Die Sicherheitskultur in der Luftfahrt baut gerade nicht auf persönliches Ermessen eines Einzelnen, sondern auf klare Vorschriften und Reglemente, die strikte einzuhalten sind. Kann aber jemand in der Luftfahrtindustrie noch glaubwürdig Sicherheit und Ordnung durchsetzen, der früher in einer anderen Branche als Führungsperson eigene Massstäbe setzte, was richtig ist, und heute dafür womöglich mit einer Verurteilung büssen wird?
Wäre das Bundesamt für Zivilluftfahrt heute mit seinem neuen Sicherheitsmanagement organisatorisch schon wieder da, wo es einmal war, würde Raymond Cron von seiner Aufgabe wohl entbunden, obwohl er nach Meinung von Kennern der Industrie und der Politik bisher gute Aufbauarbeit für eine neue Sicherheitskultur in der schweizerischen Zivilluftfahrt geleistet hat. Die Aufsichtsbehörde der Zivilluftfahrt steht jedoch weiterhin vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen, die weder eine angeschlagene Führung noch ein längeres Vakuum an ihrer Spitze zulassen.
Die Schweiz muss in den nächsten Monaten mit Deutschland materiell und finanziell bessere Lösungen für das Regime der An- und Abflüge in Zürich aushandeln. Auch fehlt einer deutsch beherrschten Swiss auf wichtigen Langstrecken noch immer die Übertragung der Verkehrsrechte, die vom BAZL nun rasch eingeholt werden sollte. Und die Führung der schweizerischen Flugsicherung Skyguide ist nach dem Zusammenstoss zweier Flugzeuge über Überlingen ihrerseits angeschlagen, weil sie mit einem gerichtlichen Verfahren rechnen muss und auch nie ganz sicher ist, ob nicht weitere Hinterbliebene dieses Unglücks in Baschkirien zur Selbstjustiz greifen.
Dies alles ausgerechnet in einem Zeitpunkt, in dem in Brüssel mit der Definition des sogenannten «Single European Sky» begonnen wird. Die Schweiz ist von diesem Projekt zentral betroffen. Dennoch ist sie bisher im kürzlich gegründeten Konsortium für dieses Projekt, anders als fast alle Nachbarländer, weder mit ihrer Aufsichtsbehörde noch mit ihrer Flugsicherung oder der Swiss direkt vertreten. Ist die Schweiz an der Definition und Entwicklung dieses «Single European Sky» nicht spätestens ab 2007 aktiv beteiligt, läuft sie Gefahr, dass am Ende in Brüssel über sie bestimmt wird.
Kurz, es brennt in der schweizerischen Zivilluftfahrt an verschiedenen Orten und nun auch noch im Kommandoraum der Aufsichtsbehörde. Bundesrat Leuenberger steht vor einem Personalentscheid, der ihm nur die Wahl zwischen dem kleineren und dem grösseren Übel lässt. Entscheidet er sich am Ende gegen den bisherigen Amtsinhaber, könnte Max Friedli, der Direktor des Bundesamtes für Verkehr, nach 2003/04 zu einem zweiten Feuerwehreinsatz an der Spitze des BAZL kommen. (NZZ, 23.11.2005)