Air Berlin breitet sich in Zürich weiter aus (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Die deutsche Billigairline Air Berlin steigt beim Schweizer Ferienflieger Belair ein – und wird mit einem Schlag zum Langstrecken-Profi.

Von Judith Wittwer, Frankfurt

Air Berlin hebt ab. Nur ein halbes Jahr nach der Übernahme der Konkurrentin DBA gelingt dem Billigflieger und seinem charismatischen Kapitän, Joachim Hunold, mit dem Kauf des Düsseldorfer Ferienfliegers LTU der nächste Coup. Die deutsche Airline steigt im Europaverkehr mit einem Schlag hinter Ryanair, Air France/KLM und Lufthansa zum viertgrössten Anbieter auf. Mehr dazu jedoch später.
Für die Schweiz von grösserem Interesse ist die Nachricht, die der schnelle Hunold am Dienstag an der Bilanzmedienkonferenz – quasi nebenbei – auch noch bekannt gab: Air Berlin beteiligt sich mit 49 Prozent am Schweizer Ferienflieger Belair.

Hotelplan atmet auf

Die Migros-Tochter Hotelplan, zu der die Chartergesellschaft mit ihren zwei Mittelstrecken- und einem Langstreckenjet gehört, kann aufatmen. Ihre Ende 2001 nach dem Grounding der Swissair gegründete Airline leidet schon länger unter einer ungenügenden Auslastung. Schuld daran ist nicht zuletzt die wachsende Konkurrenz durch Billigflieger wie Air Berlin im Schweizer Reisemarkt.
Mit dem Einstig des einstigen Rivalen packt Hotelplan-Chef Christof Zuber das Problem vieler Charterflieger beim Schopf: Dank der «strategischen Partnerschaft » kann der Reiseanbieter nun deutlich flexibler und mit höherer Frequenz auftreten. Davon profitieren nicht nur die Touristen, die künftig unabhängiger nach Thailand, in die Karibik oder an die gängigen Mittelmeerstrände fliegen können. Mit grosser Wahrscheinlichkeit braucht die Airline laut Zuber bald auch mehr Personal für Cockpit und Kabine (siehe «Nachgefragt»).
Hotelplan-Rivale Kuoni sieht sich mit seinem Ferienflieger Edelweiss trotzdem nicht unter Zugzwang. «Wir ziehen im Moment einen Alleingang vor», sagt Sprecherin Andrea Hemmi und schiebt später nach: Kuoni sei aber offen, auch Kapazitäten für andere Anbieter bereit zu stellen. Schnörkellos kommuniziert Air Berlin: «Wir wollen den Flugverkehr ab Zürich weiter ausbauen», sagt Sprecher Peter Hauptvogel. Die Beteiligung an Belair stelle hierbei einen wichtigen Etappensieg dar. Nicht nur, weil Deutschlands zweitgrösste Airline mit dem Einstieg «eine günstige Gelegenheit wahrgenommen» hat. Der Zusammenschluss schafft Air Berlin auch schlagartig Zugang zu wichtigen Schweizer Landerechten.

Fast eine Million Passagiere ab Kloten

Zwar darf der Billigflieger europaweit schon heute vom Flughafen Zürich aus fliegen – und macht von dieser Möglichkeit auch rege Gebrauch: Inzwischen steuert er 16 Destinationen direkt an und transportierte letztes Jahr ab Zürich mehr als 950 000 Passagiere. Dank Belair stehen ihm nun aber aussereuropäische Ziele offen. Der einstige Städteflieger kann Zürich zur Luftbrücke in alle Welt machen.
Der grösste Schweizer Flughafen soll für Air Berlin mehr sein als ein simples Drehkreuz. Obwohl viele deutsche Passagiere auf dem Weg in die Kanaren in Zürich umsteigen, betont man in Berlin: «Wir interessieren uns primär für die Schweizer Fluggäste.» Mit ihnen will man weiter wachsen – auch im Langstreckengeschäft.

Ein Brocken, der Risiken birgt

Belair spielt da allerdings nur eine Nebenrolle: Zum regelrechten LangstreckenProfi steigt Air Berlin mit dem eingangs erwähnten LTU-Zukauf auf. «Viele unserer Kunden fordern schon seit Jahren, dass wir auch Langstrecken anbieten», berichtete gestern Hunold stolz. «Das können wir jetzt tun!» Neu besitzt die Fluglinie auch eine Flotte von Langstrecken-Jets. Die aktuell wichtigsten Destinationen von LTU sind die Dominikanische Republik, die USA, Thailand, Nordafrika, die Kanarischen Inseln und die Türkei.
140 Millionen Euro zahlt die börsenkotierte Air Berlin für LTU an die bisherigen Eigentümer – und übernimmt überdies alle Schulden von LTU in der Höhe von rund 200 Millionen Euro. Ein Brocken, der nicht zu unterschätzende Risiken berge, da sind sich Luftfahrtexperten einig. Doch gestern überwog die Freude. Schliesslich konnte Air Berlin neben seinen Expansionsplänen auch mitteilen, für 2006 habe sie nach einem Verlust im Vorjahr wieder einen Gewinn von 50,1 Millionen Euro auszuweisen.


NACHGEFRAGT

«Reine Ferienflieger haben keine Zukunft»

Hotelplan-Chef Christof Zuber will die schwächelnde Belair dank Air Berlin flexibler machen.

Mit Christof Zuber sprach Judith Wittwer

Herr Zuber, verkaufen Sie die Belair, weil ihr die Billigflieger immer mehr zu schaffen machen?
Die Rentabilität ist in der Tat eine Herausforderung. Die Charter leiden darunter, dass sich das Reiseverhalten verändert hat. Flog man früher für 7 oder 14 Tage ans Meer, will man heute vielleicht schon nach 4 Tagen zurück. Der klassische Charter hebt aber nur einmal pro Woche ab.

Ist der Ferienflieger ein Auslaufmodell?
Ja, reine Ferienflieger haben aus unserer Sicht keine Zukunft. Vor allem nicht, wenn sie, wie in unserem Fall, nur über zwei Mittelstreckenjets und eine Langstreckenmaschine verfügen.

Da konnte sich Air Berlin bei Belair wohl zum Schnäppchenpreis einkaufen.
Über den Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart worden. Für Air Berlin lohnt sich der Einstieg aber sehr wohl: Er bietet der Airline die Chance, ohne Zeit zu verlieren an wichtige Landerechte heranzukommen und ihre Aktivitäten am Zürcher Flughafen weiter auszubauen . . .

. . . während der Name Belair verschwindet.
Belair ist eine schweizweit bekannte Marke. Zumindest mittelfristig wird der Name daher bestehen bleiben. Klar ist: Die Airline bleibt in der Luft. Der Zusatz «operated by Belair» wird – mit dem Schweizer Kreuz – bleiben. Wie wir die Flugpläne aufeinander abstimmen werden und wer wann wohin fliegt, das entscheiden wir nach der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden zur Transaktion. Künftig werden wir aber ganz klar flexibler und mit höherer Frequenz am Markt auftreten.

Und auch billiger sein?
Die Flugpreise ab Schweizer Flughäfen sind im europäischen Vergleich heute schon attraktiv.

Tages-Anzeiger, 28.03.2007, Seite 26


Kommentar VFSN:
Deutsche Umsteigepassagiere, Schweizer die ihr Geld im Ausland ausgeben und Flugpersonal welches ihre Steuern in Deutschland bezahlt. Sieht so der Wirtschaftsmotor Flughafen aus?