Morf vermutet, dass der Flughafen Zürich und die Flugsicherung Skyguide schneller von Ost- auf Südanflug umstellen als früher, um die Flugkapazität zu steigern. Aufgrund der von Deutschland verhängten Sperrzeiten kann der Flughafen Zürich werktags ab 21 Uhr und an den Wochenenden ab 20 Uhr nicht von Norden her angeflogen werden. Für abendliche Landungen vorgesehen ist darum der Ostanflug. Die Piste 28 verfügt aber noch über kein Instrumentenlandesystem (ILS) und ist zudem nur 2500 Meter lang, was bei Regen Landungen schwerer Maschinen unmöglich macht. Bei schlechtem Wetter erfolgen die Landungen folglich aus südlicher Richtung; die Piste 34 ist mit einem ILS ausgestattet und bietet mit 3700 Metern Länge viel mehr Platz für den Bremsweg schwerer Flugzeuge.
Warum die massive Zunahme von Südanflügen? Flughafensprecher Marc Rauch verweist zum einen auf Wetterbedingungen wie Nebel, der den Ostanflug oft verhindere. Zum andern seien dank grösserer Erfahrung bei guten Bedingungen bis zu 28 Südanflüge pro Stunde möglich und nicht mehr nur 18 bis 22 wie bei der Einführung dieses Anflugs im Herbst 2003. Daniel Göring, Sprecher des Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL), erklärt, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass andere Faktoren als die Wetterbedingungen die Zunahme der Südanflüge verursachten. Auf die Frage, ob neu aufgetauchte Bedenken bezüglich der Sicherheit des Ostanflugs zu einer verstärkten Anwendung des Südanflugs führten, antwortet Göring: «Davon ist mir nichts bekannt.» Er bestätigt allerdings einen Zwischenfall vom Januar 2005: Ein Flugzeug kam nach einem Ostanflug auf der Piste 28 nur wenige Meter vor dem Pistenende zum Stillstand. Die Piste 28 erfüllt zwar die Vorschriften der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, nicht aber deren Empfehlungen. Für die empfohlene Länge der Sicherheitszone von 300 Metern im Anschluss an die Piste wäre die Aufschüttung des Flussgrabens der Glatt nötig. Laut Daniel Göring ist das Bundesamt für Zivilluftfahrt derzeit daran, die Sicherheit der bestehenden Zone noch einmal gründlich zu analysieren; vor dem Abschluss der Analyse gebe es sicher keine Änderung im Zusammenhang mit der Sicherheitszone.
Durchbruch im März?
Der Flughafen Zürich kündigte im Herbst 2004 an, es sei im Durchschnitt an rund einem Viertel der Herbst- und Wintertage mit abendlichen Südanflügen zu rechnen. Seit dem November 2005 liegt die Quote nun bei fast 40 Prozent. Eine Änderung der Situation ist einerseits mit der Inbetriebnahme des Instrumentenlandesystems auf der Piste 28 - und der daraus resultierenden Zunahme der Ostanflüge - zu erwarten. Wegen Einsprachen steht jedoch nicht fest, ob das System wie geplant im kommenden Herbst seine Funktion aufnehmen kann.
Eine Lärmentlastung erwartet sich die bevölkerungsreiche Südregion anderseits vor allem von den Gesprächen zwischen Deutschland und der Schweiz über ein neues Anflugregime für den Flughafen Zürich. Im März 2005 hiess es, dass die Gespräche «binnen Jahresfrist» zu Lösungen führen sollten. Alexandra Brothan, Sprecherin des deutschen Verkehrsministeriums, erklärt, man halte trotz dem Regierungswechsel in Berlin an diesem Fahrplan fest. Auf Fachebene seien die Gespräche zwischen den beiden Ländern auch während der Änderungen auf deutscher Seite fortgeführt worden.