Späte Flüge in der Kritik (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Reaktion zum Zürcher Fluglärm-Index

Die Zunahme der Flüge nach 22 Uhr stösst bei Parteien und Vereinen auf Kritik. Andere Stimmen warnen davor, den Flughafen zu stark zu politisieren – und vor einer Schwächung des Standorts Zürich.

von Andreas Schürer

Der Regierungsrat hat erstmals die volkswirtschaftliche Bedeutung des Flughafens Zürich, strategische Ziele des Kantons als bedeutender Eigentümer und den Zürcher Fluglärmindex (ZFI) in einem Bericht zusammengefasst und gebündelt präsentiert. Diese Ausgewogenheit ist in den ersten Stellungnahmen nicht spürbar. Besonders kritisch und mit Fokus auf den ZFI äussern sich Grüne und Grünliberale. Erstere stellen fest: «Der ZFI zeigt sich einmal mehr als empfindliches Fieberthermometer, und als Kur hat der Regierungsrat wieder nur Kamillentee im Sortiment.» Die Grünen fordern nun, endlich, wie sie schreiben, griffige Massnahmen gegen die zunehmende Zahl der Flugbewegungen nach 22 Uhr.

Die Grünliberalen ärgern sich, dass der Flughafen einerseits einen Rekordgewinn erzielt habe und andererseits mehr Menschen als je zuvor durch Fluglärm belastet worden seien. Auch für die EVP ist nicht hinnehmbar, dass die Zahl der im Schlaf gestörten Personen um 16 Prozent zugenommen habe. «Es ist bedenklich, dass die gravierende Lärmbelastung von den Verantwortlichen einfach toleriert wird», schreibt die Partei. Bezüglich Einhaltung der Nachtruhe müsse endlich gehandelt werden.

«Inakzeptable Überschreitung»

Eindeutig ist die Tonalität auch bei diversen Organisationen: Der Flughafen muss einmal mehr fast ausnahmslos harsche Kritik einstecken. Der Schutzverband der Bevölkerung rund um den Flughafen kritisiert, dass der ZFI-Bericht in die Eigentümerstrategie integriert wurde. So werde die Fluglärmthematik aus dem Fokus gerückt. Zentral zu beachten sei, dass die Zahl der Nachtflüge völlig aus dem Ruder zu laufen scheine. Die starke Überschreitung des gesetzlichen Referenzwertes sei inakzeptabel: «Im Strassenverkehr würden Geschwindigkeitsüberschreitungen in diesem Rahmen zum Ausweisentzug führen.» In die gleiche Richtung kommentiert der Dachverband Fluglärmschutz – der Kanton müsse beim Bund Druck ausüben, damit die Nachtruhe eingehalten werde.

Das Fluglärmforum Süd rückt in den Fokus, dass viele der späten Flüge nicht im Sinn des Passagiers seien, sondern nur dem Erhalt der Hub-Funktion des Flughafens geschuldet seien. Der Verein Flugschneise Süd – Nein (VFSN) betont, dass mit der Einführung von gekrümmten Nordanflügen, die technisch möglich seien, die Südanflüge über dichtbesiedeltes Gebiet ersetzt und der ZFI auf einfache Weise gesenkt werden könnten. Die zur Diskussion stehenden Südstarts geradeaus würden den Wert dagegen geradezu explodieren

«Geschwächter Standort»

Als einzige Organisation überhaupt nimmt das Komitee Weltoffenes Zürich einen flughafenfreundlichen Blickwinkel ein, zumindest im Reigen der ersten Stellungnahmen. Es verweist darauf, dass über die Jahre gesehen das Bevölkerungswachstum in der boomenden Flughafenregion Haupttreiber des ZFI-Wertes sei. Wegen der Politisierung des Flugregimes werde der Flughafen Zürich gegenüber seinen Mitbewerbern geschwächt. So habe die Pünktlichkeit wegen Kapazitätsengpässen in den Tagesspitzen schon stark gelitten. Dies führe auch dazu, dass die Nachtzeit stärker belastet werde, weil Verspätungen abgebaut werden müssten. Das Komitee schreibt, dass hier tätige oder ansiedlungswillige Unternehmen das Entwicklungspotenzial des Standorts Zürich interessiere. Dieses erodiere – Gegenmassnahmen seien gefordert.

NZZ, 29.11.2015


siehe auch:

Medienmitteilung zum ZFI, 27.11.2015 (VFSN)