Wichtiger Schritt vorwärts in der Entschädigungsfrage
am. Wie stark wirkt sich Fluglärm auf den Wert von Immobilien aus? Spätestens seit den Südanflügen nach Zürich ist diese Frage wieder ein öffentliches Thema. Eine befriedigende Antwort konnte jedoch bisher nicht gegeben werden, da eine allgemein gültige Methode für die Bestimmung immissionsbedingter Werteinbussen fehlte.
Ergänzte Bewertungsmodelle
Nun scheint eine solche «Formel» zur Quantifizierung des Schadens aber in greifbare Nähe gerückt. Dies zumindest legt eine Medienmitteilung des Flughafens Zürich von letzter Woche nahe (vgl. NZZ vom 26. 5. 05). Dort hiess es in einer Stellungnahme zum Lärmentschädigungsverfahren der Gemeinde Opfikon, ein allfälliger Minderwert wegen übermässigen Fluglärms könne nur auf der Basis speziell entwickelter Bewertungsmodelle ermittelt werden. Diese sogenannten hedonischen Modelle (vgl. Kasten) - kombiniert mit einer Beurteilung durch einen Experten vor Ort - sollen eine standardisierte Beurteilung und eine effizientere Abwicklung der Verfahren erlauben.
Die hedonische, auf Objekteigenschaften und Verkäufen beruhende Art der Bewertung wird in der Schweiz seit einiger Zeit praktiziert und stösst auf zunehmende Akzeptanz. Für die Berechnung von lärmbedingten Wertminderungen konnte sie jedoch bisher nicht verwendet werden, da eine konsequente Integration von Lärmdaten fehlte. Dieses Manko wurde nun aber auf Initiative des Flughafens hin behoben. Wie der Finanzchef der Flughafen Zürich AG, Beat Spalinger, auf Anfrage erklärte, haben Unique und der Kanton Zürich solche erweiterten Modelle von verschiedenen Experten entwickeln lassen. Sie lägen vor und zeigten, dass eine hedonische Bewertung des Einflusses von Fluglärm möglich sei. Details wurden bisher allerdings noch keine bekannt gegeben, da es sich laut Spalinger noch um «Werkstattlösungen» handelt. So sei beispielsweise noch unklar, welche Lärmdaten (Spitzen- oder Durchschnittslärm) zu verwenden seien.
Zunächst haben nun die Rechtsvertreter der Opfiker Liegenschafteneigentümer Zeit, zu diesen Modellen Stellung zu nehmen. Die Flughafen AG hofft, möglichst bis im September, wenn die Einigungsverhandlungen vor der Eidgenössischen Schätzungskommission durchgeführt werden, eine Methode entwickelt zu haben, die von Theorie und Praxis und damit auch von der Schätzungskommission beziehungsweise dem Bundesgericht anerkannt wird. Diese könnten dann die Basis für die Entschädigungsforderungen bilden und den Prozess möglicherweise einen entscheidenden Schritt weiterbringen.
Eine Frage des Risikomanagements
Was aber treibt den Flughafen als beklagte Partei dazu, ein Verfahren, das in ein teures Urteil münden könnte, aus eigener Initiative voranzutreiben? Laut Spalinger ist dies eine Frage des Risikomanagements. Einerseits gehe es um die Glaubwürdigkeit des Flughafens. Dieser werde zurzeit vor allem als Verzögerer wahrgenommen, was dem Image schade. Anderseits wolle man das Thema planbar machen. In den bisherigen Fällen (bis dato liegen nur Entscheide zum Flughafen Genf vor) habe es die Richter nicht interessiert, dass der Schaden nicht nach einer breit anerkannten Methode quantifizierbar sei. Man habe sich einfach rudimentär an einen Wert hingetastet. Solche Urteile seien für den Flughafen im Gegensatz zu der nun vorgeschlagenen Modell-Lösung ein unkalkulierbares und damit grösseres Risiko.
Die hedonische Bewertungsmethode
am. Die hedonische Bewertung ist, vereinfacht ausgedrückt, die computerunterstützte, auf statistischen Verfahren (multiple lineare Regression) beruhende Vergleichswertmethode. Der Wert einer Immobilie wird auf der Basis der Objekteigenschaften und Handänderungsdaten ermittelt. Dabei gilt es, möglichst viele Transaktionen mit bestimmten Parametern wie Makro-/Mikrolage, Volumen, Ausbaugrad, Gebäudezustand usw. in einem System zu erfassen. Die Daten stammen in der Regel von den finanzierenden Banken, die sie in anonymisierter Form übermitteln. Grundlage ist der Gedanke, dass man es nicht mit einem Markt für Immobilien zu tun hat, sondern mit Märkten für die einzelnen Eigenschaften. Mit anderen Worten: Der Käufer will nicht die Liegenschaft an sich kaufen, sondern ihre verschiedenen Eigenschaften, die ihm einen Nutzen stiften. Daher kommt auch der - vielleicht nicht ganz glückliche - Name hedonisch (Englisch: hedonic valuation). Der Wert der Eigenschaften ist sozusagen im Preis der Immobilien versteckt und kann, so die Theorie, durch statistische Analysen ermittelt werden.
NZZ, 03.06.2005, Seite 73