Wenn ein Gremium weiterbestehen soll, das die Wahrnehmung der schweizerischen Interessen gegenüber der Luftfahrtindustrie zum Ziel hat, müsste dessen Wirkungskreis erweitert werden.
Die Swiss-Luftfahrtstiftung ist ein diskretes Gremium. Vor zehn Jahren vom Bundesrat ins Leben gerufen und von der Fluggesellschaft Swiss finanziert, begleitet sie die Integration der Swissair-Nachfolgerin in den deutschen Lufthansa-Konzern unter spezifischer Berücksichtigung schweizerischer Interessen. Zudem beobachtet sie die Entwicklung des Luftverkehrs in der Schweiz. Geschaffen wurde sie, um Schweizer Sorgen über einen Bedeutungsverlust der Landesflughäfen im Zuge des Verkaufs der hiesigen Fluggesellschaft nach Deutschland zu begegnen.
Auch andere Plattformen
Anfang Oktober läuft das auf 10 Jahre befristete Mandat der 2005 etablierten Stiftung aus, deren Geschicke von sechs Personen geführt werden. An der Spitze des Stiftungsrats steht alt Bundesrat Moritz Leuenberger. Wie es dannzumal weitergeht, ist offen. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hält fest, es sei noch kein Entscheid gefallen. Entscheide man sich aber dafür, weiterhin ein solches Organ zu unterhalten, müsste dessen Blickwinkel über jenen der bestehenden Stiftung hinausgehen.
Nachgedacht wird laut BAZL über ein Gremium, in dem sich mit der Aviatik befassende Vertreter der Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung vereint würden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Luftfahrt kritisch zu beobachten. Für den Fall, dass man zu einer solchen Lösung fände, könnte sich die Swiss vorstellen, dabei wieder mitzutun, wie sie auf Anfrage festhält.
Allerdings, so das BAZL weiter, existieren bereits zwei weitere Plattformen. Einerseits das Swiss-Aviation-Leadership-Team, das unter Leitung des Bundesamtes dreimal jährlich tagt, und die Plattform Luftfahrt Schweiz unter Leitung des Infrastrukturdepartements Uvek. Auf dieser sind neben Vertretern der aviatischen Wirtschaft auch Politiker der Flughafenkantone Zürich, Basel-Stadt und Genf präsent.
Hintergrund der angestrebten breiteren Optik sind die Veränderungen im schweizerischen Luftverkehrsmarkt in den vergangenen zehn Jahren. Ging es 2005 vor allem darum, eine Schwelle gegen Verlagerungen von direkten Interkontinentalflügen nach Deutschland zu errichten, bilden heute die mit einer offensiven Preispolitik auftretenden Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten eine Herausforderung für den Hub Zürich. Als problematisch an der neuen Konkurrenz erachtet die hiesige Aviatik-Branche Wettbewerbsverzerrungen, die von der Steuerfreiheit dieser Gesellschaften bis zur Möglichkeit reicht, ihre Heimatflughäfen rund um die Uhr anzufliegen.
Die Carriers vom Arabischen Golf bedrohen mittelfristig europäische Gesellschaften wie die Swiss in ihrer Existenz, wodurch der Weiterbestand eines interkontinentalen Hubs in der Schweiz erneut infrage gestellt würde. Die Existenz einer hier domizilierten interkontinental tätigen Fluggesellschaft gilt als Voraussetzung dafür, dass die Schweiz eine Luftverkehrsdrehscheibe bleibt. Dies, weil der Verkehr über Europa hinaus auf bilateralen Abkommen mit den Zielländern basiert.
Sowohl der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse als auch der Branchenverband Aerosuisse zielen deshalb in dieselbe Richtung wie das BAZL. Die Swiss-Luftfahrtstiftung habe ihre ursprüngliche Mission erfüllt, stellen sie fest. Die Erschliessungsqualität der Schweiz habe nicht gelitten. Dennoch erachten sie den Fortbestand einer Organisation, die sich als Wächter schweizerischer Interessen im Luftverkehr versteht, grundsätzlich als sinnvoll. Nur, so Aerosuisse-Präsident Paul Kurrus, wäre deren Kompass neu auszurichten. Denkbar wären für die Aviatik-Lobby eine Erweiterung des Stiftungszwecks oder die Schaffung einer neuen Organisation. Kurrus hofft, dass bis im Herbst darüber wie auch über ein künftiges Finanzierungsmodell Klarheit herrscht.
Antworten des Bundesrats
Vonseiten der Gewerkschaften will man per Interpellation von SP-Nationalrat Philipp Hadorn vom Bundesrat wissen, wie er die Performance der Swiss-Luftfahrtstiftung einschätzt. Man möchte vor allem Aufschluss darüber, wie sehr die Stiftung schweizerische Interessen artikuliert und durchgesetzt hat, die nicht mit jenen der Lufthansa identisch sind. Als Beispiel dafür nennt Hadorn, der die Gewerkschaft Gata des Bodenpersonals präsidiert, Restrukturierungen der Swiss, bei denen hier Arbeitsplätze verloren gingen.
Auch er tendiert zur Option, die spezifische Vertretung schweizerischer Interessen nicht länger auf den Lufthansa-Konzern zu fokussieren, sondern auf die gesamte internationale Luftfahrtbranche auszuweiten. Wesentlich für Hadorn ist, dass ein solches Gremium explizit als von Swiss und Lufthansa unabhängig deklariert wird.
Bis im Herbst muss die Landesregierung zudem den luftfahrtpolitischen Bericht von 2004 überarbeiten. Es ist davon auszugehen, dass sie sich dort auch zur Frage äussern wird, mit welchen Mitteln die Schweizer Luftfahrt künftig begleitet und gefördert werden soll.