Baden-württembergisches Verwaltungsgericht gibt Zürcher Gemeinden wenig Anlass zu Hoffnungen
Das baden-württembergische Verwaltungsgericht hält die zusätzliche Belastung der Zürcher Bevölkerung durch die deutschen Anflug-Beschränkungen für ein innerschweizerisches Problem. Deshalb haben die Klagen der Städte Kloten und Zürich sowie der Gemeinden Zumikon und Zollikon geringe Chancen. Das Urteil wird am Dienstag verkündet.
«Es ist ein Entscheid der Schweizer Behörden, der Bevölkerung diese zusätzliche Belastung zuzumuten», sagte Richter Karl-Heinz Schenk an der gestrigen Verhandlung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in Mannheim. Damit umriss er die Haltung des dreiköpfigen Gremiums gegenüber den Klagen von vier Schweizer Gemeinden. Dass handstreichartig zusätzliche Ost- und neu Südanflüge auf den Flughafen Zürich eingeführt worden sind, habe nicht direkt mit den deutschen Anflug-Beschränkungen (DVO) zu tun. Es handle sich dabei um ein innerschweizerisches Problem. Folglich sei der angeklagte deutsche Staat auch nicht verantwortlich für die daraus erwachsenden Probleme, sagte der Vorsitzende des achten Senats des VGH, Klaus-Jürgen Stumpe, sinngemäss. Mit ihren Problemen müssten die Kläger deshalb eher an Schweizer Gerichte gelangen.
Viel Verständnis der Richter für Beklagte
Damit war den Klagen der Stadt Kloten einerseits sowie Zürich, Zollikon und Zumikon andererseits der Wind aus den Segeln genommen worden, bevor die Verhandlung überhaupt richtig begonnen hatte. Auch die engagiert vorgetragenen Plädoyers der Behördenvertreter, welche die Auswirkungen der höheren Lärmbelastung drastisch schilderten, liefen vor diesem Hintergrund etwas ins Leere. Sie berichteten von entwerteten Immobilien und vom Flugzeugabsturz in Bassersdorf. Sie beschrieben Lärmimmissionen, die jeden Morgen achtzig Prozent der Bevölkerung weckten, und brachten Bilder von tief fliegenden Maschinen über ihren Dächern mit.
All das half wenig: «Wenn Sie einen Flughafen wollen, haben Sie Lärm», sagte Richter Schenk ungerührt, und beim Flugzeugabsturz in Bassersdorf sei seines Wissens nicht die DVO, sondern ein Pilotenfehler die Ursache gewesen. Angesichts von derart viel richterlichem Verständnis für seine Sache brauchte der Anwalt der beklagten Bundesrepublik kaum ins Geschehen einzugreifen. Er beschränkte sich weitgehend darauf, die Wachstumspläne des Flughafens Zürich anzuprangern und an die Verfehlungen der Schweizer Seite in den letzten 20 Jahren zu erinnern. Die DVO sei eine logische Folge davon, dass sich die Schweiz nie an die 1984 vereinbarten Zahlen für den Nordanflug gehalten habe, sagte Anwalt Tobias Masing. Auch betonte er, dass weiterhin 80 Prozent der Anflüge auf Zürich über deutsches Gebiet führten. - Etwas Mitgefühl erhielten die Schweizer Kläger von Seiten des Gerichtsvorsitzenden dann schliesslich doch noch. «Sie tun mir leid», sagte Klaus-Jürgen Stumpe, «Sie werden ständig von in- und ausländischen Gerichten hin und her gereicht.»
Die Behördenvertreter aus der Schweiz trugen die nicht ausgesprochen neutrale Haltung des Gerichts mit Fassung. «Wir haben gewusst, dass es ein schwerer Gang wird», sagte der Zumiker Gemeinderat Gaston Guex. Er habe sich trotzdem fair behandelt gefühlt und sei beeindruckt gewesen, mit welcher Detailkenntnis des Problems die Richter ausgestattet seien. Auch Marie- Therese Büsser, Sekretärin des Stadtzürcher Departements für Gesundheit und Umwelt, zeigte sich zufrieden mit der «fundierten Diskussion». Die Meinungen seien zwar vorgefasst gewesen, sie hoffe jetzt aber, dass den Anträgen der Kläger auf eine vertiefte Prüfung der Lärmsituation stattgegeben werde. Den Osten vertraten der Klotener Stadtrat Peter Seiler und der Nürensdorfer Gemeindepräsident Franz Brunner. Beide rechnen sich nur geringe Erfolgschancen aus für die Schweizer Klagen. Die Urteilsverkündung ist auf kommenden Dienstag angekündet.
Prozess am EuGH mit Zusatz-Schlaufe
Neben den Klagen der Zürcher Gemeinden in Mannheim sind im Zusammenhang mit der DVO zwei weitere Verfahren von Schweizer Institutionen hängig. Im vergangenen Mai hat das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig Klagen von Unique und Swiss gegen die deutschen Anflug- Beschränkungen in puncto nationaler Gesetzgebung und Völkerrecht abgewiesen. Bezüglich einer allfälligen Verletzung von EU-Richtlinien will das BVG den Entscheid im hängigen Diskriminierungs-Verfahren der Eidgenossenschaft am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg abwarten. Mit einem Urteil ist dort laut Prozessbeteiligten frühestens Ende Jahr zu rechnen. Wahrscheinlich dürfte es aber bis zu einem definitiven Urteil noch länger dauern. Der EuGH hat nämlich beschlossen, das Verfahren zunächst an seine Vorinstanz, das Europäische Gericht (EuG), überzuleiten. Dessen Urteil kann dann noch an den EuGH weitergezogen werden.