Bundesrätin Doris Leuthard bekräftigt die Forderung nach mehr Einfluss des Bundes in der Luftfahrtpolitik. Ohne Massnahmen sei das Drehkreuz in Zürich langfristig gefährdet.
Doris Leuthard hat am Donnerstag in Luzern pointiert Stellung genommen zur Strategie des Bundes in der Luftfahrt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Landesflughäfen und allen voran des Drehkreuzes in Zürich sei so gross, dass die Luftfahrt als nationales Thema gestaltet werden müsse, sagte die Verkehrsministerin an einer Tagung des Aviatik-Dachverbands Aerosuisse.
Der luftfahrtpolitische Bericht (Lupo) aus dem Jahr 2004, der die Strategie des Bundesrats vorgibt, müsse angepasst werden, vor allem aus zwei Gründen. Zum einen bauten etwa die Golfstaaten massiv aus, zum anderen leide vor allem der Flughafen Zürich unter Kapazitätsproblemen. Jedes Jahr gehe Wettbewerbsfähigkeit verloren, sagte Leuthard. Der Hub in Zürich sei langfristig gefährdet. Nun gelte es, Massnahmen zu ergreifen. Im Entwurf des neuen Lupo formuliert der Bund die Zielsetzung, dass er direkter Einfluss nehmen will. Das Papier ist noch nicht vom Bundesrat verabschiedet – und sorgt für heftige Kontroversen (NZZ 8. und 9. 10. 15).
Leuthard bekräftigte in Luzern die Stossrichtung des Lupo-Entwurfs. Der Bund müsse die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Luftfahrt-Infrastruktur ausgebaut werden könne, was namentlich auch die Optimierung bestehender Pisten umfasse. Indem der Bundesrat den Flugplatz Dübendorf der Zivilaviatik zur Verfügung stelle und die Verlängerung der Pisten 28 und 32 entgegen dem Willen des Zürcher Kantonsrats raumplanerisch gesichert habe, beweise er, dass es ihm ernst sei.
Zu den im Entwurf vorgeschlagenen Massnahmen äusserte sich Leuthard teilweise verklausuliert. Klar wurde aber, dass sie es als zu einschneidend erachtet, der Bundesversammlung neu die Kompetenz zu geben, Grundsatzentscheide zu den Landesflughäfen zu fällen. Dass der Bundesrat in den Sachplänen aber neu Leistungsziele vorgeben kann, ist für die Verkehrsministerin ein klares Ziel. Sie sei zum Schluss gekommen, dass sich der Bund auf diesem Weg stärker einbringen müsse.
Wie delikat dies ist, machte Leuthard gleich selber deutlich. Einerseits sagte sie: «Würden wir immer auf die betroffene Bevölkerung hören, wären wir immer noch bei der Postkutsche.» Andererseits brauche ein Flughafen die Akzeptanz der Bevölkerung. Der Bundesrat werde Entscheide der Kantone nicht leichtfertig übersteuern. Diese dürften sich aber auch nicht verstecken, meinte Leuthard: «Es geht nicht, dass wir intervenieren müssen, weil die Kantone heisse Kartoffeln an uns weiterreichen.» Auf Nachfrage meinte sie nach der Veranstaltung, kantonale Regierungen müssten auch hinstehen und unangenehme Entscheide vertreten.
Eine dezidierte Position vertrat in der folgenden Debatte Jean-Michel Cina, Walliser Staatsrat und Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen. Föderalismus sei kein Selbstzweck, in der Luftfahrt müsse das nationale Interesse im Fokus sein, das Interesse der Gesamtheit der Kantone. Cina meinte: «Wer von Lärm betroffen ist, argumentiert emotional. Mehrheiten muss man aber mit jenen bilden, die rational denken.»