Der Flughafen Zürich fürchtet massive Finanzprobleme, wenn er Entschädigungen wegen Fluglärms selber verbuchen muss.
Von Erwin Haas
Kloten. - Beim Flughafen Zürich stapeln sich die Entschädigungsforderungen, mit denen Hauseigentümer Wertminderung von Liegenschaften wegen Fluglärms geltend machen. Unique habe «13 000 Schriftstücke betroffener Eigentümer» im Haus, sagt Finanzchef Beat Spalinger. 1200 Forderungen mit klarem Klagecharakter hat der Flughafen bereits der eidgenössischen Schätzungskommission übergeben.
Unter dem wachsenden Druck hat sich Unique gegenüber dem Bund dezidiert dafür ausgesprochen, die Frage der Entschädigungen «auf Gesetzesebene und nicht auf dem Rechtsweg» zu regeln. Konkret: Formell soll der Bund das Inkasso der Fluglärmgebühren unter seine Fittiche nehmen, um den Flughafen als wichtige Infrastruktur des Landes vor buchhalterischer Unbill zu schützen. Berappen müsste Unique die Entschädigungen mit dem Lärmfünfliber der Passagiere trotzdem selber. Doch der Fluglärmfonds, in dem zurzeit 80 Millionen Franken liegen, würde künftig ausserhalb des Geschäftslaufs verbucht. Noch schätzt Unique die gesamten Entschädigungen auf 1,2 Milliarden Franken. Steigen sie wegen eines Richterspruchs auf zehn oder mehr Milliarden, würde der Flughafen durch die vorgeschriebenen Rückstellungen in den Konkurs getrieben - ausser der Bund übernimmt die Trägerschaft für den Fluglärmfonds selber. Dann würde die Schuld nicht mehr in der Unique-Bilanz, sondern im Haushaltsbuch der Nation erscheinen. Der Bund gäbe damit gewissermassen eine formelle Risikogarantie ab, und der Flughafen könnte seine Fluglärmschulden über20 oder 30 Jahre in erträglichen Raten tilgen.
Unique: «Massive Bilanzprobleme»
Jetzt hat Unique-Verwaltungsratspräsident Andreas Schmid die Angst, die dem Flughafen im Nacken sitzt, bekräftigt. «Wir müssen klar sehen: Ein Bundesgerichtsurteil kann heute mit einem einzigen Entscheid die Frage der Entschädigungen massiv beeinflussen. Es ist zumindest theoretisch nicht auszuschliessen, dass das Unternehmen infolge eines für uns ungünstigen Richterspruchs in massive Bilanzprobleme geraten könnte», sagte er in einem Interview des E-Mail-«Noiseletters» von Südanfluggegner Andreas Bantel aus Gockhausen.
Bürgerliche liessen Unique im Stich
Unique möchte behandelt werden wie die Verkehrsträger Strasse und Schiene, für deren Lärmfolgekosten die öffentliche Hand aufkommt. Zudem verlangt der Flughafen gleich lange Spiesse wie die Konkurrenz im Ausland, wo der Staat für Entschädigungszahlungen geradesteht. Ob der Bund diesen Wünschen entspricht, ist fraglich. Das Parlament hat Anfang Woche erst den bundesrätlichen Bericht zur nationalen Luftfahrtpolitik zur Kenntnis genommen, das Bundesamt für Zivilluftfahrt entwirft jetzt einen Aktionsplan, um ihn umzusetzen.
Der Ständerat hielt es aber am Montag mit 14 gegen 9 Stimmen nicht für nötig, sofort gesetzliche Änderungen einzuleiten - gemäss einem Branchenkenner eine Folge davon, dass die Mehrheit der bürgerlichen Ständeräte den Saal bereits verlassen hatten: «Denen ist ein Abendessen offenbar wichtiger als der Flughafen Zürich.»
Tages-Anzeiger; 03.06.2005, Seite 19