Privatisierung der deutschen Flugsicherung öffnet der Schweiz neue Chancen - Pläne in der Kritik
Das neue Privatisierungsgesetz für die deutsche Flugsicherung bietet der Schweiz neue Perspektiven. Nachdem die eidgenössische Flugsicherung Skyguide ihren Auftrag über Südbaden jahrzehntelang aufgrund eines zweifelhaften rechtlichen Status ausgeübt hat, lockt nun die Arbeit auf verfassungsgemäßer Grundlage - am Parlament vorbei.
Waldshut/Berlin - Bei der Schweizer Flugsicherung Skyguide können die Champagnerflaschen bereits kalt gestellt werden. Mitte September soll der Bundesrat über den letzten Akt der Privatisierung der Deutschen Flugsicherung beraten. Das Bundeskabinett hat bereits einer Gesetzesnovelle zugestimmt, die auf Initiative von SPD und Grünen sowie CDU und FDP zu Stande gekommen war. Damit wäre für die Schweizer der Weg für eine ordentliche Bewerbung um die Flugsicherung über Südbaden frei. Dass sie den Zuschlag erhalten, nachdem Skyguide seit über 50 Jahren über einem Großteil Baden-Württembergs schon zuständig ist, bezweifelt niemand.
Die Sicherung des Flugverkehrs im Südwesten für immer in den Händen von Skyguide? - Bislang war dieser Gedanke in Südbaden problematisch. Denn Skyguide wird nicht nur eine Mitschuld an dem Flugzeugunglück von Überlingen mit 71 Opfern sowie gefährlichen Beinah-Zusammenstößen angelastet. Kritiker sehen Skyguide auch als Schlüssel für eine gerechte Lärmverteilung des Zürich-Flugverkehrs. Aus diesem Grund gab das Bundesverkehrsministerium bislang an, die Verhandlungen über die Flugsicherung solange offen zu lassen, bis die Flugverkehrsbelastung durch Zürich auch gerichtlich geklärt sei - zugunsten Deutschlands.
Privatisierung steht an
Aus politischer Sicht gilt die Privatisierung der Flugsicherung über Deutschland als sinnvoll. Während der europäische Luftraum zum einheitlichen "Single European Sky" (SES) zusammenwächst, müsse sich auch die Deutsche Flugsicherung (DFS) diesen neuen Herausforderungen stellen, um sich "in dem neuen Umfeld behaupten zu können", erklärte die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Iris Gleicke.
Doch das Unbehagen bleibt. Lotsen und Piloten fürchten, dass die Privatisierung einen ganz neuen Kostendruck erzeugen und damit den Sicherheitsstandard des Flugverkehrs über Deutschland gefährden könnte. So warnt auch der Sprecher der Fluglotsengewerkschaft, Marek Kluzniak, gegenüber dieser Zeitung vor Lösungen, bei denen am Ende nur Geld eingespart und hohe Renditen erwirtschaftet werden. Aber auch Investoren, die selber in der Luftfahrtbranche tätig sind, sieht er skeptisch. "Wer dann in die Flugsicherung investiert, wird sich erhoffen, dass etwas Positives dabei raus kommt," prophezeit Kluzniak. Nach dem Privatisierungsgesetz für die Flugsicherung kann auch die Lufthansa, zu deren Konzern die Swiss zählt, und ein ausländischer Investor wie Skyguide oder der Kanton Zürich Anteile an der DFS erwerben. Der Waldshuter Landrat Bernhard Wütz warnt schon vor einem Ausverkauf, der der Schweiz unverhofft Einflussmöglichkeiten über die DFS sichern würde.
Die Verbindungen zwischen Deutschland und der Schweiz sind bereits eng geknüpft. Man kennt sich und redet miteinander. So sitzt Skyguide-Chef Alain Rossier im Beirat der Deutschen Flugsicherung. Als ständiger Gast war längere Zeit auch DFS-Aufsichtsratschef Hans-Jürgen Froböse aus dem Berliner Verkehrsministerum dabei. Froboese führte im Hintergrund der Verhandlungen zum deutsch-schweizerischen Staatsvertrag ebenso Regie wie bei der Ausarbeitung der deutschen Rechtsverordnung, die nach dem geplatzten Staatsvertrag gegen die Schweiz erlassen wurde. Das neue Gesetz soll aber auch die Vergabe von Flugsicherungsaufgaben durch ein neu zu schaffendes Bundesamt für Flugsicherung möglich machen. Die Schweizer Skyguide, der von deutschen Politikern immer wieder ein Entzug der Aufgaben über Süddeutschland angedroht wurde, könnte damit auch ohne Erlaubnis des Parlaments die Kontrolle ausüben. Eine Rücknahme der Flugsicherung, wie sie der CDU-Generalsekretär Volker Kauder jetzt fordert (siehe nebenstehender Bericht) wäre damit kaum möglich. Die Novelle zur Privatisierung weckt indes neue Zweifel, ob die Interessen der Südbadener in Berlin Gehör finden. Bislang wurde auch der Fluglärmstreit, der nun schon seit über drei Jahrzehnten tobt, von der Bundesregierung als ein regionales Problem abgetan. Im Unterschied zur Schweiz, wo die Auseinandersetzung als nationales Dossier gesehen wird. Landrat Wütz warnt denn auch vor der Zustimmung zu dem Gesetz: "Wirtschaftliche Interessen" würden am Ende bestimmen - "nicht Umwelt- und Lärmschutz".
Widerspruch erntet Wütz indes von der Waldshuter SPD-Bundestagsabgeordneten Karin Rehbock-Zureich. Sie hob in einer Mitteilung die Notwendigkeit einer Privatisierung hervor und verwies auf staatliche Kontrollen, denen die Flugsicherung über Deutschland auch künftig unterworfen sei. Die Schweizer Skyguide hat indes schon seit geraumer Zeit die Weichen für den Wettbewerb in Europa umgelegt. Die notwendige Zertifizierung läuft bereits. Und auch bei der Kostenseite zeigt sich Skyguide-Chef Alain Rossier gelassen. Sollten die Schweizer für ihre Arbeit in Deutschland auch noch bezahlt werden, würde die DFS im Wettbewerb weit hinten liegen, frohlockte Rossier schon vor Monaten. Der Poker um die Kostenerstattung läuft seit Monaten. Bern hofft, dass die Deutschen 21 Millionen Euro im Jahr dafür bezahlen.
Unterdessen haben die Schweizer Konsequenzen aus der Flugzeugkatastrophe von Überlingen vor drei Jahren gezogen. Die Spar-Besetzung mit einem Lotsen vor jedem überwachten Luftsektorn wurde inzwischen rückgängig gemacht. Seither arbeiten wieder zwei Fluglotsen an einem Bildschirm, lobt Marek Kluzniak. "Dafür gibt es in Deutschland immer häufiger Einzelplatzbesetzungen." Eine riskante Entwicklung, findet der Lotse.