Seit einem Jahr wird der Flughafen Kloten von Süden her angeflogen. Der Präsident der Flugschneise Süd – NEIN Thomas Morf zieht im Gespräch mit der Maurmer Post Bilanz und zeigt mögliche Szenarien für die Zukunft. (Maurmer Post)
Interview: Gabriela Frischknecht
Maurmer Post: Thomas Morf, wie geht es Ihnen nach einem Jahr Fluglärm?
Thomas Morf: Viele Leute sind zwar der Ansicht, dass ich das sehr ruhig und sachlich nähme, und das ist eigentlich wichtig und zwingend, dass es in der Öffentlichkeit so ist. Aber da in meinem stillen Kämmerlein, wenn ich die Flugzeuge am Morgen oder auch am Abend über mein Haus fliegen sehe, nervt es mich schon gewaltig. Ich erwache jeden Morgen. Ganz klar.
Geben Sie mir einen guten Grund, warum ich am 13. November an die Grosskundgebung in Bern gehen soll.
Der Zürcher Regierungsrat und Unique haben sich eindeutig für die Nordausrichtung des Flughafens ausgesprochen. Die nächsten Entscheidungen werden in Bern stattfinden. Darum ist es wichtig, dass wir jetzt dort Druck machen. Viele Politiker in Bern haben das Gefühl, es ginge nur um einen Fluglärmverteilungskampf. Aber es geht um viel mehr, nämlich darum, wie die Südanflüge eingeführt wurden. Indem sich die Regierung über gültige Gesetze hinweggesetzt hat, indem Bundesrat Leuenberger ein Protokoll in eigener Regie unterschrieben hat, das in Teilen noch weiter geht als der Staatsvertrag, den das Parlament abgelehnt hat. Mit der Demo in Bern Schweizer Bevölkerung gezeigt werden, dass es hier um unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat geht, der grobfahrlässig verletzt wird. Wenn künftig in der Schweiz unsere Probleme auf diese Art gelöst werden, dann „Guet Nacht am sächsi!“
Wäre der VFSN vor mehr als zwei Jahren nicht so vehement auf die Bremse gestanden, wie hätte sich das Fluglärmproblem entwickelt?
Bestimmt hätten wir dann schon den ganzen Tag Südanflüge. Zudem auch Starts über Greifensee und Uster auf der Piste 14/32, denn mit der damals geplanten Variante BV2 optimiert wären über 33 Prozent aller Flugbewegungen über den Süden abgewickelt worden.
Unser grosser Erfolg – und mit dem hat zu Anfang eigentlich niemand gerechnet – ist, dass die ganze Region, also vom Pistenende 34 bis hinauf nach Rapperswil und jetzt auch das linke Zürichseeufer geschlossen aufgestanden ist und rebelliert hat. Auch nach einem Jahr ist der Widerstand noch nicht erlahmt. Dadurch ist das Flughafendossier für den Kanton Zürich zu einem der grössten Probleme geworden. Und alle Verantwortlichen, angefangen vom Bund bis zu Unique können heute eigentlich keinen Schritt mehr machen, ohne dass ihnen nicht kritisch und sehr genau auf die Finger geschaut wird.
Und wie sieht die zukünftige Entwicklung aus?
Aus technischer Sicht und nach Meinung von Experten könnte ab nächstem Frühjahr der gekröpfte Nordanflug eingeführt werden. Das grosse Fragezeichen liegt einmal mehr in der Politik. Wie schnell ist die Politik bereit, diese ökonomische, ökologische und von Raumplanungs- und Umweltschutzgesetz her sinnvollste Lösung umzusetzen? Diese Variante würde unserer Meinung nach die zusätzlichen Ost- und neuen Südanflüge überflüssig machen.
Aber auch auf deutscher Seite gibt es heftigen Widerstand gegen den gekröpften Nordanflug. Ich frage mich, was die Deutschen eigentlich noch wollen. Dieses Anflugregime führt vollständig über Schweizer Gebiet führt. Ich begreife ja, dass es ihnen im Jahr 2000 mit der Hunterstrategie der Swissair, als von möglichen 420\'000 Flugbewegungen die Rede war, den „Nuggi“ rausgehauen hat. Aber irgendwann hört es einfach mal auf.
Würden durch den gekröpften Nordanflug denn neue Gebiete belastet?
Die Anzahl Leute, die neu von Lärm betroffen wären, entsprechen in etwa der Bevölkerung von Richterswil und Pfaffhausen, mit unterschiedlichen Lärmpegeln. Aber Gockhausen, Schwamendingen, das in 250 Metern Höhe überflogen wird, der ganze See hinauf, all diese Gebiete wären entlastet. Also die neu Belasteten zu den Entlasteten stehen doch in keinem Verhältnis!
Wie erklären Sie sich diese Zahlen, es dauere 7 bis 9 Jahre bis ein gekröpfter Nordanflug möglich sei?
Für dieses neue Anflugverfahren existieren weltweit noch keine schriftlichen Regeln, vergleichbar mit einer Betriebsanleitung wie sie jedermann kennt. Nun kann man warten, bis irgendwann irgendwo ein Flughafen dieses Anflugsystem entwickelt und die nötigen Regeln mit den Internationalen Behörden aufstellt. Oder man kann sagen, wir hier in der Schweiz sind mal innovativ, entwickeln diese Regulatorien und führen dieses Anflugverfahren mit den notwendigen Sicherheitsmassnahmen ein. Ganz klar auch hier: Es liegt am politischen Willen. Die zusätzlichen Ost und die neuen Südanflüge konnte man auch innert kürzester Zeit einführen.
Ihr Worst-Case-Szenario?
Ich bin nach wie vor der felsenfesten Überzeugung, dass wir die Südanflüge innerhalb des nächsten Jahres, vielleicht nicht ganz, aber doch substantiell, wegbringen. Mein persönliches Worst-Case-Szenario wäre, wenn die grosse Solidarität und der Kampfgeist hier in der Südschneise bröckeln würde, weil man annimmt, mit dem Regierungsratsentscheid sei nun alles auf bestem Weg. Ich möchte klar daran erinnern, dass der Regierungsrat bereits schon einmal einen Salto mortale gemacht hat. Persönlich vertraue ich zwar Frau Fuhrer, aber mit dem Rücktritt von Regierungsrat Huber können sich die Verhältnisse, je nach Nachfolger, wieder komplett ändern. Jetzt rollt der Stein in die richtige Richtung, aber das heisst für uns Südschneiser „Weiterkämpfen – jetzt erst recht!“