Baden-württembergische Regierung prüft massiven Ausbau des Flughafens
Der Stuttgarter Flughafen möchte wachsen. Die Landesregierung, zu 50 Prozent am Airport beteiligt, prüft die Projekte wohlwollend. Und misst mit ganz anderen Ellen als beim Zürcher Konkurrenten.
Oliver Steimann
Georg Fundel Direktor des Flughafens Stuttgart, hat ein Problem. Nach einer rasanten Wachstumsphase - innerhalb von drei Jahren legte der Flugverkehr um 30 Prozent zu - platzt sein Airport aus allen Nähten. Mit nur einer Piste liegt die maximale Kapazität bei rund 180 000 Flugbewegungen. 2006 waren es bereits 166 000, und in der «Prime Time» zwischen 6 und 8.30 Uhr sind keine Landerechte mehr zu bekommen.
«Die Problematik hat uns bereits eingeholt. Mit einigen Maschinen sind auch die zugehörigen Arbeitsplätze abgewandert», erklärte Fundel Mitte Juli bei der Präsentation der neusten Zahlen. Weil sie ihre Flugzeuge nicht mehr über Nacht in Stuttgart stationieren und am frühen Morgen rausfliegen konnten, seien Air Berlin und TUIfly abgewandert, erläutert Flughafensprecher Volkmar Krämer auf Anfrage.
Zweite Piste wird geprüft
Aus Sicht der Flughafen Stuttgart GmbH gibt es nur eine mögliche Lösung: Eine zweite Landebahn muss her. Sie hat deshalb eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnis im Herbst vorliegen soll. In diesem Zusammenhang wird auch eine Aufweichung der geltenden Nachtflugregelung geprüft, wie Krämer bestätigt. Man wolle damit «den Kritikern zeigen, dass der Flughafen keine Salamitaktik betreibt». Heute sind in Stuttgart Starts bis 23 Uhr, verspätete Landungen bis 24 Uhr möglich. Betriebsbeginn ist um 6 Uhr. Postmaschinen und Propellerflugzeuge dürfen jedoch - im Unterschied zu Zürich - auch während der Nachtstunden starten und landen.
Mit, der Kapazitätserweiterung will man auch vermehrt Interkontinentalflüge nach Stuttgart holen. Insbesondere die Golfregion steht weit oben auf der Wunschliste. Emirates und Qatar Airways haben bereits Interesse an der Schwäbischen Metropole bekundet, bislang aber keine Landerechte erhalten.
Stadt- und Landesregierung machen deswegen Druck beim Deutschen Bundesverkehrsministerium.
Andere Forderungen für Zürich
Das Bundesland und seine Hauptstadt sind je zu 5O Prozent an der Flughafen Stuttgart GmbH beteiligt. Im Aufsichtsrat sitzen unter anderen der langjährige baden-württembergische Verkehrsminister Ulrich Müller und, als Vorsitzender, Innenminister Heribert Rech (beide CDU). Vertreter einer Regierung also, welche von Berlin mit Nachdruck verlangt, die Anflüge auf den Zürcher Airport über süddeutschem Gebiet auf maximal 80 000 pro Jahr zu beschränken. Diese Forderung wurde von Wirtschaftsminister Ernst Pfister beim letzten Treffen mit der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer am 20. Juli nochmals unterstrichen.
Beim eigenen Landesflughafen legt man offenbar andere Massstäbe an. Ministerpräsident Günther Oettinger will sich bezüglich Flughafenausbau zwar noch nicht festlegen, hat aber bereits angekündigt, eine Studie zu den Auswirkungen einer zweiten Landebahn in Auftrag geben zu wollen. Eindeutig dagegen ausgesprochen hat sich bislang nur die politische Opposition, namentlich die Grünen und die SPD.
«Lärmgesetz erlaubt mehr»
Aber auch unter den Anwohnern macht sich Widerstand breit. Die Schutzgemeinschaft Fuder, eine Bürgerinitiative aus dem Südosten Stuttgarts, sammelt derzeit Unterschriften gegen die zweite Piste. Und sie erhebt weitere Forderungen, die in Zürcher Ohren nur allzu vertraut klingen: «Keine Zunahme der Einzelschall-Ereignisse» - gemeint sind die Flugbewegungen - und «ein striktes Nachtflugverbot». Im vom Zürcher Fluglärm betroffenen Landkreis Waldshut profitieren die Bewohner heute von einer Sperre, die wochentags von 21 Uhr bis 7 Uhr dauert, am Wochenende gar von 20 Uhr bis 9 Uhr.
Dass die Stuttgarter Fluglärmgegner gleiches Recht einfordern könnten, macht dem Flughafen allerdings keine Sorgen. «Fordern ist das eine - Gesetzgebung das andere», sagt Volkmar Krämer. Und er stellt klar: «Das neue Lärmgesetz in Deutschland erlaubt weitaus mehr als in Stuttgart passiert. Und Stuttgart hat schon heute stärkere Nachtflugbeschränkungen als die meisten anderen deutschen Flughäfen und dadurch grössere wirtschaftliche Nachteile.»
Zürichsee-Zeitungen, 26.07.2007
Der Stuttgarter Flughafen möchte wachsen. Die Landesregierung, zu 50 Prozent am Airport beteiligt, prüft die Projekte wohlwollend. Und misst mit ganz anderen Ellen als beim Zürcher Konkurrenten.
Oliver Steimann
Georg Fundel Direktor des Flughafens Stuttgart, hat ein Problem. Nach einer rasanten Wachstumsphase - innerhalb von drei Jahren legte der Flugverkehr um 30 Prozent zu - platzt sein Airport aus allen Nähten. Mit nur einer Piste liegt die maximale Kapazität bei rund 180 000 Flugbewegungen. 2006 waren es bereits 166 000, und in der «Prime Time» zwischen 6 und 8.30 Uhr sind keine Landerechte mehr zu bekommen.
«Die Problematik hat uns bereits eingeholt. Mit einigen Maschinen sind auch die zugehörigen Arbeitsplätze abgewandert», erklärte Fundel Mitte Juli bei der Präsentation der neusten Zahlen. Weil sie ihre Flugzeuge nicht mehr über Nacht in Stuttgart stationieren und am frühen Morgen rausfliegen konnten, seien Air Berlin und TUIfly abgewandert, erläutert Flughafensprecher Volkmar Krämer auf Anfrage.
Zweite Piste wird geprüft
Aus Sicht der Flughafen Stuttgart GmbH gibt es nur eine mögliche Lösung: Eine zweite Landebahn muss her. Sie hat deshalb eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnis im Herbst vorliegen soll. In diesem Zusammenhang wird auch eine Aufweichung der geltenden Nachtflugregelung geprüft, wie Krämer bestätigt. Man wolle damit «den Kritikern zeigen, dass der Flughafen keine Salamitaktik betreibt». Heute sind in Stuttgart Starts bis 23 Uhr, verspätete Landungen bis 24 Uhr möglich. Betriebsbeginn ist um 6 Uhr. Postmaschinen und Propellerflugzeuge dürfen jedoch - im Unterschied zu Zürich - auch während der Nachtstunden starten und landen.
Mit, der Kapazitätserweiterung will man auch vermehrt Interkontinentalflüge nach Stuttgart holen. Insbesondere die Golfregion steht weit oben auf der Wunschliste. Emirates und Qatar Airways haben bereits Interesse an der Schwäbischen Metropole bekundet, bislang aber keine Landerechte erhalten.
Stadt- und Landesregierung machen deswegen Druck beim Deutschen Bundesverkehrsministerium.
Andere Forderungen für Zürich
Das Bundesland und seine Hauptstadt sind je zu 5O Prozent an der Flughafen Stuttgart GmbH beteiligt. Im Aufsichtsrat sitzen unter anderen der langjährige baden-württembergische Verkehrsminister Ulrich Müller und, als Vorsitzender, Innenminister Heribert Rech (beide CDU). Vertreter einer Regierung also, welche von Berlin mit Nachdruck verlangt, die Anflüge auf den Zürcher Airport über süddeutschem Gebiet auf maximal 80 000 pro Jahr zu beschränken. Diese Forderung wurde von Wirtschaftsminister Ernst Pfister beim letzten Treffen mit der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer am 20. Juli nochmals unterstrichen.
Beim eigenen Landesflughafen legt man offenbar andere Massstäbe an. Ministerpräsident Günther Oettinger will sich bezüglich Flughafenausbau zwar noch nicht festlegen, hat aber bereits angekündigt, eine Studie zu den Auswirkungen einer zweiten Landebahn in Auftrag geben zu wollen. Eindeutig dagegen ausgesprochen hat sich bislang nur die politische Opposition, namentlich die Grünen und die SPD.
«Lärmgesetz erlaubt mehr»
Aber auch unter den Anwohnern macht sich Widerstand breit. Die Schutzgemeinschaft Fuder, eine Bürgerinitiative aus dem Südosten Stuttgarts, sammelt derzeit Unterschriften gegen die zweite Piste. Und sie erhebt weitere Forderungen, die in Zürcher Ohren nur allzu vertraut klingen: «Keine Zunahme der Einzelschall-Ereignisse» - gemeint sind die Flugbewegungen - und «ein striktes Nachtflugverbot». Im vom Zürcher Fluglärm betroffenen Landkreis Waldshut profitieren die Bewohner heute von einer Sperre, die wochentags von 21 Uhr bis 7 Uhr dauert, am Wochenende gar von 20 Uhr bis 9 Uhr.
Dass die Stuttgarter Fluglärmgegner gleiches Recht einfordern könnten, macht dem Flughafen allerdings keine Sorgen. «Fordern ist das eine - Gesetzgebung das andere», sagt Volkmar Krämer. Und er stellt klar: «Das neue Lärmgesetz in Deutschland erlaubt weitaus mehr als in Stuttgart passiert. Und Stuttgart hat schon heute stärkere Nachtflugbeschränkungen als die meisten anderen deutschen Flughäfen und dadurch grössere wirtschaftliche Nachteile.»
Zürichsee-Zeitungen, 26.07.2007