In seinem Bericht zur Luftfahrt in der Schweiz 2015 (Lupo) zeichnet der Bund ein düsteres Bild. Er bestätigt pointiert, was schon ein Monitoring-Bericht aufgezeigt hat: Die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens Zürich und jene der Swiss sind gefährdet, wenn nicht rechtzeitig Massnahmen beschlossen werden. Vor diesem Hintergrund sieht der Bund offenbar die Zeit gekommen, seinen Einfluss auf die Landesflughäfen zu stärken – jedenfalls lässt der Entwurf des Lupo darauf schliessen, der in der Vernehmlassung ist. Vorgesehen sind zwei neue Instrumente: In den Sachplänen zu den Flughäfen soll der Bundesrat Leistungs- und Kapazitätsziele definieren können, zudem soll neu die Bundesversammlung Grundsatzentscheide zu den Airports in Zürich, Genf und Basel-Mülhausen fällen können, per referendumsfähigen Beschluss.
Ganz neue Ausgangslage
Im Lupo legt der Bundesrat seine Strategie für die Luftfahrtpolitik fest, die als Leitplanke für alle Entscheide und Verfahren dient. Zuletzt definierte er diese im Jahr 2004, unter dem Eindruck des Swissair-Groundings. Inzwischen habe sich die Ausgangslage grundlegend verändert, heisst es im Lupo-Entwurf. Bedrohlich für die Rentabilität von Hub-Carriern wie der Swiss sei unter anderem die Expansion der Fluggesellschaften aus den Golfstaaten. Auch für das Drehkreuz in Zürich könne diese Entwicklung gefährlich werden. Sollten nämlich langfristig Transferpassagiere an aufkommende Verkehrsknotenpunkte wie Istanbul oder Dubai verloren gehen, könne die Swiss den Hub nicht mehr rentabel betreiben. Dies sei jedoch unabdingbar, um eine grosse Anzahl an interkontinentalen Direktverbindungen aufrechtzuerhalten. Als Gegenmassnahme mag der Bund nicht auf unliberale Methoden wie das Beschneiden von Verkehrsrechten setzen. Vielmehr gelte es, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Ein Satz, der zu reden geben dürfte, lautet: «Im Rahmen seiner Möglichkeiten wird der Bund auf den Ausbau von Pisten und Rollwegen sowie die Optimierung oder Verlängerung der Betriebszeiten und die Optimierung von Flugverfahren hinwirken.» An anderer Stelle heisst es mit Bezug auf den Zürcher Flughafen: «Auf längere Sicht sind die Kapazitäten auch mit baulichen Massnahmen zu steigern.» Alles in allem kann dies ausgedeutscht nur heissen, dass Verlängerungen der Pisten 28 und 32 sowie der Südstart über Mittag im bald erwarteten Sachplan enthalten sein werden.
Militärflugplätze als Reserve
Den Engpässen wird im Bericht grosses Gewicht beigemessen, ja sie werden als grösste Herausforderung der Schweizer Luftfahrtpolitik bezeichnet. Zürich und Genf operierten in den Spitzenzeiten schon heute an der Kapazitätsgrenze, in 10 bis 20 Jahren seien sämtliche Reserven ausgereizt. Ihre Basis hat diese Einschätzung in den 2015 aktualisierten Prognosen für den Luftverkehr. Diese gehen für den Zeitraum von 2015 bis 2030 von einer steigenden Nachfrage von durchschnittlich 3,2 Prozent bei den Passagieren und 2,1 Prozent bei den Bewegungszahlen aus. Absehbar ist deshalb für den Bund, dass die Geschäftsfliegerei vom Flughafen Zürich verdrängt wird. Diese müsse aber weiterhin nahe an Wirtschaftszentren eine Heimat haben. «Deshalb treibt der Bund die Umwandlung des Militärflugplatzes Dübendorf in einen zivilen Flugplatz namentlich für die Business-Aviation mit Nachdruck voran», heisst es im Entwurf – um eine kleine Provokation folgen zu lassen: «Mit Blick auf die Engpässe bei den Landesflughäfen stellen die Militärflugplätze eine wichtige Reserve für die Zivilluftfahrt da, vor allem für die Business-Aviation und unter Umständen auch für den Linienverkehr.»
Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion will sich noch nicht äussern. Anders die Thurgauer Regierung: Sie hat beim Bund bereits kategorische Ablehnung der Pistenverlängerungen angemeldet, auch Verlängerungen der Betriebszeiten kämen nicht infrage. Der Schutz der Bevölkerung sei höher zu gewichten als Massnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Dass neu die Bundesversammlung Grundsatzentscheide fällen können solle, sei nachvollziehbar, da Landesflughäfen überregionale Bedeutung zukomme.
siehe auch:
Der Süden lehnt Südstarts geradeaus zur Kapazitätssteigerung ab (VFSN)