Von Daniel Zumoberhaus
Zürich. - Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer präsentierte am Freitag den Gegenvorschlag zur Flugbeschränkungs-Initiative. Darin vorgesehen ist ein Richtwert, der statt die Zahl der An- und Abflüge zu plafonieren die Zahl der Personen beschränken soll, die unter dem Fluglärm leiden. Dieser Wert muss noch berechnet werden. Als Ausgangslage soll die Zahl an stark Lärmgestörten aus dem Jahr 2000 dienen (TA vom Samstag). Die Grundlage bildet die bereits 1998 publizierte Untersuchung «Belastung der Bevölkerung durch Flug- und Strassenlärm» von Carl Oliva.
Nur: Der Soziologe wusste nichts davon. «Ich war sehr überrascht, als ich davon hörte. Es gibt heute doch viel genauere Angaben für die Bestimmung des Richtwerts, der die Betroffenheit von lärmgeplagten Menschen rund um den Flughafen misst», sagte Oliva gestern. Sowohl gegenüber der NZZ vom Samstag wie auch der «SonntagsZeitung» äusserte er Bedenken und liess verlauten, dass die Studie statistisch zu ungenau sei und Prognosenfehlern Tür und Tor öffne. «Die Aussage über die Lärmopfer wird bis zu 80 Prozent falsch sein», liess sich der Soziologe gar zitieren.
Nun hat Oliva gestern mit Regierungsrätin Fuhrer gesprochen, um «die Probleme auf den Tisch zu legen und Missverständnisse aus dem Weg zu räumen». Offenbar ist dies geglückt, denn Oliva wird bei der Berechnung des neuen Richtwerts als Berater beigezogen - neben Robert Hofmann, einem in Lärmfragen anerkannten Experten.
Kritik auch aus Deutschland
Die Zürcher Regierung reagierte anschliessend mit einem Communiqué zur Präzisierung und Klärung der Missverständnisse. «Carl Oliva bestätigt, dass seine wissenschaftlich anerkannte Studie als Grundlage für den vom Regierungsrat vorgestellten Richtwert geeignet ist.»
Doch nicht alle erreichte diese Information rechtzeitig. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter ist entrüstet und zweifelt an der Seriosität der Zürcher Regierung bei der Lösung des Fluglärmproblems. Ebenfalls wegen der Kritik an der Studie, die «eine völlig andere Fragestellung zum Inhalt hatte und deren Ergebnisse einfach umgerechnet wurden», heisst es in einer Mitteilung. «Wenn Frau Fuhrer dann im Schweizer Fernsehen davon spricht, dass der Richtwert unabhängig von Grenzen angewendet werden soll, verkennt sie die Realität», so Schwarzelühr-Sutter. Das bedeute im Klartext, dass alle Bürgerinnen und Bürger im Norden des Flughafens in Zukunft stärker belastet werden und die Belastungen des Ausbaus des Flughafens tragen sollen. «Die Zürcher Regierung scheint die deutsche Rechtsverordnung völlig zu ignorieren. Das werde ich so nicht hinnehmen und in Berlin thematisieren», erklärt die Politikerin aus Waldshut-Tiengen. (TA, 09.01.06)