Flughafenpolitik: Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer zieht Bilanz
«Vertrauen noch nicht gewonnen»
Keine Mehrheit im Kantonsrat, eine heikle Mission im Regierungsrat, erst informelle Kontakte mit Deutschland. Rita Fuhrers Bilanz nach zwei Jahren als «Flughafenministerin» fällt bescheiden aus.
Matthias Scharrer
Frau Fuhrer, der Kantonsrat hat sich gegen einen Ausbau des Flughafen Pistensystems entschieden. Haben Sie mit dieser Abfuhr gerechnet?
Rita Fuhrer: Ja.
Und jetzt hoffen Sie auf den Bund, damit Ihr Ziel eines Flughafenausbaus doch noch erreicht werden kann?
Es ist nicht mein Ziel, den Flughafen auszubauen. Was ich will, ist eine offene Auslegeordnung: Was heisst es für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft, wenn man der Nachfrage oder einem Teil der Nachfrage am Flughafen entspricht oder nicht? Auf Basis dieser Auslegeordnung will ich die politische Diskussion führen. Innerhalb eines Jahres müssen wir jetzt einen entsprechenden Bericht erstellen.
Aber Sie wollen die Möglichkeit eines Pistenausbaus, oder?
Wichtig ist, dass im SIL Prozess des Bundes und im Richtplan Prozess des Kantons alle Möglichkeiten offen sind.
Sie wurden kürzlich nicht zu Gesprächen von Bundesrat Deiss mit dem baden württembergischen Ministerpräsidenten eingeladen. Wie sind Ihre flughafenpolitischen Beziehungen zum Bund?
Sie sind sehr gut. Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt setzte man sich dafür ein, dass ich bei dem erwähnten Besuch und den Vorbereitungen dazu hätte dabei sein können. Das ist leider nicht gelungen. Das ist schade, denn es wäre ein starkes Signal gewesen, wenn wir hätten aufzeigen können, dass wir eine gemeinsame Wirtschaftspolitik betreiben. Es geht ja nicht nur um den Flughafen, es geht um die Wirtschaftspolitik!
Und wie stehts um die Kontakte zu Süddeutschland?
Wenn man erwartet, dass wir am Fighten und Verhandeln sind, ist das falsch. Es gibt Gespräche, in denen das Thema «Flughafen» immer wieder vorkommt. Aber es ist nicht so, dass man im Moment aktiv über ein An und Abflugregime mit Deutschland verhandelt weder beim Bund, noch beim Kanton Zürich. In Baden Württemberg sind im Frühling 2006 Wahlen. So wenig, wie Bundesrat Leuenberger vor den deutschen Bundestagswahlen Druck machen konnte, so wenig kann ich jetzt Druck machen.
Wann kann man denn mit Deutschland reden?
Öffentlich erst nach den Wahlen. Unter vier Augen kann man aber immer reden.
Haben Sie unter vier Augen mit dem baden württembergischen Ministerpräsidenten über den Flughafen geredet?
Auf so detaillierte Fragen gebe ich keine Auskunft.
Also allgemein gefragt: Was haben Sie in zwei Jahren Flughafenpolitik erreicht?
Das ist schwierig zu beantworten, weil beim Thema «Luftfahrt» der Kanton keine gesetzlichen Handlungsmöglichkeiten hat. Ich arbeite an den weichen Faktoren und führe viele Gespräche. Wir haben jetzt eine sehr viel unaufgeregtere Situation als vor zwei Jahren. Auch der Kanton Aargau anerkennt heute die wirtschaftliche Wichtigkeit des Flughafens. Es gibt keine Allianzen mehr gegen Zürich. Die sieben Grenzkantone sind in einer Organisation zusammengeschlossen. Sie übergaben mir das Präsidium, weil der Flughafen das Hauptthema ist. Und man ist bereit, auch weitere Dossiers in dieser Arbeitsgruppe aufzunehmen, soweit sie dazu dienen, das Thema «Flughafen» zu bewältigen. Das heisst: Nationalstrassen, Bahnverbindungen, Benken und die Atommüll-Lagerung, Landwirtschaft etc.
Welche Ziele, die Sie sich in der Flughafenpolitik gesetzt haben, haben Sie nicht erreicht?
Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich das Vertrauen der Bevölkerung noch nicht gewonnen habe. Die Leute sind sehr misstrauisch. Das tut manchmal auch weh.
Sind Sie abgesehen von der Beziehungsebene sachpolitisch weitergekommen?
Ja, die Regierung hat einen Beschluss zur Flughafenpolitik mit wichtigen Aussagen verabschiedet. Dazu gehört die Suche nach einem Richtwert, der Lärmbelastung nicht nur in Dezibel berücksichtigt, sondern auch nach Tageszeit und Häufigkeit. Dieser Richtwert soll ein wichtiger Wert für unsere Politik werden.
Letzter Punkt: Wie schätzen Sie die Chancen der Plafonierungsinitiative ein, die maximal 250 000 Starts und Landungen pro Jahr fordert?
Wenn gestern abgestimmt worden wäre, hätte die Initiative Chancen gehabt. Ich werde noch sehr viel informieren müssen, bis es zu dieser Abstimmung kommt. Ich bin aber der Meinung, dass ich dem Gesamtregierungsrat einen überzeugenden Bericht vorlegen kann. Und wenn die Regierung überzeugt ist, werden wir auch die Bevölkerung überzeugen können. Aber es wird schwierig, vor allem wenn die Plafonierungs Initiative zusammen mit ahlen zur Abstimmung kommt. Dann habe ich ein Problem zu bewältigen. (ZSZ, 17.11.05)