Der Airbus A380 ist ein Flugzeug - und Lärmbelästiger - der Superlative. Dies ergeben Messungen aus Wohnorten in unmittelbarer Nähe der Landebahn. Ganz entgegengesetzt wirbt der Hersteller gerade mit der Lautlosigkeit des Luftgiganten. Anwohner des Airbus-Werks in Toulouse sind jedenfalls nicht gut auf den A380 zu sprechen.
Von Siegfried Forster
"Der Gigant der Lüfte" - "Ein fehlerloser Start für den europäischen Jumbo" - "Ein europäisches Ereignis" ... Nicht nur die französischen Medien überschlugen sich regelrecht nach dem makellosen Jungfernflug des neuen Airbus A380. Ein Superflieger, der für Airbus-Chef Noël Forgeard auch beim Lärm- und Umweltschutz eine verheißungsvolle Zukunft verspricht:
Das ist ein Flugzeug, das extrem leise und extrem umweltfreundlich sein wird. Ein Flugzeug, das durch seine Größe erlauben wird, dass weniger Flugzeuge fliegen müssen, um die gleiche Anzahl an Passagieren zu befördern. Die Flugbelästigungen werden deshalb abnehmen.
Soviel zur offiziellen Seite. Die Botschaft vom superleisen Flugzeug stößt in der Nähe der Startpiste allerdings auf äußerst ungläubige Ohren. Henri Sume saß beim Jungfernflug des A380 unfreiwillig in der ersten Reihe und hatte deshalb ein Fernsehteam von France 3 zu sich als Zeugen für seine Lärmbelästigung eingeladen. Sein Häuschen steht nämlich nur ein Kilometer von der Startbahn entfernt. Von revolutionär geräuscharmen Triebwerken, Tragflächen, Fahrwerken hat er nichts gehört:
Sehen Sie, Sie konnten nicht mehr verstehen, was ich gesagt habe, während der Airbus hier vorbeigeflogen ist. Das Flugzeug ist also nicht so leise, wie immer gesagt wird, denn wenn es vorbeifliegt, versteht man hier kein Wort mehr.
Geräusche, die nicht nur vom Trommelfell lärmgeplagter Flughafen-Anwohner als Fluglärm wahrgenommen werden, sondern auch von wissenschaftlichen Messgeräten. Joël Ravenel war als Akustik-Spezialist vor Ort bei den ersten Start- und Lande-Bewegungen des Airbus A380 in Toulouse.
Mit seinem Gerät ermittelte er im Garten von Flughafen-Anwohnern erstaunliche Spitzenwerte für das Großraumflugzeug, die etwa erheblich über den 82 Dezibel des Mittelstrecken-Airbus A320 liegen - obwohl das Flugzeug weder vollgetankt war, noch die für später geplanten 800 Passagiere an Bord hatte:
Ich habe festgestellt, dass ich an der Stelle, an der ich mich aufhielt und Messungen machte, bei dem Start des A380 einen Spitzen-Geräuschpegel von 88,5 Dezibel erhalten habe. Während die anderen Flugzeuge, die an diesem Tag von dort aus starteten, nur 80 Dezibel verursachten.
Die Anwohner-Vereinigung des betroffenen Flughafens Toulouse-Blagnace registrierte bei Flugmanövern des A380 sogar Spitzenwerte von bis zu 103 Dezibel. Der Höchstwert sei registriert worden, als das Flugzeug bei einem Testflug durchgestartet sei.
Airbus bezeichnete die Messungen als nicht repräsentativ, weil es sich um Testflüge und keine offiziellen Linienflüge gehandelt habe und preist den A380 weiterhin als lärmarmes und umweltfreundliches Flugzeug der Zukunft. Die Verbände der Flughafen-Anwohner geben sich hingegen seither keinen Illusionen mehr hin.
Sie haben den Eindruck, dass im Zweifelsfall die Belange der Anwohner beim größten Passagierjet aller Zeiten auf der Strecke bleiben werden. Die Ärztin Simone Nérome ist Präsidentin der frankreichweiten Anwohner-Vereinigung gegen Fluglärm:
Was den Lärm angeht, so sagt man uns, dass dieses Flugzeug weniger Lärm verursachen wird, als die Boeing 747. Aber meint Airbus damit den Motorenlärm oder den tatsächlichen Fluglärm? Zum Beispiel: wenn ein Flugzeug landet, dann ist der durch die Tragflächen verursachte Lärm äußerst groß. Wir sind beunruhigt im Hinblick auf den durch das gesamte Flugzeug entstehenden Fluglärm, der am Boden von den Frauen, Männern und Kindern wahrgenommen wird, weil sie unter der Flugschneise leben und jedes vorbeifliegende Flugzeug anhören müssen.
Der Pariser Airport Roissy-Charles-de-Gaulle wird als einer der ersten Flughäfen den Superflieger empfangen. Auch nachts. Eine Frachtgesellschaft hat bereits zehn Flugzeuge bestellt, obwohl der A380 offenbar den maximal zugelassenen Grenzwert für Nachtflüge von 85 Dezibel überschreitet, so Akustiker Joël Ravenel:
Normalerweise dürfte der Airbus nachts nicht fliegen. Zumindest unseren Messungen zufolge. Aber mit uns hat bislang niemand Kontakt aufgenommen. Wir werden vollkommen ignoriert. Wir werden als Leute betrachtet, die verhindern, dass alles reibungslos verläuft.
Doch man höre und staune: Airbus hat indirekt mittlerweile die Notwendigkeit von Verbesserungen eingeräumt: um strengste Lärmschutz-Auflagen einhalten zu können, müsse der Treibstoff-Verbrauch des Riesenvogels wieder hochgeschraubt werden, verlautete aus der Chefetage. Spätestens Ende 2006 können sich die Airbus-Bauer nicht mehr hinter dem Argument der Testflüge verstecken. Dann will Erstkunde Singapore Airlines endlich den Linienbetrieb aufnehmen.