An der deutsch-niederländischen Grenze tobt ein ähnlicher Streit um Fluglärm wie in Zürich - nur dass sich dort ein deutscher Flughafen rücksichtslos zeigt.
Von Erwin Haas
Seit 1954 hatte die Royal Air Force auf dem Nato-Flughafen Weeze-Laarbruch Jagdflugzeuge stationiert, um Atomsprengköpfe auf die Russen zu werfen, falls der Kalte Krieg heiss werden sollte. Als die Berliner Mauer fiel, dachten die Generäle um, 1999 zogen die Briten ab. Drei Jahre herrschte Ruhe - bis der einstige Militärflughafen im Mai 2003 zum zivilen Airport Niederrhein umgebaut war. Seither ist dort grenzüberschreitend Feuer im Dach.
Casus Belli wie in Zürich
So schlimm wie in Zürich ist es noch nicht. Der Regionalflughafen, der sich aus dem dicht besiedelten Umkreis Ruhrgebiet, Rheinland und Holland Passagiere erhofft, hat nur eine Piste. Sie verläuft von Osten nach Westen und ist 2,5 Kilometer lang. Marketingchef Holger Terhorst rechnet im ersten vollen Betriebsjahr 2004 mit 20 000 Starts und Landungen sowie einer Million Passagieren. Diese fliegen zurzeit in europäische Städte und Ferienorte wie München, Wien, Kopenhagen, Nizza, Mallorca, Rom oder London. Die Billigpreis-Heimfluggesellschaft VBird setzt den Airbus A320 ein, die irische Billiglinie Ryanair Boeing-737-Maschinen.
Im Vergleich zu Düsseldorf oder Köln-Bonn ist es am Niederrhein leise. Doch der Ärger der holländischen Anwohner ennet der Grenze, die zwischen 6 und 23 Uhr täglich gut 25-mal mit Start- oder Landelärm eingedeckt werden, hat Wachstumspotenzial. Der Flughafen muss sich amortisieren und hat eine Betriebsbewilligung für knapp 50 000 Bewegungen. Sie wurde erteilt mit der Begründung, der Flughafen sei als Nato-Stützpunkt mit dröhnenden Harriers und Tornados viel lauter gewesen.
Betriebsbewilligung angefochtenErbittertster Gegner des Flughafens ist das drei Kilometer vom Pistenende entfernte holländische Nachbardorf Bergen mit 13 500 Einwohnern. Es liegt am Rand des Nationalparks De Maasduinen, genau in der Hauptabflugschneise - so wie Waldshut und Hohentengen am Hochrhein in der Anflugschneise nach Kloten liegen, nur fünfmal näher. Die Gemeinde Bergen hatte bei deutschen Gerichten erfolglos gegen die Betriebsbewilligung gekämpft. Erstens habe die Royal Air Force nicht 40 000 Bewegungen pro Jahr abgewickelt, wie vom Flughafen und der deutschen Bezirksregierung in Düsseldorf behauptet, sondern nur etwa 21 000. Zweitens seien die Militärpiloten nach 1989 samstags und sonntags kaum noch geflogen. Mit der Forderung nach einem Flugverbot an Wochenenden drang Bergen kurz vor Ryanairs Jungfernflug nach London im Mai 2003 vorübergehend durch: Das Oberverwaltungsgericht Münster begrenzte die Flüge an Wochenenden auf maximal sechs zwischen 9 und 22 Uhr. Als die Heim-Airline VBird, eigens zur Auslastung des Airports Niederrhein gegründet, im November den Betrieb aufnahm, hatte sie deshalb vorerst ein Problem. Sie musste ihre Passagiere, die längst gebucht hatten, an drei Wochenenden mit Bussen nach Mönchengladbach und Düsseldorf karren, um ihre Verpflichtungen einzuhalten. Erst am 21. November hob die Bezirksregierung die Beschränkung wieder auf. Bergen zog die Einsprache weiter, der Ball liegt nun beim Oberverwaltungsgericht.
Klagen gabs auch auf deutscher Seite - von der Gemeinde Sonsbeck in der Ostanflugschneise, von ruhebedürftigen Einwohnern, von Campingplatzbetreibern und von Biobauern, die Demeter-Produkte anpflanzen. Der Flugplatz liegt mitten im Tourismusgebiet, das als grüne Lunge des Ruhrgebiets gilt. Gegen den Betrieb wurden 6000 Einsprachen eingereicht, sagt Conny Laqueur von der Aktionsgemeinschaft gegen Fluglärm und Luftverschmutzung in Kevelaer. Sie hofft, dass dem Flughafen die vorläufige Betriebsbewilligung wieder entzogen wird. Der militärische Fliegerhorst Weeze-Laarbruch habe seine Daseinsberechtigung gehabt, der zivile Flughafen habe sie nicht. Auch bei der EU-Kommission ist eine Beschwerde hängig: Der Flughafen müsse auf seine Umweltverträglichkeit geprüft werden.
Staatsvertrag noch nicht ratifiziertAnders argumentieren der Flughafen und die wirtschaftsfreundlichen Regionalpolitiker. Diese witterten nach dem Abzug der Briten die Chance, 400 verlorene Arbeitsplätze zu ersetzen. Der Verkauf des 615 Hektaren grossen Flughafengeländes für 11 Millionen Euro an holländische Investoren war an die Bedingung geknüpft, bis 2007 mindestens 350 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Als der Flughafen nach dem Bau des neuen Terminals fast pleite war, schob die öffentliche Hand 13 Millionen Euro Liquiditätshilfe nach. Der Flughafen Niederrhein soll zum «Wachstumsmotor» werden. Die Niederrheinische Industrie- und Handelskammer rechnet damit, dass der neue Airport bis 2015 zum «euregionalen Zentrum» wird und insgesamt 10 000 Arbeitsplätze generiert.
Die Parallelen zum Zürcher Fluglärmstreit sind frappant. Zu den Flugverfahren gibt es sogar einen deutsch-holländischen Staatsvertrag, der die Abflüge über Bergen billigt. Er ist von den Verkehrsministern unterschrieben, aber vom holländischen Parlament noch nicht ratifiziert.