Kantonsrat gegen feste Begrenzung der Flugbewegungen (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am

Bürgerliche beschliessen Marschhalt bei 320 000 Bewegungen als Gegenvorschlag zur Plafonierung

Die bürgerliche Mehrheit des Kantonsrats will dem Wachstum des Flughafens keine starren Grenzen setzen. Im Streit um den Fluglärm hat sie am Montag ein flexibles Regulierungsmodell durchgesetzt. Voraussichtlich im November kommt der Vorschlag zusammen mit der Plafonierungsinitiative zur Abstimmung.

fur. Der Entscheid war knapp. Mit 90 zu 86 Stimmen haben am Montagmorgen FDP, SVP und der Vertreter der Schweizer Demokraten ihr Modell zur Regulierung des Fluglärms durchgesetzt. Das Modell heisst «ZFIplus», wurde ursprünglich vom kantonalen Gewerbeverband ausgetüftelt und ist von allen zur Debatte gestandenen Varianten die Flughafen-freundlichste und jene, die inhaltlich am weitesten von der Plafonierungsinitiative entfernt ist. Die Initiative und «ZFIplus» als offizieller Gegenvorschlag dazu kommen voraussichtlich am 25. November zur Abstimmung. Über das Volksbegehren hat der Rat noch nicht entschieden, alles deutet aber darauf hin, dass er es zur Ablehnung empfehlen wird. Es verlangt eine feste Begrenzung von jährlich 250 000 Flugbewegungen und eine 9-stündige Nachtflugsperre. Derzeit dauert die Nachtruhe 6 Stunden, und die Zahl der An- und Abflüge lag letztes Jahr bei über 260 000.

Vorschlag der Kommission gescheitert

Der Gegenvorschlag «ZFIplus» hingegen setzt die Marke bei 320 000 Bewegungen. Ist diese Zahl erreicht, muss das Wachstum aber noch nicht zu Ende sein, sondern dann soll der Kantonsrat - und danach allenfalls das Volk - entscheiden, ob der Flughafen seine Kapazität weiter erhöhen kann. Die Marke 320 000 bezeichnet damit keine Grenze, sondern nur einen Marschhalt. Weiter verlangt der Vorschlag eine 7-stündige Nachtflugsperre - davon soll der Flughafen noch eine halbe Stunde zum Abbau von Verspätungen nutzen dürfen. Und schliesslich liessen die Bürgerlichen auch den sogenannten Zürcher Fluglärm-Index (ZFI) in ihren Vorschlag einfliessen. Der ZFI ist ein umstrittenes, vom Regierungsrat vorgeschlagenes Instrument zur Erhebung der Zahl der vom Fluglärm stark gestörten Personen. Wie hoch diese Zahl sein darf, legt der Regierungsrat fest, nach dem derzeitigen Vorschlag liegt sie bei 47 000. Wird dieser Grenzwert erreicht, sollen ebenfalls Kantons- und Regierungsrat eine Neubeurteilung vornehmen.

Gescheitert ist im Rat der Kompromissvorschlag der Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt, den SP, Grüne, CVP und EVP vertraten. Sie wollten ebenfalls 320 000 Flugbewegungen festsetzen, dies aber im Unterschied zum bürgerlichen Modell als feste Grenze. Weiter schlugen sie auch eine 7-stündige Nachtruhe vor, diesmal aber ohne Möglichkeit, Verspätungen abzubauen. Keinen Erfolg hatte ferner ein Minderheitsantrag der Linken mit 320 000 Bewegungen und 8 Stunden Nachtruhe.

«Soll jede Nachfrage befriedigt werden?»

Die Bürgerlichen warben vor allem mit dem Argument des wirtschaftlichen Wachstums für ihr Modell und gegen die Initiative. Der Flughafen müsse sich nach der Wirtschaft richten, sagte Hansjörg Schmid (svp., Dinhard). Diese sei im Kanton Zürich exportorientiert, ergänzte Parteikollege Martin Arnold (svp., Oberrieden). Eine 9-stündige Nachtflugsperre hätte zur Folge, dass die Anbindung an wichtige Destinationen in aller Welt nicht mehr gewährleistet wäre, vor allem an solche in Wachstumsregionen wie etwa Asien, sagte er. «Mit einer Annahme der Initiative würde der Hub Zürich sterben», befürchtet auch Martin Mossdorf (fdp., Bülach). Und Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer (svp.) erklärte, der Flughafen sei der Ursprung zahlreicher Arbeitsplätze. Der Airport sei mit 150 Destinationen in 70 Ländern verbunden. Diese Verbindungen zu anderen Wirtschaftsräumen seien für den Kanton Zürich zentral. Ein reduzierter Flughafen mit einem zudem schlechten Image könne der Wirtschaft nicht mehr dienen. Um aber die Balance zwischen den Bedürfnissen der Bevölkerung und denen des Flughafens zu finden, sei der ZFI ein innovatives Instrument. Es liefere klare Fakten, sagte Fuhrer.

Die Mitte-Links-Parteien allerdings bezeichneten den ZFI als undurchschaubares, zum Teil auch als «unseriöses» Instrument. Den Bürgerlichen hielten sie weiter entgegen, dass kein Zusammenhang bestehe zwischen mehr Flugbewegungen und Wirtschaftswachstum. «Umsteigepassagiere nützen der Zürcher Wirtschaft nichts», kritisierte Priska Seiler (sp., Kloten). SP- Fraktionschef Ruedi Lais (sp.) warf dem Flughafen und der Luftverkehrsbranche Gier vor. Sie seien gierig aauf Wachstum und gierig darauf, Ressourcen zu verbrauchen. Ins gleiche Horn stiess Robert Brunner (gp., Steinmaur), der an den letzte Woche veröffentlichten Uno-Klimabericht erinnerte. Eine Begrenzung sei ein Beitrag zum Klimaschutz. «Soll jede Nachfrage befriedigt werden?», fragte auch Willy Germann (cvp., Winterthur). Die Mitteparteien riefen FDP und SVP mehrmals zu einem Kompromiss im Sinne des Kommissionsvorschlages auf. Damit könnte die Bevölkerung am Flughafen leben, sagte Peter Reinhard (evp., Kloten). Mit dem «ZFIplus» aber schiesse man ein Eigentor, denn er verhelfe der Plafonierungsinitiative zum Durchbruch. Richard Hirt (cvp., Fällanden) wurde noch drastischer, indem er sagte, man laufe Gefahr, dass die Bevölkerung dem Flughafen «die Gurgel zudrücke».

Für die Plafonierungsinitiative warb Stefan Wey, Chef des Initiativkomitees. Er rief den Rat dazu auf, der geplagten Bevölkerung wieder das Vertrauen in die Politik zurückzugeben. Dazu sei die Beschränkung der Bewegungen ein einfaches Mittel. Der ZFI hingegen versuche dieses Prinzip auszuhebeln. Den Ratsmitgliedern riet er, zu bedenken, dass sie ihrer Wählerschaft verpflichtet seien, nicht ihrer Partei.

NZZ, 06.02.2007



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