von Mischa Stünzi
Die Frage nach dem Warum stellt sich immer wieder: Warum braucht Bern einen eigenen Flugplatz, wo doch die drei Landesflughäfen Zürich, Basel und Genf so einfach und rasch erreichbar sind? Und immer wieder heisst eine Antwort: des Tourismus wegen. Das Argument klingt plausibel: Dank der direkten Flugverbindungen zwischen dem Ausland und dem Belpmoos kommen mehr Touristen in den Kanton Bern. Davon soll vor allem das Oberland als wichtigste Tourismusregion profitieren.
Doch ausgerechnet Marcel Brülhart, als Verwaltungsratspräsident von Bern Welcome so etwas wie der oberste touristische Vermarkter von Stadt und Region Bern, sagte gegenüber dem «Bund» unlängst, der Flughafen Bern sei unbestrittenermassen ein sogenannter Outgoing-Flughafen. Mit anderen Worten: Er wird vor allem von Bernerinnen und Bernern genutzt, um von hier abzureisen, dagegen kaum von auswärtigen Touristen zur Anreise.
Ein Gast in zehn Jahren
Der «Bund» wollte es genauer wissen und hat bei jenen nachgefragt, die es wissen müssen: den Hoteliers. Knapp 180 Hotels in mehreren wichtigen Tourismusgemeinden wurden kontaktiert und gefragt, wie viele der Gäste über den Flugplatz Belp anreisten. Über 50 haben geantwortet.
Der Tenor ist unmissverständlich: «So gut wie niemand», heisst es beispielsweise aus dem Mattenhof-Resort in Interlaken, «ein sehr kleiner Anteil», aus dem Hotel Jungfraublick in Wengen. «Wir wissen konkret von einem einzigen Gast, der jeweils über Bern-Belp anreist», meldet das Hotel Belvédère in Spiez. Nur gerade drei Hotels geben an, mehr als ein Prozent der Gäste reisten via Belpmoos an.
Vor allem aus England, Holland und Deutschland seien zu Skywork-Zeiten einige Hotelgäste über den Flughafen Bern geflogen, teilen mehrere Hotels mit. So wirklich geboomt scheint diese Form der Anreise aber auch damals nicht zu haben. Diesen Schluss legt die Mehrheit der Rückmeldungen nahe. «In den zehn Jahren, die ich mit meiner Frau nun den Betrieb führe, kann ich mich an eine einzige Reservation erinnern, bei der die Gäste über Belp angereist sind», fasst es Alexander Glarner vom Wellness-Hotel Caprice stellvertretend zusammen.
Die Statistik bestätigt die Aussagen der Hoteliers, dass der Flughafen Bern für den hiesigen Tourismus bisher nie ein existenzieller Faktor war. Zu den besten Zeiten – 2012 also, als Skywork ab Bern noch Ziele wie Köln (zweimal täglich), Nizza und Mailand (mehrmals pro Woche) anflog – wurden in Belp knapp 260 000 Linienund Charterpassagiere abgefertigt. Macht rund 130 000 Ankommende; die meisten von ihnen wohl heimkehrende Bernerinnen und Berner. Doch selbst unter der Annahme, dass das allesamt Gäste für die bernischen Hotels gewesen wären, wären weniger als sechs Prozent aller Hotelgäste im Kanton Bern via Bern-Belp angereist.
Schlecht erschlossen
Die Hoteliers sehen – neben den derzeit fehlenden Linienflügen – verschiedene Gründe, weshalb ihre Gäste kaum je nach Bern fliegen. Zentral ist vor allem, dass so oder so nur eine Minderheit überhaupt mit dem Flugzeug anreist. Die meisten Kunden kämen mit dem Auto oder mit dem öffentlichen Verkehr, heisst es unisono. Viel wichtiger sei deshalb etwa die direkte ICEVerbindung von Berlin nach Interlaken. Zudem würden es mehrere der Befragten begrüssen, gäbe es auch in Zukunft eine direkte Verbindung von Paris nach Bern.
Willkommen ist zudem die geplante Direktverbindung vom Flughafen Zürich nach Interlaken, die für 2023 geplant ist. Denn: Hotelgäste, die mit dem Flugzeug in die Schweiz reisen, kommen in der Regel aus Übersee und landen in erster Linie in Zürich oder Genf. Mit Blick auf diese Gäste sei sogar der Mailänder Flughafen Malpensa wichtiger als jener von Bern, heisst es aus dem Hotel Eden in Spiez.
Weiter betonen mehrere Hoteliers, dass das Belpmoos für die Anreise nach Bern und ins Oberland schlecht erschlossen sei. Gerade für ausländische Gäste sei es kompliziert und wenig attraktiv, mit Bus und S-Bahn in die Stadt zu kommen, sagt Andreas Balz vom Hotel Jardin im Berner Breitenrainquartier. «Wenn wir eine Chance haben wollen, den Flughafen wieder zu aktivieren, dann muss auch der Transport ins Berner Oberland professioneller organisiert werden», hält auch Daniel Heller vom Grindelwalder Hotel Eiger fest. Es brauche mindestens einen Shuttlebus pro Stunde vom Flugplatz nach Interlaken, meint der Hotelier.
Grosse Hoffnungen
Ganz auf den Flughafen Bern verzichten wollen die Hoteliers aber nicht. Besonders weil die Hoffnung gross ist, dass dereinst wieder Flüge aus jenen Märkten angeboten werden, die für den hiesigen Tourismus relevant wären: England, Deutschland, Skandinavien und Holland – mehrheitlich Strecken also, die es früher bereits gab. «Wir prüfen, ob wir nächsten Winter mit Flybair Charterflüge aus den Märkten England und Benelux anbieten sollen», sagt dazu der Flughafen-Chef und Flybair-Verwaltungsrat Urs Ryf. Der Entscheid falle im Frühling.
Warum soll in Zukunft klappen, was bisher kein nachhaltiger Erfolg war? Die Verbindung der britischen Airline Flybe zwischen London und Bern habe durchaus funktioniert, entgegnet Ryf. Es brauche vor allem einen langen Atem, meinen mehrere Hoteliers. Wegen der ständigen Wechsel konnten Flüge nach Bern gar nie an Bekanntheit gewinnen. Immerhin: Über die Jahre, als Skywork noch im Geschäft war, habe er festgestellt, dass immer etwas mehr Gäste über den Flughafen Bern angereist seien, sagt Hotelier Christian Brawand vom Kirchbühl in Grindelwald.
Für die Gastgeberfamilie Hofmann vom Viersternhotel Stella in Interlaken hilft der Flughafen Bern nicht zuletzt der Reputation. Es sei gut fürs Image, wenn man auf der Website auf einen nahe gelegenen Flughafen verweisen könne, schreiben sie – allerdings ohne das Belpmoos auf der eigenen Website zu erwähnen.
Derweil wünscht sich der Flughafen-Chef etwas mehr Rückendeckung seitens der Tourismusdestinationen. Er habe teils den Eindruck, dass das Interesse der bernischen Touristiker am Flughafen nicht gerade riesig sei, bedauert Ryf. Im Wallis sei die Unterstützung für den Flughafen von Sion viel grösser.