Einsprachen gegen Südstarts in Zürich (Leserbriefe NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Die Möglichkeit zur Anhörung zum zweiten Teil des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) zum Flughafen Zürich wurde rege genutzt. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), das feststellt, die meisten Einwendungen seien vorgefertigt gewesen (NZZ 10. 11. 16), verkennt Wesentliches. Die Bevölkerung hatte gerade mal fünf Wochen Zeit, zwei Bundesordner voller Unterlagen zu studieren. Da liegt der Gebrauch von Mustervernehmlassungen nahe.
Der intensive Gebrauch der Mustervorlagen zeigt vor allem eines: dass die Bevölkerung im Süden des Flughafens ihren Bürgerorganisationen und den lokalen Behörden entschieden mehr Vertrauen schenkt als Bundesrätin Leuthard und ihrem Verkehrsdepartement. Deren Politik traut man nach vielen negativen Erfahrungen nicht mehr. Die Zeiten, in denen der Süden in Flughafenabstimmungen ein verlässlicher Partner war, scheint vorbei zu sein.
Einen City-Airport gegen den Willen der Bevölkerung zu betreiben, ist aber auf Dauer schwierig. Zusätzlich schwebt das Flughafengesetz wie ein Damoklesschwert über den Wachstumsprognosen des Bundes: Bei 320 000 Flugbewegungen muss der Kantonsrat Stellung zum weiteren Wachstum nehmen, auch steht der Bevölkerung das Mittel des fakultativen Referendums zur Verfügung. – Die Bemerkung von Bundesrätin Leuthard anlässlich eines Treffens mit Gemeindepräsidenten, die Gemeinden hätten sich zuerst intern zu einigen, bevor der SIL2 kritisiert werde, zeugt mehr von Überheblichkeit als von politischem Gespür. Verschiedene negative Reaktionen aus allen Himmelsrichtungen sind eben gerade kein Freipass für den Bund, zu machen, was er will, sondern Zeichen dafür, dass vieles schiefläuft. Weshalb verweigert der Bund die Einführung des gekröpften Nordanfluges, trotz offerierter finanzieller Unterstützung aus Brüssel? Weshalb verwirft er den Westanflug mit gerade mal drei Zeilen im SIL1, ohne die entsprechenden Grundlagen zu veröffentlichen? Weshalb tritt man in den Verhandlungen mit Deutschland seit über zehn Jahren an Ort? Weshalb hofiert man der deutschen Swiss, welche bequem vom kaufkräftigsten Wirtschaftsraum profitiert und die Gewinne in den bereits erwähnten Norden abführt? Glaubwürdige und nachhaltige Politik ist das nicht. Der Flughafen ist wichtig und wertvoll – und wir wollen ihm Sorge tragen. Bevor Bundesrätin Leuthard versucht, mehr Kompetenzen nach Bern zu verlagern, muss sie beweisen, dass sie mehrheitsfähige Lösungen erarbeiten und die Interessen der Bevölkerung vertreten kann, so wie das die Zürcher Regierung macht. Bis jetzt ist ihr das nicht geglückt.
Markus Ernst, Gemeindepräsident Küsnacht (FDP)


Echte Alternativen für den Luftraum
Im Namen von 300000 Betroffenen rund um den Flughafen Zürich, darunter Zehntausende von Kindern und Jugendlichen, die sogar mehr als sieben Stunden Nachtruhe benötigen, um gesund aufwachsen zu können, appelliere ich an das Verständnis aller am neuen Design für den schweizerischen Luftraum (NZZ 5. 11. 16) Beteiligten, dass die von Emissionen betroffenen «Frö-sche» gegen die Ansprüche der international denkenden «Vögel» Schutz brauchen. Ganz offensichtlich dient das «Jahrhundertprojekt» von Bundesrätin Doris Leuthard mehr den Interessen jener «über 100 Schweizer Konzerne, die finanziell längst in ausländischer Hand sind und von Ausländern geführt werden», wie es alt Bundesrat Kaspar Villiger einmal formuliert hat. Die Drohungen aus Bern, die Kantonalzürcher Regierung samt Zürcher Kantonsrat in dieser Frage zu entmündigen, sind eine Anmassung ohnegleichen, soll doch der wirtschaftlichen Entmündigung die politische folgen. Als «Frosch» bin ich der Auffassung, dass dem Leuthardschen «Jahrhundertprojekt» aviatischer Dominanz ein Schweizer Projekt realer Vernunft entgegengestellt werden muss.
Klaus J. Stöhlker, Stiftung gegen Fluglärm, Zollikon


Nun ist also klargestellt, wofür die Wohnbevölkerung, die sich gegen den zunehmenden Fluglärm wehrt, gehalten wird: für «Frösche» mit entsprechender Perspektive (NZZ 5. 11. 16). Da haben es die echten Frösche, die im Eigental während der Laichzeit die Kantonsstrasse überqueren, besser: Es werden Naturschutzmassnahmen getroffen, und die Strasse wird einfach gesperrt. Ein ähnlicher Schutz auch für die Wohnbevölkerung vor dem Zertretenwerden durch die Aviatik wäre ein Segen. Es ist zu hoffen, dass die Zürcher Regierung nicht nachlässt und sich weiterhin tatkräftig für den Schutz ihrer Wohnbevölkerung vor übermässigem Fluglärm einsetzt, inklusive Nachtflugverbot. Es geht nicht um den Flughafen an sich, aber es gibt einen Anspruch darauf, auch im Kanton Zürich noch irgendwo leben und arbeiten zu können, ohne Tag und Nacht von Flugzeuglärm eingedeckt zu werden. Dieser Anspruch ist verbrieft in der Umweltschutzgesetzgebung, unter dem Titel Lärmschutz, weshalb die ständigen Ausweitungen und die Einrichtung eines neuen zivilen Flugplatzes mitten im dichtbesiedelten Kanton Zürich als widerrechtlich erscheinen.
Heinz Haefele, Dübendorf


Quantensprung mit dem Westanflug
Die Berichterstattung über die von Bern geplanten umstrittenen Südstarts in Zürich zeigt auf, dass die vielversprechendste Alternativlösung, das Westanflugkonzept, von den Medien noch nicht als das erkannt wird, was sie ist: eine Lösung mit Quantensprungpotenzial. Obwohl am Podiumsgespräch in der Vogtei Herrliberg von zahlreichen Rednern thematisiert, fehlen entsprechende Hinweise in den Zeitungsberichten (NZZ 3.11.16). Bei Integrierung des Westanfluges über nur dünn besiedeltem Gebiet entlang der Lägernsüdflanke lässt sich ein zu 100 Prozent kreuzungsfreier, nachhaltiger und betriebswirtschaftlich orientierter Flugbetrieb mit nur drei statt vier Pistenkonzepten realisieren, der unter anderem die aviatischen Grundsätze von Gegenwindlandungen beachtet und das Verspätungspotenzial des heutigen Bisenkonzeptes eliminiert. Und dies zum Vorteil von Bevölkerung und Flughafen!
Jean-Pierre Schiltknecht, Zollikerberg

NZZ, 14.11.2016