Die süddeutsche Politik fühlt sich beim Luftverkehrsabkommen über den Tisch gezogen und will den Staatsvertrag zu Fall bringen. In der Schweiz hingegen sind viele Politiker erfreut, dass damit endlich ein Ärgernis mit Deutschland vom Tisch ist, zu dem wir ja so exzellente und gute nachbarschaftliche um nicht zu sagen freundschaftliche Beziehungen haben. Dass damit der Schweizer Bevölkerung zusätzliche drei Stunden Fluglärm aufgebürdet wird ist zwar unschön aber sekundär. Weiter still geschwiegen wird die Tatsache, dass 70% aller Flugbewegungen auf dem Flughafen Zürich von Fluggesellschaften, die in deutscher Hand sind, durchgeführt werden (Quelle: EDA).
Nüchtern betrachtet entsprechen diese Reaktionen der Normalität.
Deutschland befindet sich immer im Dauerwahlkampf, denn dort ist Wahltag wirklich noch Zahltag. Für süddeutsche PolitikerInnen ist darum der Fluglärmstreit nichts anderes als eine willkommene Wahlkampfplattform und dies schon seit Jahren.
Die Schweizer Konsens Politik wird von der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Parteien geprägt. Da der Staatsvertrag offensichtlich den Vorstellungen und Wünschen der Flughafen Zürich AG und dem Lufthansakonzern entspricht, kann dem zugestimmt werden. Damit fallen dann bei freundschaftlichen Besuchen auch die lästigen Diskussionen über Fluglärm weg.
Nachbesserungen - nein danke!
Die Gefahr ist gross, dass die Schweizer Politik einmal mehr bereit ist, für "Nachbesserungen" Hand zu bieten. Dies solange die Expansionsgelüste der Flughafen Zürich AG und des Lufthansakonzerns nicht tangiert werden.
Die süddeutschen PolitikerInnen können nur gewinnen, egal was dabei heraus kommt. Die Bevölkerung im Kanton Zürich und speziell diejenige rund um den Flughafen kann dabei nur verlieren.
Ablehnung durch Deutschland als Chance.
Sollte Deutschland den Staatsvertrag ablehnen, muss der Bund die Chance nutzen und zuallererst den politischen Auftrag für den Flughafen Zürich hinterfragen und wohlüberlegt definieren. Der heute vorliegende Entwurf für den Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) ist bis in letzter Konsequenz auf die Business Modelle der Flughafen Zürich AG und des Lufthansakonzerns ausgerichtet. Dabei steht die Kapazitätserweiterung an erster Stelle. Ein Flughafen Zürich, der nicht den Anspruch hat, "eine bedeutende europäische Drehscheibe für den Weltluftverkehr zu sein", dürfte wohl weniger Abneigung erfahren, auf beiden Seiten des Rheins. Leider wurde in den letzten Jahren auch die Chance verpasst, lärmreduzierende Anflugverfahren einzuführen. Der Bundesrat kann dies nun ultimativ von der Aviatikindustrie fordern. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass eventuell erneute einseitige Verfügungen nicht in vorauseilendem Gehorsam umgesetzt werden, sondern über den normalen Rechtsweg - wie das bei einem neuen Betriebsreglement für den Flughafen vorgesehen ist.Medienmitteilung VFSN, 21.10.2012