RHEIN-MAIN Mit dem Punkt "Lärmauswirkungen" wird die Erörterung zum Frankfurter Flughafenausbau morgen in Offenbach fortgesetzt. Nun geht es ans Eingemachte, sagen die Rechtsanwälte der Städte und Gemeinden. Sie erhoffen sich einen Zuschauerandrang.
Ihre Hauptattacke haben die Anwälte bislang gegen die Luftverkehrsprognose des Flughafenbetreibers Fraport geritten. "Das Kamel soll klein gemacht werden, um es durch das Nadelöhr zu bekommen", sagt Martin Schröder von der Kanzlei Nörr-Stiefenhofer-Lutz in München. Sie vertritt die Städte Mainz, Flörsheim, Hochheim und den Main-Taunus-Kreis. Die Luftverkehrsprognose der Fraport geht von 675000 Flugbewegungen im Jahr 2015 aus. Darüber hinaus werden keine Angaben gemacht. Eine von der Initiative Zukunft Rhein-Main (ZRM) in Auftrag gegebene Simulation hat jedoch ergeben, dass mit einer Nordwestbahn 900000 Flugbewegungen möglich sind. Mit dem existierenden System aus drei Bahnen seien statt 480000 bereits heute 590000 Flugbewegungen möglich - wenn man die "Slotverschwendung beendet", analysiert Schröder. Während am Flughafen Tokio-Narita im Durchschnitt 215 Passiere im Flugzeug säßen, seien es in Frankfurt nur 117. Ein weiteres Argument: Mit einer vierten Bahn wird Drehkreuzverkehr erst angezogen; das heißt, der angegebene Bedarf wird künstlich geschaffen. "Wie ein schwarzes Loch", erklärt Schröder.
180 Verhandlungsstunden werden bis Mitte Dezember für das Thema "Lärm" zur Verfügung stehen. "Lärm ist ein physikalischer Giftstoff", sagt Schröder, "und als Umwelteinfluss wesentlich giftiger, als Fraport behauptet". Der Anwalt kritisiert die Berechnungsmethode für Lärmschutzzonen, die über drei Jahrzehnte alt ist - aber maßgeblich für einen Anspruch auf Schallschutz ist. "Ein Uraltmodell, das den Lärm unterschätzt und verkennt." Diese Berechnungsmethode habe eine Fehlerquote von drei Dezibel. Kurvenflug werde nicht abgebildet, ein wichtiger Punkt etwa für die Mainzer, über deren Stadtgebiet Flugzeuge eindrehen. Wer im Kurvenradius sitzt, höre ein Flugzeug länger als eines, das geradeaus fliegt. Zudem werde von Dauerschallpegel ausgegangen, "nachts führen aber Einzelschallereignisse zum Aufwachen", lautet ein weiterer Kritikpunkt des Münchners. Im lärmmedizinischen Gutachten, das Teil der Planfestellungsunterlagen ist, wird laut Anwalt überdies der untere Wert, ab dem "eine Wirkung zu berücksichtigen ist", zu hoch angesetzt. Statt 55 Dezibel (A) müssten es 45 Dezibel (A) sein. Der Jurist fordert zudem die "100 zu 100-Regel" ein: das heißt, den Lärm einer Betriebsrichtung als 100 Prozent anzusetzen. "Wir haben nämlich das Phänomen stabiler Ostwetterlage, bei der über Wochen über Mainz gelandet wird."
Nach Angaben von Thomas Norgall vom BUND Hessen wird in den kommenden Wochen "in voller Schärfe" das Thema Nachtflugverbot zum Tragen kommen. Die Fraport AG habe einen "großen Trick" angewandt, indem sie das Nachtflugverbot als Betriebsbeschränkung getrennt von der Planfeststellung beantragt habe. "Die rechtlichen Auswirkungen sind gigantisch, weil der Bürger anschließend an diese gespaltene Form nicht mehr herankommt." Zudem braue sich "eine ganz üble Sache" zusammen: Lufthansa, sei potenzieller Kläger gegen das Nachtflugverbot und mit fünf Prozent gleichzeitig Miteigentümer von Fraport. "Das ist eine Gemengelage, bei der einem unheimlich werden kann." (Main-Spitze, 03.11.05)