Der bedauernswerte Fluglotse war seiner anspruchsvollen Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen, temporär oder grundsätzlich . Ob der Freispruch der ersten Instanz Bestand hat, wird sich zeigen. Aber sicher hat das nichts mit der Sicherheitskultur zu tun, die es ermöglicht, dass Beteiligte nicht bemerkte Fehler zur Diskussion stellen können, ohne dafür bestraft zu werden.
Völlig inakzeptabel ist die Reaktion des Skyguide-Sprechers Vladi Barrosa, wonach derartige Zwischenfälle dann vermieden werden könnten, wenn der Aspekt Sicherheit endlich höher gewichtet würde als die Lärmproblematik und deshalb Südabflüge im Regelbetrieb erlaubt würden. Wenn es denn einfach so vorkommen darf, dass ein Fluglotse zwei Flugzeuge gegeneinander starten lässt, wie das Urteil des Einzelrichters Michael Peterhans insinuiert, dann könnten einfache Massnahmen die Gefahr bannen , beispielsweise Lichtsignale an den beiden kritischen Startplätzen. Gestartet dürfte dann nur werden, wenn die Erlaubnis des Lotsen vorliegt und die Ampel auf Grün steht. Um menschlichem Versagen vorzubeugen, könnte am anderen Startplatz die Lampe nur mit Verzögerung, oder wenn das erste Flugzeug abgehoben hat, von Rot auf Grün gestellt werden. Ganz sicher sind dafür keine Südabflüge erforderlich.
Es ist unverständlich, dass Exponenten des Staatsbetriebes Skyguide dieses Vorkommnis zur Flucht nach vorn zwecks Erhöhung der Kapazitäten mittels Südabflügen nutzen dürfen.
Dass ihre Sicherheitsargumente scheinheilig sind, ist offensichtlich: Der Bundesrat will Dübendorf als vierte Piste von Kloten nutzen. Niemand aus Luftfahrtkreisen schreit auf, obwohl damit viele neue, angeblich so gefährliche Kreuzungspunkte generiert würden. Undenkbar, was passieren könnte, wenn ein schon jetzt überforderter Fluglotse gleichzeitig zwei Flugzeugen in Kloten auf Piste 16 (Richtung Süden) und 26 (Richtung Westen) sowie dem dritten in Dübendorf, auch Richtung Westen, Starterlaubnis erteilen würde.
Sicherheit, gewiss, aber auch für die Bevölkerung unterhalb der An- und Abflugschneisen. Und an oberster Stelle sollte die Gesundheit der nicht fliegenden Bevölkerung stehen, einfach so Hunderttausenden die Existenz mit Lärm und Dreck zu vermiesen, ist mehr als zynisch, ist purer Eigennutz.
Urs Baumgartner, Fällanden
Verhindert werden könnten Beinahekollisionen auf der Kreuzung der Pisten 16 und 28 etwa durch Südstarts geradeaus, meint die Fluglotsengewerkschaft zu dem am Bezirksgericht Bülach verhandelten Fall (NZZ 8. 12. 16). Angesichts der ambitiösen Wachstumspläne des Flughafens weiss man bereits heute mit Sicherheit, dass sämtliche zeitlichen, zahlen- und witterungsmässigen Beschränkungen der Südanflüge und später der Südstarts nur auf dem geduldigen Papier stehen. Und das «Kreuzungsalibi» steht ohnehin ewig fest.
Es existieren weltweit wohl nur äusserst wenige interkontinentale Hubs, bei denen sich Hauptpisten kreuzen (Sicherheit) und die zudem lediglich neun Kilometer vom Zentrum der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes entfernt gelegen sind (Lärm). Auf lange Sicht gehört der schweizerische Landesflughafen deshalb ins Mittelland , ins Grosse Moos, entfernt von (insbesondere deutschen) Landesgrenzen und Ballungszentren und ohne Pistenkreuz, so wie es einst geplant war. Die Verbindungen zu den städtischen Wirtschaftszentren wie Aarau, Bern, Biel, Lausanne und Zürich könnten dann durch kreuzungsfreie unterirdische Schnellbahnverbindungen ohne jegliche Lärmbelästigung sichergestellt werden.
Rudolf lseli, Zollikerberg
Ein Flugverkehrsleiter ist vom Bülacher Bezirksgericht freigesprochen worden (NZZ 8. 12. 16).Der Richter bemängelt aber bei der Skyguide ein fehlendes Reglement zum Pistenkreuz. Der Berufsverband der Flugverkehrsleiter , Aerocontrol, seinerseits äussert sich kritisch über die Lärmpolitik und die Komplexität am Zürcher Flughafen. Die trügen die Schuld an den schweren Vorfällen auf dem Pistenkreuz. Perfekt, ein Schuldiger ist gefunden und lenkt somit vom eigenen Versagen ab. Der Flughafen in Kloten ist nicht der einzige Airport auf der Welt mit einem komplexen Pistensystem , von gravierenden Vorfällen hört man von dort jedoch nichts. Die Sicherheit hängt ausschliesslich vom Menschen ab und hat mit den gegebenen Örtlichkeiten rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil, je schwieriger das Gelände, desto höher die Sicherheit, weil mehr Aufmerksamkeit gefordert ist. Dies bedingt allerdings gut ausgebildetes und kompetentes Personal.
Die Forderung, den Südstart geradeaus aus Sicherheitsgründen über das am dichtesten besiedelte Gebiet der Schweiz einzuführen, ist zynisch. Jedes Kind weiss mittlerweile, dass Landungen und Starts die· gefährlichsten Flugmanöver sind, und gerade diese sollen bei kritischen Wetterbedingungen (Bise und Nebel) über dem dichtbesiedelten Süden stattfinden, wo bei Notfällen topografisch keinerlei Ausweichstellen zur Verfügung stehen. Es stellt sich hier die berechtigte Frage, ob denn die Fluglotsen der Skyguide überhaupt in der Lage wären, die gefährlichen Starts über das dichte Wohngebiet im Süden sicher zu begleiten.
Ursula Hofstetter, Forch
NZZ, 19.12.2016, Leserbriefe