«Aviatisches Wachstum ist eine Chance» (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am


Der Preis einer suboptimalen Flughafenausnutzung

Von Franz Jaeger*

Die Zürcher Stimmbürger werden in absehbarer Zeit über eine Plafonierung der Bewegungen am Flughafen Zürich zu befinden haben. Der Autor dieses Artikels befasst sich mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer allfälligen Begrenzung und stellt diesen die Vorteile einer ungehinderten Flughafenentwicklung gegenüber.

Die Zivilluftfahrt ist mittlerweile weltweit zu einer volkswirtschaftlich hoch relevanten Wachstumsbranche geworden. (Golf-)Kriege, Terrorismusanschläge, Erdölschocks und Seuchen sorgen schlechtestenfalls noch für vorübergehende Nachfrageeinbrüche. In der langfristigen Perspektive wird das Flugzeug als Verkehrs- und Transportmittel jedoch ständig beliebter. Entsprechend steigen die Marktvolumina. Das zeigen auch Studien von Airbus und Boeing. Eine neue Nachfrageprognose im Auftrag des Bundes weist mit Blick auf die künftige Entwicklung der Luftverkehrsnachfrage in der Schweiz ebenfalls zusätzliches Wachstumspotenzial aus.

Vor diesem Hintergrund stösst der Flughafen Zürich unweigerlich an seine Kapazitätsgrenzen. Nun darf natürlich durchaus die politische Frage aufgeworfen werden, ob es in Anbetracht der Immissionsfolgekosten für die im Einzugsgebiet des Flughafens wohnhafte Bevölkerung volkswirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist, das aviatische Mobilitätsangebot entsprechend der absehbaren Entwicklung zu erhöhen. Auf der anderen Seite müssen allerdings auch die volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten einer allfälligen Beschränkung des Flughafenbetriebs in Rechnung gestellt werden, zumal diese nicht nur Teile, sondern die gesamte Wohnbevölkerung der Schweiz betreffen.

Wertschöpfung von 20 Milliarden Franken

Eine Begrenzung des Flughafenausbaus beziehungsweise des Flugverkehrs behindert neben der Reisemobilität auch das schweizerische Wirtschaftswachstum. Hier gilt es, endlich klare Sichtverhältnisse zu schaffen: Immerhin geht es um die Befriedigung von global und gesamtschweizerisch steigenden touristischen und geschäftlichen Bedürfnissen. Zum anderen wird rund ein Drittel des gesamten schweizerischen Luftverkehrsaufkommens im Grossraum Zürich nachgefragt, was einen beeindruckenden Beitrag an die nationale Wertschöpfung aus der Region um den Flughafen Zürich generiert: Gesamtschweizerisch geht es um rund 5% des BIP (rund 20 Milliarden Franken) und integral um gegen 160 000 Arbeitsplätze.

Somit lautet also die Frage letztlich, inwieweit die Schweiz am Wachstum der Weltwirtschaft in Zukunft noch teilhaben will. Mit einer proaktiven Partizipation am weltweiten Wettbewerb sichern Schweizer Unternehmen nicht nur inländische Arbeitsplätze vor ausländischer Konkurrenz, sondern sie schaffen hierzulande noch zusätzliche Beschäftigung. Andererseits werden asiatische oder US-amerikanische Firmen den Investitionsstandort Schweiz meiden, wenn dessen Anbindung an die weltweiten Handelszentren via Flughafen nicht mehr garantiert sein wird.

Ungenügende Flughafenkapazitäten und mangelhafte Verkehrsanbindung an die globale Handelswelt könnten den Standort Schweiz für europäische Firmensitze in hohem Masse schwächen. Damit würden wir einen unserer stärksten Trümpfe im weltweiten Standortwettbewerb über Bord werfen. Das wiederum wirkte sich nicht nur negativ auf die Konsum- und Investitionsausgaben im Inland aus, sondern würde zudem (als indirekte Folge) auch Arbeitsplätze schweizerischer Zulieferfirmen vernichten.

Mehr Schweizer Investitionen im Ausland

Eine überaus wichtige Rolle spielen ferner die von schweizerischen Unternehmen im Ausland getätigten Direktinvestitionen. Schweizer Firmen investieren nur im Ausland, wenn sie ihre Auslandstandorte verkehrstechnisch optimal erreichen können. Nur unter solchen Bedingungen schaffen sie es, sich auf neuen Absatzmärkten im Ausland, welche vor Ort bedient werden müssen, optimal zu etablieren. Schweizerische Direktinvestitionen im Ausland garantieren somit nicht nur einen regen Personenverkehr durch die Luft, sondern auch einen wachstumsförderlichen Know-how-Austausch mit dem Heimatland. Dabei werden hochwertige Wertschöpfungsprozesse und administrative Aufgaben weiterhin am Hauptsitz erledigt, was im Inland zusätzliches BIP und Arbeitsplätze entstehen lässt. Des Weiteren werden zusätzliche Zulieferer-Leistungen oder Vorprodukte aus dem Inland geordert, was wiederum die schweizerischen Exporte ansteigen lässt und damit die einheimische Beschäftigung positiv beeinflusst.

Die ökonomischen Auswirkungen eines künftigen aviatischen Mobilitätswachstums stellen für den Standort Schweiz eine beträchtliche Chance dar. Die positiven Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte, die von einer optimalen Anpassung der Netzinfrastruktur des Flughafens Zürich sowie deren gesetzlichen Rahmenbedingungen auf die Agglomeration Zürich im weitesten Sinne ausgehen, sind von nationaler Bedeutung. Diese wachstumsökonomische Schubkraft gilt es auszunützen.

* Prof. Franz Jaeger ist Leiter des Forschungsinstituts für Empirische Ökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität St. Gallen.

E-Mail franz.jaeger@unisg.ch

NZZ, 29.12.05



siehe auch
Leserbriefe: Gegen maximale Flughafennutzung (NZZ)