Hausbesitzer in Glattbrugg und die Flughafenbetreiberin Unique kämpfen um Geld wegen des Fluglärms – und werden bis vor Bundesgericht uneins bleiben.
Opfikon- Glattbrugg.
Für 19 Pilotfälle – Ein- und Mehrfamilienhäuser, Eigentumswohnungen, ein Hotel – hatte die Eidgenössische Schätzungskommission Verhandlungen angesetzt zur «gütlichen Erledigung der eingereichten Forderungsbegehren». Die fünf ersten Fälle wurden gestern Donnerstag verhandelt. Doch die Vorstellungen darüber, mit welchen Summen Unique die Besitzer von fluglärmbelasteten Häusern entschädigen muss, klafften um Hunderttausende von Franken auseinander. Die Rechtsvertreter der Hausbesitzer machen Minderwerte bis zu 35 Prozent geltend, Unique anerkennt bestenfalls die Hälfte.
Theorie und Praxis des Wertverlusts
Dieses Berechnungsmodell tauge im Einzelfall nichts, konterte der Rechtsanwalt des Hausbesitzers. Als Beweis zog er die Daten der Wirklichkeit herbei. Zwei Jahre lang habe der Mann versucht, sein Haus zu verkaufen – trotz Garten und sonniger Lage erfolglos. Als er schliesslich einen Käufer fand, erhielt er 750\'000 Franken – 440\'000 Franken weniger als den von Unique geschätzten «Verkehrswert ohne Fluglärm».
Auch bei einem zweiten Einfamilienhaus, das gut 800\'000 Franken Schätzwert hat, kamen sich die Parteien nicht näher. Unique gesteht dem Besitzer rund 120\'000 Franken Minderwert zu, sein Anwalt verlangt doppelt so viel. «Ich stelle fest, dass keine Einigung zu Stande kam», sagte Albert Staffelbach, Präsident der Schätzungskommission, am Abend zum fünften Mal. Bis Juni 2006 wird deshalb für alle ungelösten Fälle das amtliche Schätzungsverfahren durchgeführt. Die Parteien können die Entscheide dann mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weiterziehen – und werden dies wohl auch tun. Es ist mittlerweile trotz verhandlungstaktischen Schweigens von Unique und Kanton Zürich ein offenes Geheimnis, dass sie Pilotentscheide anstreben und wissen wollen, wie hoch die Richter in Lausanne die Latte für die Entschädigungen legen. Unique hat insgesamt rund 14\'000 Forderungen am Hals und fürchtet sogar den Konkurs, wenn die gesetzlich verlangten Rückstellungen für die Entschädigungen überborden. Unique ging bisher von insgesamt 1,2 Milliarden aus, Fluglärmgegner von bis zu 15.
«Schuldanerkennung» umstritten
Abgesehen davon, dass die Forderungen der Fluglärmopfer und die Zahlungswilligkeit des Flughafens meilenweit auseinander liegen, sind juristische Grundsatzfragen offen. Massgebend bleibt nach einem Urteil des Bundesgerichts zu einigen Fällen beim Flughafen Genf, dass Bauherren in der Nähe des Flughafens mit Fluglärm rechnen mussten, wenn sie ihr Haus nach 1960 errichten liessen. Umstritten ist aber der «Dies estimandi» , der Stichtag der massgeblichen Schätzung. Für Unique ist es der 3. Oktober 2005, also gestern Donnerstag, als die Einigungsverhandlungen begannen. Für Rechtsanwalt Peter Ettler, der zahlreiche Fluglärmopfer vertritt, müsste der Stichtag der 1. Januar 1997 sein. Im Herbst zuvor hatte der Flughafen Zürich die «vierte Welle» von Anund Abflügen für Umsteiger eingeführt, die den Anrainern auf einen Schlag viel mehr Starts und Landungen brachte.
Unique- Vertreter Roland Gfeller betonte, dass bezifferte Minderwerte nicht mit allfälligen Entschädigungen gleichzusetzen seien. Und es müsse geklärt werden, ob Hausbesitzer, die ihr Haus gar nicht verkauften, überhaupt einen Schaden erlitten hätten. Die Schätzer müssten bei der Berechnung berücksichtigen, dass die Nähe zum Flughafen für die Anrainer auch Vorteile haben könne. Zudem will der Flughafen eine Art Gutschrift für die absehbare technologische Entwicklung, die leisere Triebwerke bringen soll.
Für Geschädigtenvertreter Ettler hingegen hat «die Erfahrung» gezeigt, dass die Lärmentlastung durch leisere Jets bisher stets von Mehrverkehr zunichte gemacht worden sei. Die «Momentaufnahmen» des Unique- Berechnungsmodells seien ungeeignet: «Eigentlich müsste ein Dauerschaden entschädigt werden, denn der Fluglärm geht ja weiter.» (TA, 04.11.2005)