Ist die Initiative vereinbar mit Gesetzen und Abkommen?
Der Bund klärt derzeit ab, ob die kantonale Volksinitiative zur Plafonierung der Bewegungen am Flughafen Zürich nationale Erlasse und internationale Abkommen tangiert. Die Initianten sind überzeugt, dass ihr Vorhaben rechtlich einwandfrei ist.
Während die Zürcher Exekutive noch um einen Positionsbezug ringt, macht man sich an anderer Stelle bereits Gedanken über die Auswirkungen im Falle einer Zustimmung. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) klärt ab, ob die von der Initiative geforderten Begrenzungen überhaupt mit bestehendem Recht vereinbar sind. Ergebnisse lägen noch keine vor, sagte BAZL-Sprecher Daniel Göring auf Anfrage. Er spielt den Ball gleich weiter. Zunächst müsste einmal die Zürcher Regierung erklären, wie sie sich im Falle einer Zustimmung zum Vorhaben verhalten würde. Göring spielt damit auf den relativ offen formulierten Initiativtext an. Dieser lautet wie folgt:
Der Kanton Zürich wirkt, insbesondere im Bund, darauf hin, dass der Flughafen Zürich in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der von Flugemissionen betroffenen Wohnbevölkerung betrieben wird. Namentlich darf die jährliche Zahl von Flugbewegungen des Flughafens 250 000 nicht überschreiten und die Nachtflugsperre nicht weniger als neun Stunden betragen.
Dem Regierungsrat, der seine Pläne mit der bevorstehenden Stellungnahme wird auf den Tisch legen müssen, bleibt also relativ viel Handlungsspielraum bezüglich der Art des Hinwirkens. Genau diese Unverbindlichkeit der Formulierung hat erst das Zustandekommen der Initiative ermöglicht. Hätte das Initiativkomitee konkrete Schritte wie den Erlass eines Gesetzes für eine längere Nachtruhe gefordert, wäre die Initiative für ungültig erklärt worden. Luftfahrtpolitik ist Bundessache, und kein Kanton kann auf eigene Faust verpflichtendes Recht in diesem Bereich einführen.
Einmal angenommen, dass sich die Zürcher Regierung nach einer allfälligen Zustimmung für die genannten Limiten aussprechen würde, müsste das BAZL das Ansinnen auf Widersprüche zum internationalen Recht überprüfen (insbesondere zum Chicagoer Übereinkommen von 1944 und zum Recht der EU). Die Schweiz ist seit Inkrafttreten des Luftverkehrsabkommen mit der EU 2002 an die Bestimmungen über den Zugang zum europäischen Luftraum gebunden. Primär geht es um die Frage, ob die Beschränkungen, welche die Initiative vorsieht, den Zugang einschränken, den die Schweiz ihren Vertragspartnern eingeräumt hat. Sowohl die bilateralen Abkommen mit über 130 Ländern als auch das EU-Luftverkehrsabkommen könnten verletzt sein, wenn den ausländischen Gesellschaften wegen einer Plafonierung die vereinbarten Flüge von und nach Zürich nicht mehr gewährt werden könnten.
Im Inland stehen bei der Überprüfung der Konformität das Luftfahrtgesetz (LFG) und die Verordnung Infrastruktur der Luftfahrt (VIL) im Vordergrund. In Artikel 36a des LFG ist der sogenannte Zulassungszwang des Flughafens verankert. «Der Konzessionär ist verpflichtet, den Flughafen unter Vorbehalt der im Betriebsreglement festgelegten Einschränkungen für alle Luftfahrzeuge im nationalen und internationalen Verkehr zur Verfügung zu stellen», heisst es dort. Würde die von der Initiative geforderte Limitierung gelten, wären schon 2004 gegen 20 000 Bewegungen nicht mehr möglich gewesen. Um die Initiative umzusetzen und gleichzeitig die Vorgaben des LFG einzuhalten, müsste also zunächst das Betriebsreglement geändert werden. Änderungen darf das BAZL jedoch nur genehmigen, wenn sie nicht internationalem Recht widersprechen. Probleme zeichnen sich auch bezüglich der geforderten Nachtflugsperre ab. In der VIL steht im Artikel 39a, dass Starts bei den Landesflughäfen Zürich und Genf lediglich zwischen 24 und 6 Uhr, und nicht, wie von den Initianten gefordert, zwischen 22 und 7 Uhr verboten sind.
Initianten könnten mit 320 000 lebenDie Initianten sind überzeugt, dass ihr Vorhaben rechtlich den Ansprüchen genügt. Beim Verfassen des Texts habe man sich an den Erfahrungen der Kantone Baselland, Basel-Stadt und Genf orientiert, die Ende der achtziger Jahre mit sogenannten Oppositionsartikeln erfolgreich kantonale Anliegen in die nationale Energiepolitik einbrachten. Eine erste Bestätigung habe man mit der Gültigerklärung der Initiative erhalten. Ruedi Lais, Mitglied des Initiativkomitees und SP-Kantonsrat aus Wallisellen, liess im Übrigen durchblicken, dass ein Gegenvorschlag mit 320 000 Bewegungen den Initianten nicht ungelegen käme. Er zweifelt auch nicht daran, dass dafür eine Mehrheit im Kantonsrat zu finden wäre: «Der Rat hat dieser Zahl bereits vor den letzten Wahlen zugestimmt, und die Tendenz zu unseren Gunsten hat sich durch den Wahlausgang verstärkt.»
Wer in der Zürcher Flughafenpolitik was zu sagen hatark. Die Flughafenpolitik ist schwer durchschaubar, da die Zuständigkeiten und die Befugnisse zu Entscheiden bei verschiedenen Institutionen angesiedelt sind. Nachfolgend eine Übersicht zu den Kompetenzen in den wichtigsten Punkten:
Rahmenbedingungen: Wichtigste internationale Regelwerke sind das 1944 unterzeichnete und mehrmals erweiterte Chicagoer Übereinkommen aus dem Jahr 1944 und auf europäischer Ebene die Verordnungen für den liberalisierten EU-Binnenmarkt, zu dem seit 2002 auch die Schweiz gehört. Da sich sämtliche Schweizer Flughäfen nahe der Grenze befinden, hat das Auskommen mit den Nachbarländern grosse Bedeutung. Sehr deutlich zeigt sich dies an der von Deutschland verhängten einseitigen Verordnung (DVO), die grossen Einfluss auf den Flugbetrieb in Zürich hat. Auf eidgenössischer Ebene sind die wichtigsten Erlasse das Luftfahrtgesetz und die Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL). Auf kantonaler Ebene regelt das Flughafengesetz die Rechte und Pflichten von Flughafenbetreiberin und Kanton.
Raumplanung: Für die Raumplanung rund um den Flughafen Zürich sind Bund, Kanton und Gemeinden zuständig. Die grosse Linie gibt der Bund mit dem Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) vor. Der SIL wird abschliessend vom Bundesrat in Kraft gesetzt. Es sind keine Beschwerden möglich. Der kantonale Richtplan ist dem SIL rechtlich gleichgestellt. Allerdings hat der Bundesrat auch hier das letzte Wort, denn er muss die kantonalen Richtpläne gutheissen. Die Raumplanung der Gemeinden wiederum muss sich am kantonalen Richtplan orientieren.
Konzession: Die Konzession für den Betrieb des Flughafens erteilt das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Der Flughafen Zürich erhielt im Juni 2001 eine neue Konzession für die Dauer von 50 Jahren. Die Konzession stellt lediglich sicher, dass der Flughafen betrieben werden kann. Die Organisation wird im Betriebsreglement festgeschrieben.
Betriebsreglement: Darin sind Betriebszeiten, An- und Abflugverfahren, Pistenbenützung, Umweltmassnahmen und allfällige Beschränkungen (Nachtflugverbot, Plafonierung) geregelt. Es muss sich im Rahmen der vom SIL-Objektblatt vorgegebenen Eckwerte bewegen. Es wird von der Flughafenbetreiberin verfasst und vom BAZL in den betroffenen Gemeinden öffentlich aufgelegt sowie dann ganz oder teilweise genehmigt. Die Genehmigung kann vor der eidgenössischen Rekurskommission Inum und dem Bundesgericht angefochten werden.
Änderungen am Pistensystem: Das UVEK beurteilt sämtliche baulichen Veränderungen im Flughafenareal aufgrund eines Gesuchs der Flughafen Zürich AG (für Beschwerden gilt der gleiche Instanzenweg wie für das Betriebsreglement). Projekte für Änderungen am Pistensystem werden gemäss kantonalem Flughafengesetz zuerst dem Kantonsrat vorgelegt. Er muss seine Entscheide zwingend in referendumsfähiger Form fällen. Somit hat das Zürchervolk das letzte Wort.
Lärmentschädigungen: Gemäss der eidgenössischen Lärmschutzverordnung muss die Verursacherin, also die Flughafen Zürich AG, die Kosten für Schallschutzmassnahmen bei überschrittenen Lärmgrenzwerten übernehmen. Sie lässt deshalb in der Flughafenregion Schallschutzfenster einbauen. Noch ungeklärt ist die Frage nach der Entschädigung von Liegenschafts-Minderwerten durch Fluglärm. Bei der Flughafenbetreiberin stapeln sich rund 14 000 Entschädigungsbegehren, 19 Pilotfälle sind in Verhandlung. Sie werden nach gescheiterten Schlichtungsverhandlungen von Experten der Eidgenössischen Schätzungskommission beurteilt. Auch hier ist die letzte Instanz das Bundesgericht.