Flughafenpolitische Wende (ZU)

Publiziert von VFSNinfo am
BERN Zürcher Regierung fasst einen Pistenausbau ins Auge

Nun also doch: In den SIL-Koordinationsgesprächen hat sich die Zürcher Regierung für einen Pistenausbau ausgesprochen. Im Osten reagiert man entsetzt.

Oliver Steimann

Im vergangenen Dezember hatte der Regierungsrat im Rahmen der Gespräche zum Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) erklärt, ein Ausbau des Pistensystems in Kloten sei keine Option. Gestern zeigte sich, dass die Fluglärmgegner damals zu früh gejubelt hatten. Nach dem Abschluss der zweiten Koordinationsrunde erklärte Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer in Bern vor den Medien, Zürich unterstütze unter anderem die weitere Prüfung der SIL-Variante J.

Alle Karten auf den Tisch

Diese beinhaltet eine Verlängerung der Piste 28, was mehr Anflüge aus Osten ermöglichen würde. Die Haltung der Gemeinden in der Konsultativen Konferenz habe die Regierung zu einem Umdenken bewogen, so Fuhrer. Ausserdem könne man sich so Spielraum für die Gespräche mit Deutschland verschaffen.

Nicht nur Zürich, auch alle Nachbarkantone mussten gestern in Sachen SIL ihre Karten auf den Tisch legen. Der Aargau beispielsweise beharrte, wie bereits angekündigt, auf einer Ablehnung des gekröpften Nordanflugs. Er wird dabei vom Kanton Schaffhausen solidarisch unterstützt. Eine Verlängerung bestehender Pisten steht für beide Kantone nicht im Vordergrund, da der Kapazitätsgewinn für den Flughafen zu bescheiden sei. Hingegen wollen sie das Projekt einer Parallelpiste ? im Gegensatz zu Zürich ? weiterverfolgen.

St. Gallen und der Thurgau würden dazu ebenfalls Hand bieten, wollen aber von einer Verlängerung der Piste 28 gar nichts wissen. «Dies wäre die Grundlage für eine Veränderung des Flugbetriebs in Richtung Osten», erläuterte der St. Galler Regierungsrat Josef Keller die ablehnende Haltung.

Empörung im Osten

Auch die Region Ost, der Bürgerprotest Fluglärm-Ost (BFO) und weitere Verbände reagierten empört auf die neue Zürcher Haltung. In den Communiqués wurde die Kehrtwende als «Kniefall vor der Flughafenlobby» bezeichnet. Im Süden des Kantons herrschte dagegen Erleichterung. Die Verteilung des Fluglärms sei damit «definitiv beerdigt», erklärte beispielsweise das Fluglärmforum Süd.

Noch ist der SIL-Prozess allerdings weit von seinem Abschluss entfernt. Gemäss dem Chef des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl), Raymond Cron, können die Koordinationsgespräche bis Ende Jahr aber abgeschlossen werden. Danach werde ein Objektblatt erarbeitet, welches das ordentliche Bewilligungsverfahren durchlaufen muss.


KOMMENTAR

Ein arger Dämpfer

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Kehrtwende der Regierung, nun doch nicht auf Pistenverlängerungen verzichten zu wollen, war absehbar. Auch wenn Regierungsrätin Rita Fuhrer gestern mehrfach betonte, der Regierungsrat lasse sich von niemandem unter Druck setzen und fälle seine Entscheidungen aus eigener Anschauung, wird man den Eindruck nicht ganz los, dass er genau diesem Druck nicht standhielt.

So ärgerlich dies für die Bevölkerung im Osten und Norden des Flughafens sein muss, ein gewisses Verständnis muss man den Argumenten der Regierung entgegenbringen. Der Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) ist ein Planungsinstrument mit weitem Zeithorizont. So gesehen konnte die Regierung gar nicht anders, als den Willen einer Bevölkerungsmehrheit mitzuberücksichtigen.

Entschieden ist noch gar nichts. Erst die Optimierung der Varianten wird zeigen, ob es sinnvoll ist, diesen Weg überhaupt weiterzuverfolgen.

Kaum nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Bevölkerungsmehrheit im weiten Süden von allen Anflügen verschont werden und die Bevölkerung im Osten und Norden die Hauptlast der Emissionen tragen soll. Da sticht auch das Argument nicht, nur so wenige Personen wie möglich mit Fluglärm eindecken zu wollen. Es gibt nicht zwei Klassen von Bürgern.

PatricK Huber

Zürcher Unterländer, 07.07.2007


Kommentar VFSN: Nein, es gibt keine zwei Klassen von Bürgern. Aber es gibt ein Umweltschutzgesetz und raumplanerische Vorgaben. Zudem gibt es Bürger, die freiwillig in den Fluglärm gezogen sind weil ihr Arbeitsplatz am Flughafen ist.