Neuverhandlungen zwischen der Schweiz und Deutschland in greifbarer Nähe - Südanflug auf Kloten steht zur Disposition
Francesco Benini
Die Lufthansa unterstützt das Departement Leuenberger im Bemühen, in Berlin eine neue Regelung für die Anflüge auf den Flughafen Zürich zu erreichen. Eine Lösung scheint nah - aber in Süddeutschland regt sich Widerstand. (NZZ, 20.3.05)
Mit grosser Diskretion hat das Departement Leuenberger in den vergangenen Monaten Gespräche mit dem deutschen Verkehrsministerium über eine Lockerung der deutschen Anflugverordnung geführt. Vertreter der Lufthansa setzten sich beim Ministerium für dasselbe Ziel ein. «Wir haben das Thema in Berlin vorgetragen», bestätigt Lufthansa-Sprecher Klaus Walther auf Anfrage. Lufthansa habe angeregt, dass die Anflüge auf den Flughafen Zürich noch einmal auf die Agenda genommen würden.
Die Nervosität steigt
Die gemeinsamen Bemühungen des Departements Leuenberger und der Lufthansa scheinen Früchte zu tragen. Sollte die Übernahme der Swiss durch die Lufthansa wie geplant am kommenden Dienstag über die Bühne gehen, könnten laut zuverlässigen Quellen Neuverhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz demnächst aufgenommen werden. Mögliche Eckwerte einer neuen Einigung sollen bereits umschrieben worden sein. Der Südanflug auf den Flughafen Zürich könnte mit einer neuen Regelung aufgehoben werden.
Die involvierten Kreise sprechen in diesem Zusammenhang von einem «Gesamtpaket». Die Verbindung zwischen dem Lufthansa-Swiss-Deal und einer Aufweichung der deutschen Anflugverordnung ist also viel enger, als die eidgenössischen Parlamentarier vermuten. Sie hatten diese Woche fast unisono erklärt, dass Verhandlungen zwischen zwei Unternehmen und zwei Staaten ganz unterschiedliche Dinge seien und das rigide deutsche Anflugregime wohl noch auf längere Zeit bestehen bleibe. Bundesrat Leuenberger hatte allerdings schon vergangenen Dezember in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» erklärt: «Wenn die Lufthansa dem deutschen Verkehrsministerium sagen würde, man brauche in Zürich eine andere Regelung, dann würde ich das begrüssen.» Diese Strategie scheint nun aufzugehen.
Wird der Start von neuen Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz schon am Dienstag bei der Übernahme der Swiss durch die Lufthansa bekannt gegeben? «No comment», sagt Bundesrat Leuenbergers Mediensprecher Hugo Schittenhelm. Auch die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer will keinerlei Auskünfte zu einem möglichen neuen Anflugregime geben. Auf Schweizer Seite steigt die Nervosität, denn das «Gesamtpaket» ist noch nicht vollständig geschnürt - und in Süddeutschland sind die gemeinsamen Anstrengungen der Schweiz und der Lufthansa für eine Änderung der deutschen Verordnung ruchbar geworden.
Süddeutsche Politiker erklärten sofort, dass Berlin auf keinen Fall neue Verhandlungen mit Bern aufnehmen dürfe. Die Waldshuter Bundestagsabgeordnete Karin Rehbock-Zureich (SPD) schrieb Briefe an Bundeskanzler Schröder und Verkehrsminister Stolpe. Inhalt: Versuchen, die bisherigen «Entlastungsschritte aufzuweichen», sei eine klare Absage zu erteilen. Rehbock-Zureich kritisierte ausserdem den baden-württembergischen Verkehrsminister Stefan Mappus. Laut Rehbock-Zureich hat Mappus vor wenigen Tagen «geheime Gespräche mit der Lufthansa» geführt. Das baden- württembergische Verkehrsministerium dementierte dies umgehend.
Interesse der Lufthansa
Nach dem Scheitern des Staatsvertrags erliess Deutschland 2003 Sperrzeiten, während deren der Flughafen Zürich nicht von Norden her angeflogen werden darf. Dies führte zu den neuen Südanflügen über dicht besiedeltes Gebiet und zu mehr Ostanflügen. Die deutschen Flugsperren haben vor allem in den Morgenstunden Verspätungen zur Folge und verunmöglichen einen reibungslosen Betrieb auf dem Flughafen Zürich. Seit der Einführung der Südanflüge schwindet ausserdem die Unterstützung für den Flughafen in der Bevölkerung des Kantons Zürich. Somit erhöht sich für den Flughafen die Gefahr, dass die Zürcher Stimmberechtigten einer Limitierung der Anzahl Flugbewegungen zustimmen. Dies würde den Interessen der Lufthansa zuwiderlaufen, die nach eigenen Angaben den Flughafen Zürich als Hub in ihr Streckennetz integrieren und nicht etwa ausbluten lassen will. Die Aufhebung der Südanflüge ist für die Lufthansa also wichtig - so sie denn die Swiss übernehmen kann. Der Flughafen Zürich fordert gleich lange Spiesse wie die Flughäfen Frankfurt und München. Beide operieren ohne Beschränkungen, die mit jenen des Anflugregimes für Zürich vergleichbar wären.
Die Pressesprecherin des deutschen Verkehrsministeriums, Alexandra Brothan, erklärt auf Anfrage, dass ihr eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Schweiz «nicht bekannt» sei. Diese Formulierung lässt alles offen. Die kommenden beiden Tage werden entscheidend sein.