Rechtsprofessor Tobias Jaag kritisiert die Situation rund um den Flughafen als «rechtlich unbefriedigend».
«Fluglärm und Recht» heisst der Aufsatz lapidar. «Fluglärm und Unrecht» hätte Tobias Jaag auch titeln können. Für den Rechtsprofessor der Universität Zürich ist die Situation um den Flughafen «nicht nur politisch, sondern auch rechtlich äusserst unbefriedigend». Sie verstosse gegen planungsrechtliche Vorgaben und missachte die Anliegen des Lärmschutzes.
Jaag analysiert auf zehn Seiten, welche Rechtsbereiche rund um den Flughafen tangiert sind:
- Raumplanungsrecht: Es soll die raumwirksamen Tätigkeiten koordinieren und hat unter anderem «wohnliche Siedlungen und die räumlichen Voraussetzungen für dieWirtschaft» zum Ziel. Diese Aufgaben habe das Recht nicht erfüllt: «Trotz der starken Belastung mit Fluglärm hat sich die Flughafenregion massiv baulich entwickelt.» Jaag spricht von einer «raumplanerischen Fehlentwicklung». Raumplanung dürfe nicht an der Landesgrenze Halt machen. Deshalb solle die Nordausrichtung wieder hergestellt werden.
- Umweltrecht: Darin sind unter anderem die Lärmgrenzwerte festgehalten, die in Flughafennähe teilweise stark überschritten werden. Dies sei aber rechtens, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse vorhanden ist. Die Raumplanung, nicht das Umweltrecht, müsse übermässige Lärmbelastung von Wohngebieten fern halten, schreibt Jaag.
- Völkerrecht: Dass die einseitigen deutschen Massnahmen zu Lasten des Flughafens Zürich gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstossen, ist für Jaag offensichtlich. Aufgrund internationaler Abkommen hätten alle Flugzeuge, die in Kloten starten und landen, Anspruch darauf, deutsches Staatsgebiet zu überfliegen. Sonderregelungen für grenznahe Flughäfen gebe es nicht. Die Klage der Schweiz vor dem Gerichtshof der EU ist allerdings noch hängig.
- Eigentumsrecht: Das Bundesgericht hat entschieden, dass die übermässigen Immissionen ab dem 1. Januar 1961 vorhersehbar gewesen sind. Wer später eine Liegenschaft gekauft hat, hat keinen Anspruch auf Entschädigung. Für Jaag ist aber klar, dass der Fluglärm in jenen Gebieten, die von den neuen An und Abflugrouten betroffen sind, nicht vorhersehbar war. Das Bundesgericht wird darüber entscheiden.
Jaag schaut nicht optimistisch in die Zukunft: «Eine Verbesserung der Situation ist nicht absehbar.» Er fordert dringend Rechtssicherheit: «Die Tatsache, dass keine Lösung zu finden sein wird, welche alle Anwohner in der weiteren Region des Flughafens vor Lärm schützt, darf nicht dazu führen, dass keine Entscheide gefällt werden.» Einer davon wird auch das Volk fällen, wenn es über die Volksinitiative «für eine realistische Flughafenpolitik» abstimmt. Sie fordert eine Begrenzung der Flugbewegungen bei 250 000 jährlich und eine Nachtruhe von neun Stunden. Morgen wird der Regierungsrat zur Initiative Stellung nehmen. (Landbote, 05.01.06)
Fluglärm und Recht
In: Schweizerisches Zentralblatt für Staats und Verwaltungsrecht, Ausgabe vom Oktober 2005.