Kampfeswille ist ungebrochen
Sie protestieren hartnäckig ‑ auch gestern wieder. In Gockhausen sind frühmorgens rund 400 Schneiser zusammengekommen, um am zweiten Jahrestag der Südanflüge eine Mahnwache abzuhalten.
Man kennt sich inzwischen. Obwohl es früh ist an diesem Sonntagmorgen, sechs Uhr, ist die Stimmung auf dem Schulhausplatz in Gockhausen gut. In kleinen Gruppen reden die Schneiser über Gott und die Welt und die Südanflüge, mit denen sich hier auf dem Platz keiner abgefunden hat. Jacob Zgraggen, Präsident der Stiftung gegen Fluglärm, ist mit seiner Frau aus Zumikon hierher gekommen. Wie viele andere betritt der Anwalt den Platz mit einer brennenden Fackel in der Hand, und er schmunzelt: «Es sieht aus, als würde sich hier eine Sekte treffen. Aber es ist keine.»
Sogar aus Wädenswil nach Gockhausen gefahren ist Werner Fuchs, Präsident der Sektion linkes Zürichseeufer des Vereins Flugschneise Süd ‑ Nein (VFSN). Weiterhin hartnäckig zu protestieren sei wichtig, findet Fuchs. Im Bezirk Horgen hat er festgestellt: «Manche glauben, sie müssten nichts mehr tun ‑ die Abschaffung der Südanflüge sei eine Frage der Zeit. Das ist gefährlich.»
Bekannte Gesichter
Rund 400 Schneiser haben sich an diesem zweiten Jahrestag der Südanflüge zur Mahnwache versammelt. Letztes Jahr waren es rund 600, zirka 500 haben am 30. Oktober 2003 das erste über Gockhausen anfliegende Flugzeug mit Pfiffen begleitet. VFSN‑Präsident Thomas Morf wertet den gestrigen Aufmarsch als Erfolg: «Er zeigt, dass der Kampfeswille auch heute noch ungebrochen ist.»
Einige sind tatsächlich unermüdlich und waren, wie bei den meisten Schneiser‑Demonstrationen, auch gestern Sonntag auf dem Schulhausplatz in Gockhausen in der Masse auszumachen: Zum Beispiel der Zürcher Stadtrat Robert Neukomm, der Nationalrat und Stadtrat von Dübendorf Martin Bäumle, der Gemeindepräsident von Maur, Bruno Sauter, oder das VFSN‑Vorstandsmitglied aus Pfaffhausen, Urban Scherrer. Neukomm glaubt nicht an eine baldige politische Lösung, dafür erwartet er, dass die Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Reko Inum) nächstes Jahr die Beschwerden beurteilen wird. Scherrer ist zuversichtlich, dass der Entscheid im Sinne der Schneiser ausfallen wird: «Wenn die Richter eine Möglichkeit gefunden hätten, die Südanflüge für legal zu erklären, hätten sie dies längst getan. Jetzt verzögern sie den Entscheid einfach noch ein bisschen.»
«Eine Kurve, kein Looping»
Die Schneiser sind immer noch gemütlich am Plaudern, wegen Nebels ungestört durch Südanflüge, da ergreift Präsident Morf das Mikrofon. Er bekräftigt: «Mit den drohenden Ungeheuern haben wir uns nicht abgefunden ‑ und werden dies auch in Zukunft nicht tun.» Der Widerstand sei nicht fruchtlos geblieben.
Der Druck der Strasse habe die Zürcher Kantonsregierung und Unique dazu gebracht, auf den gekröpften Nordanflug zu setzen. «Jetzt müssen wir nur noch dem Bazl beibringen, dass der Gekröpfte eine Kurve ist ‑ und kein Looping», stichelt Morf Richtung Bundesbern.
In der Gockhausener Reithalle treffen sich die Schneiser danach zum Brunch. Es gibt Kaffee, frischen Zopf, Speck, Eier und Rösti. Ein Neuzuzüger, der für ein Haus in Gockhausen eine Hypothek aufgenommen hat, erzählt der Tischnachbarin von seiner Angst, dass die Bank seine Liegenschaft tiefer bewerten und eine Nachzahlung verlangen wird. Dann nimmt er einen Bissen Zopf und sagt: «Das einzig Positive an den Südanflügen ist, dass ich hier im Dorf viele Leute kennen gelernt habe.»
ZSZ, 31.10.05